Da taumelt ein Rindvieh vom Bühnenhimmel hinunter in die Arena. Die Video-Technik macht möglich, dass zur sattsam bekannten Melodie schon im Vorspiel das archaische Symbol auf- und zuschlägt. Dann ein großer Zoom auf das verhundertfachte Kostüm des Stierkampfstars Escamillo - das Auge der Kamera bleibt auf einem Ornament des Brokatbesatzes stehen. Schließlich wird zur Montage-Ouvertüre die Erschießung des Sergeanten Don José angedeutet.
Tatsächlich müssen in Philippe Arlauds Inszenierung die drei Protagonisten sichtbar aus dem Leben scheiden: Die Tabakfabrikarbeiterin Carmen wird vom a priori eifersüchtigen Unteroffiziers Don José mit dem Messer genötigt, weiter an seiner Seite des zu leben. Das ist für sie, die warmherzige Verkünderin des freien Lebens, buchstäblich das allerletzte. Weshalb die dritte Wiederholung ihrer Weigerung bedeutet, dass sie ihren letzten Atemzug tut. Die Erschießung Josés geht aus Sicht des Militärstrafvollzugs im frühen 19. Jahrhundert in Ordnung.
Und dem Torero Escamillo geht es bei dem Kampf, mit dem er seiner neuen Flamme Carmen imponieren wollte, ähnlich wie vorgestern seinem Kollegen in Madrid, den der 530 Kilogramm schwere Stier Opíparo mit einem virtuosen Hornstoß auf nicht absehbare Zeit außer Gefecht setzte.
In Nowosibirsk hat Teodor Currentzis auf sich aufmerksam gemacht. Gérard Mortier lud ihn vor ein paar Jahren nach Paris ein. Nun kam er in Baden-Baden an. Auch bei dem zu Symphonieorchesterdimension aufgerüsteten Balthasar-Neumann-Ensemble aus Freiburg verfehlen seine sensibel-nervösen Anforderungsgesten ihre Wirkung nicht. Sie erzielen Momente von großer Intensität. Dass gerade bei Bizets "Carmen" aber die Tonspur auch in kritischer Distanz zum unmittelbar Narrativen gehen könnte, kommt der "identifikatorischen" Art des übertrieben deutlichen Dirigierens nicht in den Sinn. Sie fügt sich komplementär zur Bebilderung.
Und die ist in unbestimmter Zeit zwischen Anfang und Ende des 20. Jahrhunderts angesiedelt, möbliert in Anlehnung an ein Katalog- oder Design-Spanien. Philippe Arlaud erzählt die bildungsweise bekannte Handlung in seinem optischen Kauderwelsch säuberlich nach – unter Zuhilfenahme einiger Sentenzen aus der zugrunde liegenden Novelle von Prosper Mérimée. Dabei scheinen die Schmuggler sogar einen explosiven Moment lang irgendwie sozialrevolutionär motiviert.
Devotionalienkitsch findet sich neben sachlich modernem Bar-Equipment und angedeuteter schlicht-funktionaler Stierkampf-Arena – und für die Nacht der Schmuggler ein Bild wie für Großvaters Zigarrenreklame: Sierra Nevada mit dekorativen Felsen und Kakteen.
Wie sich Rinat Shaham, Prototyp einer blendend aussehenden Höheren Tochter und vorzugsweise im Abendkleid auftretend, zu diesen Burschen verirren kann, ist kaum nachzuvollziehen. Auch in der warmen vollen Mezzostimme dieser Carmen meldet sich kein Hauch des "Zigeunerhaften", eher das Resolute der israelischen Reserveoffizierin: Schwarzäugige Glücksverheißung des dunklen Feuers.
Im dritten Aufzug verklärt der Regisseur das Bauernmädchen Micaëla, die nach dem Willen der leidensstarken Mutter Josés Frau werden sollte, zur Heiligen. Diese Rivalin Marina Rebeka aus Reval imponiert mit starkem, höhensicherem Sopran und wäre doch tatsächlich die ideale Ehefrau für den vernagelten und psychisch labilen Sergeanten, den Nikolai Schukoff mit geschmeidiger Spieltenorstimme in den Abgrund geleitet. Er benimmt sich schon bei der ersten intimen Begegnung mit Carmen so, wie es die Verlobte des Wetterspezialisten Kachelmann von der letzten behauptet.
