Feierabend. Ein Dutzend Busse fährt vor, um die Angestellten des Atomkraftwerks Chinon nach Hause zu bringen. Auf die Frage nach dem Arbeitsklima in der Firma schütteln sie ablehnend den Kopf. Sie wollen nicht reden. Schließlich bleibt ein Mann stehen, er arbeitet seit 20 Jahren im AKW an der Loire:
"Den Leuten hier geht es gar nicht gut. Die Arbeitsbedingungen haben sich permanent verschlechtert. Es gibt immer mehr Zwänge und Vorschriften. Früher hatten wir Chefs, die uns erklärt haben, was zu tun ist. Heute nennen sich die Vorgesetzten ´Manager´. Aber in zwei Tagen wird man nicht zum Manager. Das muss man erst lernen."
So wie jetzt beim Telefonanbieter France Telecom nahmen sich Anfang 2007 drei Angestellte des Atomkraftwerks Chinon das Leben. Seitdem gab es auch bei den Autokonzernen Renault und Peugeot eine Reihe von Selbstmorden. Mehrere Arbeitnehmer töteten sich am Arbeitsplatz, andere hinterließen Briefe, in denen sie ihren Arbeitgeber anklagten. Inzwischen wird das Thema in Frankreich heftig debattiert. Und die betroffenen Firmen fürchten um ihr Image.
Catherine Delpirou ist Direktorin in der Personalabteilung des Stromkonzerns EDF, der das Atomkraftwerk Chinon betreibt:
"Nach den Dramen von Chinon haben wir ein Observatorium eingerichtet, das die Lebensqualität bei der Arbeit untersuchen soll. Wir experimentieren mit einem Notruf-Telefon: Wer anruft, kann mit unabhängigen Psychologen sprechen. Und wir haben Ethik-Beauftragte benannt, die sich für den Respekt der Arbeitnehmer starkmachen sollen."
Dominique Huez ist Werkarzt im AKW Chinon, für ihn sind solche Maßnahmen nicht mehr als ein Trostpflaster:
"Ich habe für 20 Angestellte Alarm geschlagen, die systematisch gemobbt werden. Aber diese Spannungen räumt niemand aus. Und warum nicht? Weil Manager ernannt wurden, die bei uns abspecken sollen. Sie sollen Leute herausekeln. Solange sie diese Aufgabe nicht erfüllen, ändert sich hier nichts."
Auch in der Autoindustrie hat sich der Arbeitsalltag radikal verändert. Alain Gueguen arbeitet seit 32 Jahren als Techniker bei Renault und ist Gewerkschaftsvertreter. Obwohl Renault nach einer Serie von Selbstmorden Maßnahmen ergriffen hat, um das Arbeitsklima zu verbessern, tötete sich vor zwei Wochen erneut ein leitender Angestellter. Gueguen ist tief betroffen:
"Früher waren wir Teil eines Teams. Da wussten wir, wenn es einem Kollegen schlecht ging. Der veränderte Arbeitsalltag hat die sozialen Bindungen zerstört. Das Menschliche bei der Arbeit, wie Guten Tag sagen, Auf Wiedersehen, und nach den Kindern zu fragen – all das wurde kaputt gemacht."
Beim ehemaligen Staatsunternehmen France Telecom machen die Gewerkschaften ebenfalls den rasanten Konzernumbau für die Selbstmordserie verantwortlich. Viele Techniker, die zuvor im Außendienst waren und Leitungen repariert haben, sitzen jetzt in einer Telefonzentrale. Dort müssen sie den Kunden unter Zeit- und Erfolgsdruck Angebote aufschwatzen. Leitende Angestellte sollen alle drei Jahre Arbeitsplatz und Ort wechseln – eine Regel, die die Firmenleitung jetzt erst einmal storniert hat – allerdings nur bis zum Jahresende.
France Telecom hat eine Consulting-Firma mit einer Untersuchung beauftragt, wie sich der moderne Arbeitsalltag auf die Gesundheit der Angestellten auswirkt. Gestern haben die 100.000 Angestellten den ersten Fragebogen erhalten. Consultingchef Jean-Claude Delgènes rät den französischen Managern zu einem radikalen Umdenken:
"Die Top-Manager sollten ihren Angestellten mehr vertrauen. Häufig könnten sie den Mitarbeitern viel mehr Freiheit bei der Gestaltung ihres Arbeitsablaufes überlassen. Aber die großen Unternehmen sind völlig auf den Börsenkurs fixiert. Freiheit bei der Arbeitsorganisation gilt dort oft als Laxheit. Die Chefs kontrollieren zu viel und schlecht. Es wäre besser, sie würden Methoden entwickeln, bei denen sich die Menschen verwirklichen können. Das würde die Produktivität steigern."
