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Senegal
Hohe Hürden für Rückkehrer

Aufnahmezentren für Flüchtlinge an der afrikanischen Küste: Die Idee ist umstritten. Entwicklungshelfer fordern Rückkehrer-Programme, die Flüchtlingen den Neustart in der alten Heimat erleichtern sollen. Aber die sind oft nicht abgestimmt auf die Bedürfnisse vor Ort. Es fehlt an Geld und Ansprache.

Von Anne Françoise Weber | 29.07.2017
    Am Strand von Mbour sitzen die Dofbewohner und warten auf die Rückkehr der Fischer.
    Der Fang, von dem die Menschen leben, ist in den letzten Jahren immer kleiner geworden, seit internationale Abkommen erlauben, dass große Trawler aus Europa und Asien vor Senegals Küste Fische wegfangen. Ohne Perspektive vor der Flucht und bei Rückkehr. (Martina Zimmermann)
    Thiaroye-sur-Mer an der senegalesischen Westküste – früher ein Fischerdorf, mittlerweile ein Teil des Ballungsraums Dakar. An einer gelben Hauswand steht "Association des jeunes rapatriés de Thiaroye-sur-Mer", Verein der jungen Rückgeführten. Vereinspräsident Moustapha Diouf, ein kräftiger Mann mit schwarzer Baseballkappe, sitzt davor und erzählt:
    "2006 sind wir in einer Piroge nach Spanien gefahren. Dann kam der damalige Präsident Abdoulaye Wade mit seinen Ministern und hat ein Rücknahmeabkommen mit Spanien unterzeichnet. Deswegen haben sie uns abgeschoben und uns umgerechnet 15 Euro und einen Sandwich gegeben."
    Kein Geld, keine Ansprache für Rückkehrer
    Nach seiner Rückkehr hat Diouf mit anderen den Verein gegründet, um sich gegenseitig beim Wiederankommen zu helfen und andere von der gefährlichen Überfahrt abzuhalten. Aber bis heute habe sein Verein keinerlei Unterstützung bekommen, sagt Moustapha Diouf – obwohl der Senegal doch so viel Geld für Rückkehrer-Programme erhalte.
    "Der Staat ist noch nie hier nach Thiaroye-sur-Mer gekommen, um den Leuten zu sagen, dass sie hier bleiben sollen. Auch die Nichtregierungsorganisationen kommen nicht, dabei arbeiten sie im Bereich der Migration und werden von Europa finanziert. Reden sie mit den jungen Leuten? Nein. Alles, was sie interessiert, ist Geld."
    "Sie kommen her, fangen unsere Ressourcen im Meer"
    Hätte er Geld, würde sein Verein ein Ausbildungszentrum für junge Leute aufbauen und durchs ganze Land fahren, um Jugendliche über die Gefahren der illegalen Auswanderung aufzuklären. Angesichts der Armut versteht er aber jeden, der gehen will, sagt Moustapha Diouf, und deutet auf die umstehenden Männer: Dieser hier ernähre allein eine 10-köpfige Großfamilie, der andere habe zwanzig Personen zu versorgen. Und der Fang, von dem die Fischer hier leben, ist in den letzten Jahren immer kleiner geworden, seit internationale Fischereiabkommen erlauben, dass große Trawler aus Europa und Asien vor Senegals Küste die meisten Fische wegfangen.
    "Man muss die Wahrheit sagen. Letztlich ernährt Afrika Europa. Sie kommen her, sie fangen unsere Ressourcen im Meer. Und dann sagt man uns: Unsere Boote können hierher kommen, aber ihr dürft nicht nach Europa kommen. Das ist doch nicht normal!"
    "Für uns ist Migration grundsätzlich menschlich"
    Aby Sarr Gaye kennt Dioufs Empörung gut. Sein Verein gehört zum REMIDEV, einem Netzwerk von Organisationen, die im Bereich Migration und Entwicklung arbeiten. Als Koordination weiß Aby Sarr Gaye von einigen Rückkehrer-Programmen. Nicht alle sind nach ihrem Geschmack:
    "Wir verteidigen bestimmte Prinzipien. Zum Beispiel sind wir nicht einverstanden mit Abschiebungen oder mit Projekten der EU, die im Zusammenhang mit Rücknahmeabkommen stehen. Für uns ist Migration grundsätzlich menschlich, natürlich - die Menschen müssen sich bewegen."
    Deutsche Helfer bieten auch psychologische Hilfe
    Auch von den Rückkehrer-Projekten der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit hat Gaye bereits gehört. Neben wirtschaftlichen Starthilfen hält sie es aber auch für sehr wichtig, den Rückkehrern psychologischen Halt zu bieten.
    "Wir empfangen die Leute, fragen nach ihrer Geschichte und schreiben ihre Berichte auf. Oft sind die Menschen etwas traumatisiert. Wir schauen, wie wir ihnen helfen können, ihren Platz in der Gesellschaft wiederzufinden – das ist nicht einfach."
    "Das können sich Rückkehrer aus dem Ausland nicht leisten"
    Das Büro einer kleinen Fortbildungsagentur an der Universität Cheikh Anta Diop von Dakar. Hier sitzt der Ernährungswissenschaftler Moussa Kasse, 37 Jahre alt und zeigt auf seinem Mobiltelefon Bilder von einer Geflügelfarm. Kasse berät einen Senegalesen, der lange in Italien gelebt und bei seiner Rückkehr vor fünf Jahren diese Farm aufgebaut hat. Jetzt will er weiter investieren.