Tatsächlich müssen in Philippe Arlauds Inszenierung die drei Protagonisten sichtbar aus dem Leben scheiden: Die Tabakfabrikarbeiterin Carmen wird vom a priori eifersüchtigen Unteroffiziers Don José mit dem Messer genötigt, weiter an seiner Seite des zu leben. Das ist für sie, die warmherzige Verkünderin des freien Lebens, buchstäblich das allerletzte. Weshalb die dritte Wiederholung ihrer Weigerung bedeutet, dass sie ihren letzten Atemzug tut. Die Erschießung Josés geht aus Sicht des Militärstrafvollzugs im frühen 19. Jahrhundert in Ordnung.
Und dem Torero Escamillo geht es bei dem Kampf, mit dem er seiner neuen Flamme Carmen imponieren wollte, ähnlich wie vorgestern seinem Kollegen in Madrid, den der 530 Kilogramm schwere Stier Opíparo mit einem virtuosen Hornstoß auf nicht absehbare Zeit außer Gefecht setzte.
In Nowosibirsk hat Teodor Currentzis auf sich aufmerksam gemacht. Gérard Mortier lud ihn vor ein paar Jahren nach Paris ein. Nun kam er in Baden-Baden an. Auch bei dem zu Symphonieorchesterdimension aufgerüsteten Balthasar-Neumann-Ensemble aus Freiburg verfehlen seine sensibel-nervösen Anforderungsgesten ihre Wirkung nicht. Sie erzielen Momente von großer Intensität. Dass gerade bei Bizets "Carmen" aber die Tonspur auch in kritischer Distanz zum unmittelbar Narrativen gehen könnte, kommt der "identifikatorischen" Art des übertrieben deutlichen Dirigierens nicht in den Sinn. Sie fügt sich komplementär zur Bebilderung.
Und die ist in unbestimmter Zeit zwischen Anfang und Ende des 20. Jahrhunderts angesiedelt, möbliert in Anlehnung an ein Katalog- oder Design-Spanien. Philippe Arlaud erzählt die bildungsweise bekannte Handlung in seinem optischen Kauderwelsch säuberlich nach – unter Zuhilfenahme einiger Sentenzen aus der zugrunde liegenden Novelle von Prosper Mérimée. Dabei scheinen die Schmuggler sogar einen explosiven Moment lang irgendwie sozialrevolutionär motiviert.
Devotionalienkitsch findet sich neben sachlich modernem Bar-Equipment und angedeuteter schlicht-funktionaler Stierkampf-Arena – und für die Nacht der Schmuggler ein Bild wie für Großvaters Zigarrenreklame: Sierra Nevada mit dekorativen Felsen und Kakteen.
Wie sich Rinat Shaham, Prototyp einer blendend aussehenden Höheren Tochter und vorzugsweise im Abendkleid auftretend, zu diesen Burschen verirren kann, ist kaum nachzuvollziehen. Auch in der warmen vollen Mezzostimme dieser Carmen meldet sich kein Hauch des "Zigeunerhaften", eher das Resolute der israelischen Reserveoffizierin: Schwarzäugige Glücksverheißung des dunklen Feuers.
Im dritten Aufzug verklärt der Regisseur das Bauernmädchen Micaëla, die nach dem Willen der leidensstarken Mutter Josés Frau werden sollte, zur Heiligen. Diese Rivalin Marina Rebeka aus Reval imponiert mit starkem, höhensicherem Sopran und wäre doch tatsächlich die ideale Ehefrau für den vernagelten und psychisch labilen Sergeanten, den Nikolai Schukoff mit geschmeidiger Spieltenorstimme in den Abgrund geleitet. Er benimmt sich schon bei der ersten intimen Begegnung mit Carmen so, wie es die Verlobte des Wetterspezialisten Kachelmann von der letzten behauptet.