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"Second Screen" wird immer wichtiger

Die Ware Fußball ist immer ein Motor für die Entwicklung von Medien. Nach dem Aufschwung des Internetradios machen jetzt Online-Plattformen dem klassischen Fernsehen Konkurrenz. Und bei Sportübertragungen ist verstärkt das Phänomen 'Second Screen', also die Parallel-Nutzung von Fernsehen und Internet, zu beobachten.

Von Heinz Peter Kreuzer |
    "Sport steht schon im Mittelpunkt der Gesellschaft. Über alle Gesellschaftsschichten hinweg."

    ....verteidigt der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor den Kauf von Sportrechten durch die öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Hörfunk-Sender. Daher gehöre eine umfangreiche Sportberichterstattung zur Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. So lässt sich das Erste die Highlight-Rechte an der Fußball-Bundesliga geschätzte 100 Millionen Euro pro Saison kosten. Durchschnittlich 5,5 Millionen Zuschauer werden als Erfolg gefeiert.

    Aber jetzt droht dem Platzhirsch Konkurrenz: "bild.de" gegen "Sportschau" heißt das Duell. Der Axel Springer Verlag hat für sein Portal im Internet von der Deutschen Fußball Liga DFL Rechte erworben und darf eine Stunde nach Spielschluss bewegte Bilder zeigen. Der Fußballfan kann dann für knapp acht Euro monatlich seine eigene individuelle "Sportschau" zusammenstellen. Das Internetportal bietet von allen Spielen Zusammenfassungen zwischen 90 Sekunden und sechs Minuten und weitere interaktive Anwendungen an. Zielgruppe sind jüngere Internet-Natives. Bild Digitalchefin Donata Hopfen will keine Prognosen abgeben, denn es sei schwierig, für ein Produkt, das es noch nicht gibt, Marktforschung zu betreiben.

    Die Deutsche Telekom hatte ähnlich, wie das jetzt "bild.de" praktiziert, mit dem Fußball-Angebot "Liga Total" seine Plattform Entertain promotet. Jetzt hat der Bezahlsender Sky auch die IPTV-Rechte übernommen und Entertain zeigt jetzt Sky. Trotzdem sieht Henning Stiegenroth, Leiter Sportmarketing der Deutschen Telekom, das Engagement als nicht gescheitert an. Zum Bild-Angebot meint er:
    "Man merkt immer mehr, wie experimentiert wird wie Pay-Modelle neben Werbemodellen funktionieren. So macht es jetzt auch die Bild mit ihrem Angebot. Sie hat ein Payangebot, wird aber auch viel im Free nutzen, hat Werbepakete rausgepackt. Also es ist immer nicht nur eins, sondern die Kombination aus mehreren um letztendlich ein Businessmodell zu machen. Es ist immer schwierig, es zu refinanzieren."

    Fünf Millionen Euro zahlt der Springer-Verlag pro Spielzeit, im Vergleich zu den 100 Millionen Euro der ARD sind das Peanuts. Bei der DFL ist man überzeugt, bei der nächsten Rechtevergabe einen höheren Preis für dieses Paket zu erzielen. Dieses Kunststück war dem Ligaverband schon beim Internetradio geglückt. Da hatte Pionier 90elf erfolgreich das Internetradio entwickelt. Bei der neuen Ausschreibung sicherte sich das Multimediahaus Sport 1 die Rechte. Der neue Radiosender Sport1.fm soll zur neuen Bundesliga-Saison ein 24-Stunden-Vollprogramm senden. Im Mittelpunkt des digitalen Sportradio-Angebotes stehen die Live-Berichterstattungen und Konferenzen der Bundesliga und 2. Bundesliga.

    Darüber hinaus denkt Sport1 laut Bernhard Burgener, dem Vorstandsvorsitzenden des Mutterkonzerns Constantin Medien, über den Kauf von Radiorechten weiterer Sportarten nach, um den Hörern weiteren Content neben dem Fußball zu bieten. Sport ist auch bei den anderen Sendergruppen gefragt. So will ProSiebenSat.1 künftig mehr Sport zeigen, Tennis, Boxen und Fußball stehen auf der Agenda. Wichtig sei auch beim Sport die Rentabilität, sagte der Geschäftsführer der ProSiebenSat.1 TV Deutschland, Zeljko Karajica.

    Das sei auch der Grund, warum die Champions League nicht mehr bei Sat.1, sondern seit Beginn der soeben beendeten Saison beim ZDF laufe. Sport sei "kein karitativer Zweck für die UEFA". Dem ZDF wird wegen des hohen Champions League-Preises von 54 Millionen Euro vorgeworfen, Quote zu kaufen. Sportchef Dieter Gruschwitz verteidigt den Kauf als strategische Investition:
    "Das ZDF ist ein Sender, das sonst in seinem gesamtem Programm, Programmangebot international europäisch ausgerichtet ist. Das ist die Kultur, das ist die Politik, das ist die Wissenschaft, das ist die Unterhaltung, warum nicht auch der Sport. Und das interessanteste Produkt serial in Europa ist nun mal die Champions League."

    Für die Champions League habe das ZDF auf Boxrechte und den DFB-Pokal verzichtet, andere Sportarten hätten nicht darunter gelitten, so Gruschwitz. Er sagt aber auch: Die Auswertung nach den Deutschen Schwimm-Meisterschaften habe gezeigt, dass das Interesse am nationalen Sport zurückgehe.

    "Da muss man schon registrieren, dass das Interesse an dem rein nationalen Sport nachgelassen hat. Ich glaube eben, dass in dieser neuen modernen Welt in der wir leben, mit neuen Kommunikationsformen, mit einen anderen Form von Transparenz, der Sport noch internationaler geworden ist. Jeder Sportfan in Deutschland kann sich irgendwelchen internationalen Sport im Netz anschauen, das wird mittelfristig seine Auswirkungen haben auf die Akzeptanz von nationalen oder regionalen Ereignissen im deutschen Sport."

    Gruschwitz sagte beim Sports Media Summit in Köln, dass die Sportarten für Veränderungen bereit sein müssten, um medial attraktiv zu werden. Bei Mario Woldt, dem Sportdirektor im Deutschen Ruderverband, rennt er da offene Türen ein. Im Moment wird Rudern meistens live im Internet übertragen, auf der Website des nationalen oder internationalen Verbandes. Nach dem Vorbild der Wintersportarten will der Ruderverband modernere Wettkämpfen kreieren und sich mit anderen Sportarten koordinieren. Mario Woldt:

    "Großes Interesse haben wir sicherlich an den Wassersportarten, das wir uns da zusammenschließen. Gespräche mit dem Kanuverband laufen bereits. Das wir attraktive Modelle und Formate auch finden, die wir anbieten können. Die müssen allerdings auch in den Verbänden umgesetzt und verankert werden, was der nächste und schwierigere Schritt sein wird. Darüber hinaus, über den Wassersport, müssen wir auch schauen. Aber eine interessante Verbindung mit einem landbasierten Sport zu finden, denke ich, ist auch noch einmal die Herausforderung, wo wir jetzt dran gehen werden."

    Ob öffentlich-rechtlich oder privat: Bei allen spielt die Kooperation von klassischem Fernsehen und Internet eine große Rolle. Für die Branche ist "Second Screen" das Zauberwort, auch für Dieter Gruschwitz:

    "Die Interaktion wird größer werden, das Verlangen nach Interaktion wird größer werden bei den Zuschauern. Es wird das parallele Sehen geben von Fernsehen und Netz von gleichen Veranstaltungen, das wird sehr spannend werden in der Zukunft."