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Schwarzer Donnerstag vor 90 Jahren
Die Wall Street und der Beginn der Weltwirtschaftskrise

Im Herbst 1929 endete der Aufschwung der Nachkriegszeit abrupt. Die Börsenkurse an der New Yorker Wall Street stürzten in die Tiefe und zogen die Weltwirtschaft hinter sich her. Den Folgen der Krise hielt die junge Demokratie in Deutschland nicht stand.

Von Jutta Hoffritz |
    Menschenmassen sammeln sich vor der New Yorker Börse nach dem Kurssturz. Polizisten stehen dabei.
    Nach dem Kurssturz an der Wall Street sammelten sich Menschenmassen vor der Börse (imago stock&people)
    Die Schrecken des Ersten Weltkrieges sind Ende der Zwanzigerjahre fast vergessen. Die Weltwirtschaft nimmt wieder Schwung auf. Die Aktienkurse steigen. Die Autos rollen nun von Fließbändern. Das Radio tritt seinen Siegeszug in den Wohnzimmern der westlichen Welt an. Und in New York, wie in London, Paris oder Berlin, tanzt man Charleston.
    Doch im Herbst 1929 findet die gute Stimmung ein jähes Ende. Es ist der 24. Oktober, der wegen der gewaltigen Kursverluste an der New Yorker Wall Street als Schwarzer Donnerstag in die amerikanische Geschichtsschreibung eingehen soll. Es dauert einen Tag, bis die Nachrichten Europa erreichen - und an den Börsen dort dann für einen Schwarzen Freitag sorgen.
    Amerikas Großbanken versuchten zwar den Kursrutsch aufzuhalten, indem sie auf eigene Rechnung Aktien kauften. Vergeblich. Mit diesen Stützungskäufen konnten sie sich dem Markttrend nicht entgegenstemmen. "In der Woche darauf wurde es noch schlimmer. Nun hieß es, dass auch die Banker verkaufen", erinnerte sich der inzwischen verstorbene ehemalige Harvard-Okonom John Kenneth Galbraith.
    Kredite führten zum Ruin
    In der Euphorie des Booms hatten viele auf Kredite gesetzt: Nicht nur die Unternehmer finanzierten ihre Fabriken mit Fremdkapital. Auch viele Anleger – vor allem in Amerika - spekulierten auf Pump, weshalb der Börsencrash abertausende Haushalte in den Ruin stürzte.
    "Die Leute haben an der Tür geklopft und gesagt, dass sie Hunger haben. Ich konnte ihnen kein Geld geben, aber etwas zu Essen", beschreibt die US-amerikanische Zeitzeugin Kitty McCullough die damalige Situation.
    Neben Privatpersonen traf es auch Staaten. Alle Länder Europas waren – noch aus der Zeit des Ersten Weltkriegs – in den Vereinigten Staaten verschuldet. Und Deutschland als Kriegsverlierer war sogar darauf angewiesen neue Kredite aufzunehmen, um das Land wiederaufzubauen - und seine Reparationen zu bezahlen.
    Zwar hatte man versucht, der Sache auf diplomatischer Ebene Herr zu werden. Die USA hatten 1931 nach langen Verhandlungen angeboten, Europa bei der Tilgung entgegenzukommen. Doch das sogenannte Hoover-Moratorium entfaltete kaum stabilisierende Wirkung, wie der damalige Reichskanzler Heinrich Brüning feststellte:
    "Die weitschauende Initiative des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika hat leider nur eine vorübergehende Erleichterung geschaffen, so groß auch ihre Bedeutung war und so dankbar sie vom deutschen Volke empfunden wurde. Die in diesen Wochen erfolgte Entziehung kurzfristiger ausländischer Kredite in Milliardenhöhe aus den deutschen Banken bedeutet für unsere Volkswirtschaft einen plötzlichen und gefahrvollen Blutverlust."
    Banken schlossen ihre Schalter
    Als die strauchelnden US-Banken ihr Geld zurückforderten, kam es in Deutschland zu Engpässen. Auslöser der Bankenkrise war der betrügerische Konkurs der Bremer Spinnerei Nordwolle, der am 13. Juli 1931 die Darmstädter und Nationalbank als Kreditgeber mit in den Bankrott zog. Doch auch die Dresdner Bank stand vor der Zahlungsunfähigkeit. Um zu verhindern, dass Anleger nun verschreckt ihre Spargelder abzogen, wurden alle Banken in Deutschland vorübergehend geschlossen.
    Das hatte globale Folgen, wie der Bielefelder Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser erklärt: "Nach der Bankenkrise folgte dann binnen weniger Monate das Ende der Weltwirtschaft. Also die Weltwirtschaft hat sich aufgelöst. Protektionismus war angesagt. Die Investoren haben nicht mehr den Mut gehabt zu investieren."
    In Deutschland brachte die wirtschaftliche Not schließlich die fragile junge Demokratie zu Fall. 14 Mal hatte in den 14 Jahren der Weimarer Republik der Reichskanzler gewechselt, bis im Januar 1933 dann ein Mann namens Adolf Hitler dieses Amt übernahm - und die Demokratie abschaffte.