"Den Leuten hier geht es gar nicht gut. Die Arbeitsbedingungen haben sich permanent verschlechtert. Es gibt immer mehr Zwänge und Vorschriften. Früher hatten wir Chefs, die uns erklärt haben, was zu tun ist. Heute nennen sich die Vorgesetzten ´Manager´. Aber in zwei Tagen wird man nicht zum Manager. Das muss man erst lernen."
So wie jetzt beim Telefonanbieter France Telecom nahmen sich Anfang 2007 drei Angestellte des Atomkraftwerks Chinon das Leben. Seitdem gab es auch bei den Autokonzernen Renault und Peugeot eine Reihe von Selbstmorden. Mehrere Arbeitnehmer töteten sich am Arbeitsplatz, andere hinterließen Briefe, in denen sie ihren Arbeitgeber anklagten. Inzwischen wird das Thema in Frankreich heftig debattiert. Und die betroffenen Firmen fürchten um ihr Image.
Catherine Delpirou ist Direktorin in der Personalabteilung des Stromkonzerns EDF, der das Atomkraftwerk Chinon betreibt:
"Nach den Dramen von Chinon haben wir ein Observatorium eingerichtet, das die Lebensqualität bei der Arbeit untersuchen soll. Wir experimentieren mit einem Notruf-Telefon: Wer anruft, kann mit unabhängigen Psychologen sprechen. Und wir haben Ethik-Beauftragte benannt, die sich für den Respekt der Arbeitnehmer starkmachen sollen."
Dominique Huez ist Werkarzt im AKW Chinon, für ihn sind solche Maßnahmen nicht mehr als ein Trostpflaster:
"Ich habe für 20 Angestellte Alarm geschlagen, die systematisch gemobbt werden. Aber diese Spannungen räumt niemand aus. Und warum nicht? Weil Manager ernannt wurden, die bei uns abspecken sollen. Sie sollen Leute herausekeln. Solange sie diese Aufgabe nicht erfüllen, ändert sich hier nichts."
Auch in der Autoindustrie hat sich der Arbeitsalltag radikal verändert. Alain Gueguen arbeitet seit 32 Jahren als Techniker bei Renault und ist Gewerkschaftsvertreter. Obwohl Renault nach einer Serie von Selbstmorden Maßnahmen ergriffen hat, um das Arbeitsklima zu verbessern, tötete sich vor zwei Wochen erneut ein leitender Angestellter. Gueguen ist tief betroffen:
"Früher waren wir Teil eines Teams. Da wussten wir, wenn es einem Kollegen schlecht ging. Der veränderte Arbeitsalltag hat die sozialen Bindungen zerstört. Das Menschliche bei der Arbeit, wie Guten Tag sagen, Auf Wiedersehen, und nach den Kindern zu fragen – all das wurde kaputt gemacht."
Beim ehemaligen Staatsunternehmen France Telecom machen die Gewerkschaften ebenfalls den rasanten Konzernumbau für die Selbstmordserie verantwortlich. Viele Techniker, die zuvor im Außendienst waren und Leitungen repariert haben, sitzen jetzt in einer Telefonzentrale. Dort müssen sie den Kunden unter Zeit- und Erfolgsdruck Angebote aufschwatzen. Leitende Angestellte sollen alle drei Jahre Arbeitsplatz und Ort wechseln – eine Regel, die die Firmenleitung jetzt erst einmal storniert hat – allerdings nur bis zum Jahresende.
France Telecom hat eine Consulting-Firma mit einer Untersuchung beauftragt, wie sich der moderne Arbeitsalltag auf die Gesundheit der Angestellten auswirkt. Gestern haben die 100.000 Angestellten den ersten Fragebogen erhalten. Consultingchef Jean-Claude Delgènes rät den französischen Managern zu einem radikalen Umdenken:
"Die Top-Manager sollten ihren Angestellten mehr vertrauen. Häufig könnten sie den Mitarbeitern viel mehr Freiheit bei der Gestaltung ihres Arbeitsablaufes überlassen. Aber die großen Unternehmen sind völlig auf den Börsenkurs fixiert. Freiheit bei der Arbeitsorganisation gilt dort oft als Laxheit. Die Chefs kontrollieren zu viel und schlecht. Es wäre besser, sie würden Methoden entwickeln, bei denen sich die Menschen verwirklichen können. Das würde die Produktivität steigern."