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Schwarze Zwangsarbeiter

Douglas Blackmon ist Journalist und leitet das Büro des Wall Street Journals in Atlanta. Seit Kindertagen beschäftigt ihn ein Thema, das er nun als Buch herausgegeben hat, das eine Debatte im Land der Freiheit ausgelöst hat. Die Zeit zwischen dem Bürgerkrieg und dem zweiten Weltkrieg, sei eine Ära der "Neosklaverei" gewesen, behauptet er. Nach 1865 habe sich eine neue Form der Sklaverei in den Südstaaten entwickelt. Angeregt wurde Blackmon durch eine deutsche Debatte um Reparationszahlungen deutscher Unternehmen an Nachfahren von Holocaustopfern.

Von Klaus Remme |
    150 Unternehmen haben zusammengelegt, insgesamt 36 Millionen Dollar sind gesammelt worden, für eine Art Triumphbogen. Ein massives Denkmal, 25 Meter hoch. Ehrung für verdiente Söhne der Stadt, für Männer wie James English und Joel Hurt, die Atlanta nach der Zerstörung im Bürgerkrieg als Unternehmer wieder aufgebaut haben.

    "Ohne English und Hurt wäre die Stadt heute nicht so, wie sie ist", sagt Rodney Cook, Initiator des Denkmals. Doch so unbestritten der geschäftlich Erfolg dieser Beiden, so klar sei die Schattenseite, meint Doug Blackmon, Büroleiter des Wall Street Journal in Atlanta:

    "Es waren auch zwei Männer, deren Reichtum durch die brutale Unterdrückung von Abertausend afroamerikanischen Zwangsarbeitern begründet wurde."

    "Sklaverei mit anderem Namen", so lautet übersetzt der Titel des Buches von Douglas Blackmon, das für Diskussionen sorgt. Es geht um den Zeitraum vom Ende des Bürgerkriegs 1865, also nach dem offiziellen Ende der Sklavenhaltung bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs. Ausgangspunkt sei eine Frage mit deutschem Bezug gewesen:

    "Was wäre, wenn wir amerikanische Unternehmen durch eine ähnlich kritische Lupe betrachten würden, wie es deutschen Unternehmen und Schweizer Banken bei ihrer Rolle während der Nazi-Diktatur ergangen ist?"

    Blackmon spricht von der Wiederversklavung ganzer Generationen. Sieben Jahre lang hat er akribisch in Archiven geforscht, ist Einzelschicksalen nachgegangen und belegt ein perfides System, das allein im Bundesstaat Alabama Hunderttausende in Steinbrüchen oder Bergwerken angekettet zur Arbeit zwang. Gesetze, wie das Verbot der Vagabundiererei wurden erlassen, die eine fast beliebige Verhaftung Schwarzer erlaubten. Die Gefangenen wurden dann gegen Geld an Unternehmen verkauft. 1897, so schreibt Blackmon, arbeitete knapp die Hälfte aller Zwangsarbeiter in Georgia für Unternehmen im Besitz von James English. Oder Joel Hurt, Bauunternehmer, Kapitalist, wie er sich selbst bezeichnete. Blackmon zitiert einen Aufseher, demzufolge Hurt Arbeiter für Singen oder Lachen auspeitschen ließ. Können die Vorwürfe gegen English und Hurt bestritten werden? Doug Blackmon:

    "Nein, die Fakten liegen auf der Hand. Beide Männer haben selbst ausgesagt, sie haben das Ausmaß der Misshandlungen bestritten, aber zugegeben, dass das System der Zwangsarbeiter das Rückgrat der Unternehmen war, die sie reich gemacht haben."

    Vincent Fort, demokratischer Senator in Georgia, ist ebenfalls verständnislos:

    "Sie haben ihr Geld durch die Ausbeutung von Schwarzen verdient, dieser Teil der Geschichte wird verschwiegen."

    Rodney Cook, der Initiator des kleinen Triumphbogens sieht das Zwangsarbeitersystem ganz anders:

    "Damals herrschte Anarchie, es gab ja nicht mal Gefängnisse, deshalb mussten sich die Unternehmen dieser Sträflinge annehmen. In einer Art und Weise, die damals als normal empfunden wurde."

    Teil des Millennium Gates in Atlanta ist ein Museum. Auf die Frage, warum die Aspekte dieser "etwas anderen" Sklavenhaltung nicht erwähnt werden, sagt Cook:

    "Wir sprechen über 20 Familien und einen Zeitraum von 400 Jahren. Wir haben einfach keinen Platz dafür", "

    so Cook und fügt hinzu, bald werde in Atlanta ein Bürgerrechtsmuseum entstehen, dies sei der richtige Ort für das Thema. Senator Vincent Fort ist empört:

    " Wenn man Gräueltaten verschweigt, macht man sich mitschuldig. Das sollte Rodney Cook dringend lernen.""

    Doug Blackmon beugt vor. Mit seinem Bezug zum Holocaust will er beide Verbrechen nicht vergleichen. Er glaubt jedoch, von der Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen könne man lernen. Die Aufarbeitung hält Blackmon für unverzichtbar. Gerade die Unterdrückung der Afro-Amerikaner NACH dem Bürgerkrieg könne die noch immer bestehende Kluft zwischen Schwarz und Weiß erklären helfen.

    Das Buch Doug Blackmon: Slavery by Another Name, Verlag Doubleday, ist noch nicht auf Deutsch erschienen.