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"Schwarz Rot Gold - Drei Teile Deutsch"

Den deutschen Geist, die deutsche Lage und das deutsche Wesen - diese drei Phänomene der deutschen Geschichte will Regisseur Peter Kastenmüller in seinem Stück beleuchten. Aber nicht alles, was drei Teile hat, bildet ein harmonisches Ganze. So mancher Zuschauer fühlte sich in den Theaterworkshop eines Germanistischen Seminars der 80er Jahre zurückversetzt.

Von Christian Gampert | 22.02.2009
    Es war einer dieser tristen, grauen, verregneten Frankfurter Abende, fiese Nässe unter den Bankentürmen, und genau so war die Aufführung: ein Meer aus Langeweile und Inkompetenz. Die Geschichte der Bundesrepublik muss etwas lähmend Laienspielhaftes haben, wenn das, was da über die Bühne ging, in irgendeiner Form repräsentativ sein möchte für das Wesen dieser zweiten deutschen Demokratie. Das wäre ja noch eine politische Diagnose: Deutschland, ein Amateurtheater. Allein: Es besteht der begründete Verdacht, dass der Charakter dieser Aufführung höchst unfreiwillig zustande kam.

    Der Regisseur Peter Kastenmüller will in drei Episoden deutsche Geschichte erzählen und pinselt die Einzelteile, zumindest in der Überschrift, gleich mal Schwarz, Gold und Rot an. Das ist ziemlich aufgesetzt, denn mit den Stimmungen der drei Textvorgaben haben die Farben wenig zu tun. Auch Kastenmüller kennt offenbar Kubricks Anfangssequenz der "Odyssee im Weltraum", und so lässt er vorzeitliche Affen schmatzen und quieken und auch später immer wieder mal auftauchen. Also, die Bundesrepublik entstand aus der Barbarei. Ganz was Neues. Sodann werden Propagandafilme der Alliierten zur Umerziehung der Deutschen gezeigt, Thema: Wie werde ich Demokrat? Da die Tonspur kaum noch verständlich ist, müssen die bedauernswerten Schauspieler das Filmgeschehen nachstellen, optisch und akustisch. Da lernt man dann, dass das militärische Marschieren uns kein Glück gebracht hat – dagegen sei das Wandern doch des Müllers Lust. Dass das Denunzieren und Streuen von Gerüchten gemein ist. Und dass man in der Schule auch mal diskutieren könnte - weil es von oben so befohlen wurde.

    Zweiter Teil: "Katharina Blum" von Heinrich Böll, die heute irgendwie herzig wirkende Empörungsprosa der 1970er Jahre eingedampft auf ein paar volkshochschulhafte Beweislinien - wie man von der bösen "Bild"-Zeitung zur Terroristenbraut gemacht wird. Regisseur Kastenmüller lässt einen VW-Käfer auf die Bühne rollen. Böse Polizeibeamte und der "Ih-Bäh-Springer-Journalist" umschleichen die heilige Katharina, das gejagte Wild, und drehen ihr das Wort im Munde um. So muss das gewesen sein, damals, als man im grauen Literaturstudio irgendeines Germanistischen Seminars zum ersten Mal Texte mit verteilten Rollen aufsagte, aber natürlich politisch auf der richtigen Seite stand.

    Drittens: "Teil der Lösung", ein mehr als achtbarer Roman des Berliner Autors Ulrich Peltzer, der wirklich anderes verdient hat als von einer Dilettanten-Regie zu einem postmodernen Betroffenheitsmüll verrührt zu werden. Es geht um die Beziehung des journalistischen Gelegenheits-Jobbers Christian zur politisch ungeheuer aktiven Studentin Nele von der Fraktion Attacke – und um die Frage, ob man auf dieser Welt jemandem vertrauen kann. Christian will ein paar abgetauchte Veteranen der Roten Brigaden in Paris interviewen und das abgefeimte ideologische Spiel aufdecken, das Berlusconi mit diesem Thema treibt. Um das Berliner Szene-Chaos des neuen Jahrtausends zu verdeutlichen, schmeißt Regisseur Kastenmüller nun ein ganzes Second-Hand-Möbellager auf die Bühne und lässt die Schauspieler zwischen Seminartischen, Betten, Kinositzen und Büroschränken herumturnen. Mehr als ein paar verschmockte Gefühlsposen und Filmeinspielungen mit braven Polit-Clowns kommen nicht dabei heraus. Höhepunkt ist das gemeinsame Duschen der Protagonisten auf offener Bühne. Da hätte eher der Regisseur hingehört: Bitte ab zum Duschen, Herr Kastenmüller.

    Lassen wir mal die Frage beiseite, ob diese drei Flachbohrungen wirklich Wichtiges aus der BRD-Geschichte ansprechen oder ob die schnöden, aber theatralisch schwer verwertbaren Arbeitslosenzahlen, Börsenschwankungen, Exportüberschüsse, Pendlerpauschalen und Nettokreditaufnahmen da nicht Wahreres erzählen. Rein theateranalytisch muss man sagen: dieses Workshopper-Gehopse hätte die Intendantin Elisabeth Schweeger nie über die Bühne lassen dürfen. Dass sie eine solche Aufführung akzeptiert, zeigt zumindest etwas über den Zustand des deutschen Theaters.