"Selbstbestimmung, ja, die war natürlich ganz wichtig, weil eben die Schüler um 1900 ja unter ganz anderen Drangsalen lebten als die Schüler heute. Die Schulen wurden eben als Zuchtanstalten und sonst was deklariert, und der Drill muß enorm gewesen sein, und es gab um diese Zeit enorm viele Selbstmorde unter Schülern, weil es eben so schrecklich war, und deshalb hatte Selbstbestimmung auch eben eine ganz andere Bedeutung für die Jugendlichen. "
Sagt die Kuratorin der Schau Aufbruch der Jugend im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg: Claudia Selheim. Um 1900 bestimmt sich eine selbstbewusst werdende Jugend neu. Eine junge Generation entdeckt sich selbst. Jugend gilt jetzt als autonome Lebensphase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter. Die freie Entwicklung der Persönlichkeit wird gefordert, auch sozio-kulturelle Normen werden infrage gestellt. Jugend gilt jetzt auch in der Gesellschaft als "hip", als Hoffnungsträger.
1896 wird die Zeitschrift Die Jugend nach dem neuen Ideal benannt, und der Historiker Karl Korn ruft gar das "Jahrhundert der Jugend" aus. Junge Leute, vor allem in den Städten, beginnen sich in Gruppen zu formieren und gegen die bürgerlichen Elternhäuser aufzubegehren. Im November 1901 gründen zehn Personen in Steglitz bei Berlin die legendäre Wandervogelbewegung. Beim Wandern und im Freien entsteht Gruppengefühl und Stärke. Man entkommt zudem den alltäglichen Sozialkontrollen.
Die Gitarre wird zum beliebtesten Instrument und die Zeitschrift der "Zupfgeigenhansel" entsteht. Die Ausstellung zeigt Gitarren und Flöten, Rucksäcke, Wanderschuhe mit Zehenkammern, in denen es sich bequemer gehen ließ, Fotos mit frohen Gesichtern bei Lagerleben und Heimatabenden, Fahrtenbücher oder eine original erhaltene Kohte, ein "Feuerzelt", indem ein Dutzend Jugendliche gemeinsam schlafen konnten. Ein riesiges Fahnenfeld in der Ausstellung dokumentiert die Vielzahl der Bünde. Aber auch die damaligen Lebensreformbewegungen haben kräftig Zulauf. Vegetarische Ermährung, Alkohol- und nikotinfreies Leben, Verzicht und Disziplin gehören mit zu einem romantischen nicht selten auch religiös konnotierten Lebensideal.
Das großformatige Gemälde von Hugo Höppener alias Fidus, zu sehen in der Ausstellung, heißt denn auch Das Lichtgebet, entstand 1908. Es zeigt die Rückenansicht eines androgynen bleichblonden Wesens, das nackt die Arme zur Sonne ausbreitet, leidenschaftlich, emphatisch, naiv. Ein Bild, das zur Ikone der Bewegung wird. Der Künstler Fidus wird von vielen Jugendlichen nahezu angebetet, idealisiert. Ein Foto in der Ausstellung zeigt ihn, nachdenklich, beinahe entrückt, mit langem Haar in der Natur, eine Art früher Guru.
""Ja in den frühen dreißiger Jahren. Man suchte auch schon in den zwanziger Jahren immer einen jugendlichen Führer, das Jugendreich, das war nichts Neues, und man sah in den Nationalsozialisten auch gar nicht so sehr den großen Bruch. Man glaubte sogar, dass man als Jugendbund unter der Hitlerjugend weiter agieren konnte. Man glaubte eben an das eigenständige Fortleben eines Bundes. Aber man wurde ja da auch eines Besseren belehrt, - sehr schnell an sich und es gab eben wirklich einen Politisierungsschub und zudem waren die Nationalsozialisten eben eine relativ junge Partei, was den Bündischen auch entgegen kam."
1932 tritt einer wie die "Lichtgestalt" Fidus in die NSDAP ein. 1933 werden die Wandervogelbünde aufgelöst. Das Wandern wird zum Marschieren in der Hitlerjugend.
Die Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum Aufbruch der Jugend spürt mit rund 400 Exponaten Gemälden Skulpturen Fotografien aber auch Textilien, Film und Hörstationen der Geschichte und dem Geist der deutschen Jugendbewegungen bis in die sechziger Jahre nach, endet bei den Bildern der ersten Open-Air-Festivals. Das Lebensgefühl der Jugendbewegung war mehr von Emotion als von Rationalität bestimmt, der Aufbruchwille gefühlsbetont. Die umfangreiche und sorgfältig vorbereitete Schau bleibt dagegen ein wenig nüchtern. Die gewaltigen Gefühle von Aufbruchsgeist und Hoffnung, von Enttäuschung und Desillusionierung, die sich schon mit dem I.Weltkrieg eingestellt hatten, kann eben auch ein großer Reichtum an Dokumenten und Exponaten nur schwer nachvollziehbar machen.
