Archiv


Schwankende Werte

Diabetes-Patienten müssen sich auf die Genauigkeit ihre Blutzuckermessgeräte verlassen können. Doch das Spektrum der Messgenauigkeit schwankt stark und kann schwerwiegende Folgen für die Therapie haben.

Von Anna-Lena Dohrmann |
    "Also wir machen jetzt mal eine Messung. Man nimmt einen Teststreifen, steckt den in das Messgerät, dann schaltet sich das ein. Dann muss ich eine Blutprobe dem Streifen zuführen, dazu gibt es halt einen kleinen Piekser und dann gibt es ein Messergebnis. Und das ist jetzt im Normbereich und somit brauchen wir jetzt eigentlich nichts weiter tun", erklärt Uwe Jeckel.

    Er leidet seit 20 Jahren an Diabetes Typ I. Deshalb muss der 52-Jährige regelmäßig seinen Blutzucker messen. Danach passt er seine Therapie an: Hat er zu viel Zucker im Blut, muss er Insulin spritzen; hat er zu wenig, muss er etwas essen. Es ist also wichtig, dass er sich auf das Messergebnis verlassen kann. Doch das ist nicht immer der Fall, warnt Professor Theodor Koschinsky von der Deutschen Diabetes Gesellschaft:

    "Das Spektrum der Messgenauigkeit kann in weitem Rahmen schwanken. Und das ist im Kern normal, wenn es sich innerhalb der zugelassenen Fehlergrenzen bewegt. Für die jetzt auf dem Markt befindlichen Geräte ist die zugelassene Fehlergrenze plus minus 20 Prozent."

    Im Alltag gelten solche Schwankungen als akzeptabel. Diese internationale Norm muss auch erfüllt sein, damit ein Gerät mit seinen Teststreifen in der Europäischen Union zugelassen wird. Doch das Problem: Nach der Zulassung gibt es keine unabhängigen Prüfungen mehr – vor allem nicht bei den ständig neu produzierten Teststreifen.

    Koschinsky: "Aus wissenschaftlichen Publikationen geht hervor, dass zwischen 20 und 40 Prozent der untersuchten Systeme jenseits dieser schon relativ großzügigen Fehlergrenzen gelegen hat und dieser Punkt ist besorgniserregend."

    Denn das könnte in Einzelfällen schwerwiegende Auswirkungen auf die Therapie haben.

    Koschinsky: "Wenn man falsch zu hoch gemessen hat, und dann zu viel Insulin gespritzt hat, dann kann es eben zu einer Unterzuckerung kommen, die man nicht erwartet."

    Doch das sind Extremsituationen, die wahrscheinlich nur selten auftreten und dann meist nicht eindeutig auf eine Messungenauigkeit des Gerätes zurückzuführen sind. Denn auch die richtige Handhabung ist entscheidend, betont Professor Peter Schwarz, Diabetologe des Uniklinikums in Dresden:

    "Wichtig ist, wenn Sie Blutzucker messen, dass Sie die Hände ordentlich waschen. Sie müssen nicht zwingend die Hände desinfizieren, ordentlich die Hände zu waschen reicht aus. Und wenn Sie sich dann stechen, nicht reflexionsartig den Tropfen, den ersten, abzulecken. Denn wenn sie ein Marmeladenbrötchen vorher gegessen haben, dann ist der Blutzuckerspiegel dann auch erhöht."

    Außerdem beeinflussen viele weitere Faktoren den Blutzuckerspiegel: Was hat der Patient gegessen? Ist er gestresst? Hat er Sport gemacht? Deshalb ist bei der Blutzuckerselbstkontrolle nicht nur der einzelne Wert wichtig.

    Schwarz: "Entscheidend ist, dass die Blutzuckerselbstkontrolle dem Patienten signalisiert, was macht mein Körper, wenn ich eine bestimmte Nahrung esse oder was passiert mit meinem Körper, wenn ich 10.000 Schritte laufe. Und dass er das lernt, dass er einfach lernt, seinen Körper zu verstehen."

    Denn jeder Körper ist anders. Bei einem Patienten sinkt der Blutzucker besonders schnell, wenn er Sport macht. Bei einem anderen dauert es länger. Für Uwe Jeckel jedenfalls ist die Blutzuckermessung eine unersetzliche Hilfe:

    Jeckel: "Der Patient ist im Fall der Diabetestherapie eigentlich selbst sein bester Arzt, weil er muss jederzeit oder täglich entscheiden, was er tun muss. Und kriegt über diese Blutzuckermessung halt auch eine Rückinfo, wie gut er das gemanagt hat"...

    … und wird dadurch motiviert. Die Blutzuckermessung ist also ein wichtiger Bestandteil der Diabetestherapie. Genaue Messgeräte und systematisches Messen sind dafür unerlässlich.