    "Ich habe für ihn ein Projekt ausgearbeitet, damit er die beiden leeren Abteilungen seines Geheges mit Legehennen bestückt. Außerdem möchte er einige Milchkühe anschaffen. Dazu braucht es einige Investitionen, um das Gelände einzuzäunen und die Gebäude normgerecht einzurichten. All das kostet einiges, das können sich diese Rückkehrer aus dem Ausland nicht leisten."
    "Es werden zu viele Garantien verlangt"
    Moussa Kasse arbeitet als Consultant für die Agence pour une migration raisonnée, also die "Agentur für durchdachte Migration". Sie wird unter anderem vom italienischen Innenministerium finanziert. Meist kommen die Kunden, von der Agentur vermittelt, mit ihrer Projektidee zu Moussa Kasse und beauftragen ihn, einen Businessplan auszuarbeiten und sie bei der Suche nach Krediten zu unterstützen. Die Anforderungen sind hoch:
    "Es gab ein italienisch-senegalesisches Projekt nur für Senegalesen, die aus dem Ausland zurück kamen - da wurde nicht einmal die Hälfte des Geldes ausgegeben, der Rest wurde nach Projektende zurück ans italienische Finanzministerium geschickt. Man muss bei neuen Programmen die Auflagen verringern, vor allem bei der Finanzierung. Da werden zu viele Garantien verlangt. Außerdem fehlt es an Begleitung, um die Produkte zu vermarkten und so weiter. Man muss die Messlatte etwas herabsetzen, damit die Auslandssenegalesen von diesen Geldern profitieren können."
    Qualifizierte Rückkehrer bekommen keine Unterstützung
    Moussa Kasse hat selbst erfahren, wie kompliziert es ist, nach einem Auslandsaufenthalt wieder einen Platz im Senegal zu finden: Im Rahmen seiner Promotion in Ernährungswissenschaft- und Technologie hatte er sich mehrfach für einige Monate in Frankreich aufgehalten. Trotz eines Jobangebots dort hat er sich für die Rückkehr in den Senegal entschieden, wo er bereits verschiedene Aufträge als Consultant hatte und wo er seine Promotion abschließen wollte.
    "Ich muss zugeben, dass ich heute Schwierigkeiten habe. Denn wenn man aus dem Ausland zurückkommt, denken die Leute, man habe bessere Startbedingungen – also bekommt man hier nicht mehr die Unterstützung, die man vorher hatte. Man muss sich allein durchschlagen. Die Leute haben Angst vor Hochschulabsolventen, die aus dem Ausland kommen – zumindest im öffentlichen Dienst."
    Familienangehörige und Freunde machen Druck
    Außerdem, so erzählt Kasse weiter, machen Familienangehörige und Freunde Druck: Er solle doch wieder nach Frankreich gehen und dort endlich richtig Geld verdienen, von dem sie dann auch profitieren könnten. Während er sich auf Dozentenstellen an der Universität bewirbt, lebt er von verschiedenen kleineren Jobs. Zum Beispiel, andere Senegalesen bei ihrer Landung in der Heimat zu unterstützen.