Sagt die Kuratorin der Schau Aufbruch der Jugend im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg: Claudia Selheim. Um 1900 bestimmt sich eine selbstbewusst werdende Jugend neu. Eine junge Generation entdeckt sich selbst. Jugend gilt jetzt als autonome Lebensphase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter. Die freie Entwicklung der Persönlichkeit wird gefordert, auch sozio-kulturelle Normen werden infrage gestellt. Jugend gilt jetzt auch in der Gesellschaft als "hip", als Hoffnungsträger.
1896 wird die Zeitschrift Die Jugend nach dem neuen Ideal benannt, und der Historiker Karl Korn ruft gar das "Jahrhundert der Jugend" aus. Junge Leute, vor allem in den Städten, beginnen sich in Gruppen zu formieren und gegen die bürgerlichen Elternhäuser aufzubegehren. Im November 1901 gründen zehn Personen in Steglitz bei Berlin die legendäre Wandervogelbewegung. Beim Wandern und im Freien entsteht Gruppengefühl und Stärke. Man entkommt zudem den alltäglichen Sozialkontrollen.
Die Gitarre wird zum beliebtesten Instrument und die Zeitschrift der "Zupfgeigenhansel" entsteht. Die Ausstellung zeigt Gitarren und Flöten, Rucksäcke, Wanderschuhe mit Zehenkammern, in denen es sich bequemer gehen ließ, Fotos mit frohen Gesichtern bei Lagerleben und Heimatabenden, Fahrtenbücher oder eine original erhaltene Kohte, ein "Feuerzelt", indem ein Dutzend Jugendliche gemeinsam schlafen konnten. Ein riesiges Fahnenfeld in der Ausstellung dokumentiert die Vielzahl der Bünde. Aber auch die damaligen Lebensreformbewegungen haben kräftig Zulauf. Vegetarische Ermährung, Alkohol- und nikotinfreies Leben, Verzicht und Disziplin gehören mit zu einem romantischen nicht selten auch religiös konnotierten Lebensideal.
Das großformatige Gemälde von Hugo Höppener alias Fidus, zu sehen in der Ausstellung, heißt denn auch Das Lichtgebet, entstand 1908. Es zeigt die Rückenansicht eines androgynen bleichblonden Wesens, das nackt die Arme zur Sonne ausbreitet, leidenschaftlich, emphatisch, naiv. Ein Bild, das zur Ikone der Bewegung wird. Der Künstler Fidus wird von vielen Jugendlichen nahezu angebetet, idealisiert. Ein Foto in der Ausstellung zeigt ihn, nachdenklich, beinahe entrückt, mit langem Haar in der Natur, eine Art früher Guru.
""Ja in den frühen dreißiger Jahren. Man suchte auch schon in den zwanziger Jahren immer einen jugendlichen Führer, das Jugendreich, das war nichts Neues, und man sah in den Nationalsozialisten auch gar nicht so sehr den großen Bruch. Man glaubte sogar, dass man als Jugendbund unter der Hitlerjugend weiter agieren konnte. Man glaubte eben an das eigenständige Fortleben eines Bundes. Aber man wurde ja da auch eines Besseren belehrt, - sehr schnell an sich und es gab eben wirklich einen Politisierungsschub und zudem waren die Nationalsozialisten eben eine relativ junge Partei, was den Bündischen auch entgegen kam."
1932 tritt einer wie die "Lichtgestalt" Fidus in die NSDAP ein. 1933 werden die Wandervogelbünde aufgelöst. Das Wandern wird zum Marschieren in der Hitlerjugend.
Die Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum Aufbruch der Jugend spürt mit rund 400 Exponaten Gemälden Skulpturen Fotografien aber auch Textilien, Film und Hörstationen der Geschichte und dem Geist der deutschen Jugendbewegungen bis in die sechziger Jahre nach, endet bei den Bildern der ersten Open-Air-Festivals. Das Lebensgefühl der Jugendbewegung war mehr von Emotion als von Rationalität bestimmt, der Aufbruchwille gefühlsbetont. Die umfangreiche und sorgfältig vorbereitete Schau bleibt dagegen ein wenig nüchtern. Die gewaltigen Gefühle von Aufbruchsgeist und Hoffnung, von Enttäuschung und Desillusionierung, die sich schon mit dem I.Weltkrieg eingestellt hatten, kann eben auch ein großer Reichtum an Dokumenten und Exponaten nur schwer nachvollziehbar machen.