Ein Dienstmädchen klagt an. In Briefen an ihre Eltern beschwert sich die junge Pamela über die brutalen Nachstellungen ihres adligen Arbeitgebers.
"O meine liebe Mutter!
Ich bin so elend! Der großzügige Wohltäter, der mich – dem Wunsch seiner guten Mutter auf dem Totenbett folgend – beschützen sollte – dieser Gentleman – ja, so muss ich ihn nennen, obwohl er alles Recht auf diesen Titel verwirkt hat – er hat sich selbst erniedrigt, indem er sich Freiheiten herausgenommen hat gegen seine arme Dienstbotin! Er hat sich in seinen wahren Farben gezeigt – und nichts erscheint mir so schwarz, und so erschreckend."
Doch die verfolgte Tugend wird nicht zum Opfer. Mit ihrer Standhaftigkeit bekehrt Pamela ihren Aggressor und wird schließlich seine Frau.
Der Briefroman "Pamela, Or Virtue Rewarded", "Pamela oder die belohnte Tugend", erschien 1740 und machte den 50-jährigen Samuel Richardson über Nacht berühmt. In Pamelas Lage befanden sich damals viele junge Frauen, die ihre Not freilich kaum jemandem schriftlich mitteilen konnten. Diesem Mangel wollte Richardson durch eine Serie von Briefmustern abhelfen, einem Ratgeber für die wenig gebildeten Klassen. Aus dieser Idee entstand der Roman, der zum ersten Bestseller Englands werden sollte und dessen Heldin selbst Fächer und Teetassen zierte.
Zur Welt kam Samuel Richardson am 19. August 1689 in Mackworth, Derbyshire. Sein Vater war Schreiner, der Besuch einer höheren Schule unbezahlbar. Aber schon mit dreizehn schrieb Richardson Liebesbriefe für die jungen Mädchen in der Nachbarschaft und erzählte seinen Schulkameraden Geschichten.
"Manche nahm ich aus meiner Lektüre und sagte, sie seien wahr, andere erfand ich – die mochten sie am liebsten. Eine davon handelte von einem Diener, den seine vornehme junge Herrin wegen seiner Güte einem Lord vorzog, der ein Lüstling war. Alle meine Geschichten enthielten, darf ich wohl kühn sagen, eine nützliche Moral …"
In der Hoffnung, seiner Lesesucht nachgehen zu können, machte Richardson in London eine Druckerlehre; ehrgeizig und diszipliniert, eröffnete er mit 24 sein eigenes Geschäft und verlegte bald die Publikationen des Unterhauses. Seine erste Ehe bezeichnete er als Liebesheirat – aber sicher schadete es auch nicht seinem gesellschaftlichen Ehrgeiz, dass Martha Wilde die Tochter seines Lehrmeisters war. Der Wille zum Aufstieg war es denn auch, den Zeitgenossen Richardsons "Pamela" am meisten verübelten. In seiner Satire "Shamela" warf der Schriftsteller Henry Fielding Richardson unter anderm vor, dass er junge Mädchen ermuntere, ihre Tugend als Ware im Tausch gegen eine reiche Heirat einzusetzen:
"Die Lehre der ‚Pamela' ist doch, dass Dienstmädchen sich ihrem Dienstherrn an den Hals werfen sollen. Die Konsequenz ist – davon abgesehen, dass sie ihre Aufgaben vernachlässigen und sich mit allen Mitteln herauszuputzen versuchen – dass sie ihren Herrn heiraten, wenn der nur Narr genug dazu ist."
Auch in Deutschland machte Richardsons Werk Furore. Hier war das Bürgertum in seinem politischen Aufstiegswillen gehemmt; so maskierte sich der Angriff auf die herrschende Adelskaste vorwiegend moralisch. Dass Gotthold Ephraim Lessing die tugendhafte Heroine seines ersten bürgerlichen Trauerspiels "Miss Sara Sampson" nennt, ist eine direkte Hommage an Richardson; sein Echo ist auch in Goethes "Werther" und bei vielen anderen deutschen Autorinnen und Autoren der Zeit unüberhörbar. Bei Schiller allerdings klingt Skepsis mit, wenn er im Vorwort zu einer Anekdote schreibt:
"Ich hoffe, dass sie meine Leser wärmer zurücklassen werden, als alle Bände des Grandison und der Pamela."
Sir Charles Grandison – das war der Held von Richardsons drittem und letztem Roman, in dem er endlich einen tugendhaften Gentleman zeichnete, nachdem er in "Clarissa" noch einmal ein Opfer lüsterner Männlichkeit ins Zentrum gestellt hatte. "Clarissa" war mit über einer Million Wörtern das längste Buch seiner Zeit; in ihm verfeinerte Richardson das Muster des Briefromans, indem er gleich mehrere Personen – darunter auch den bösen Lüstling – korrespondieren ließ.
Als Samuel Richardson am 4. Juli 1761 in London starb, hinterließ er ein Werk, das in vielerlei Hinsicht Maßstäbe setzte: die psychologische Sensibilität, mit der er das Seelenleben von Frauen schilderte, die subjektive Stimme, die den allwissenden Erzähler ablöst und zum Vorläufer des inneren Monologs wird. Nur gelesen – gelesen wird er heute kaum mehr.
"O meine liebe Mutter!
Ich bin so elend! Der großzügige Wohltäter, der mich – dem Wunsch seiner guten Mutter auf dem Totenbett folgend – beschützen sollte – dieser Gentleman – ja, so muss ich ihn nennen, obwohl er alles Recht auf diesen Titel verwirkt hat – er hat sich selbst erniedrigt, indem er sich Freiheiten herausgenommen hat gegen seine arme Dienstbotin! Er hat sich in seinen wahren Farben gezeigt – und nichts erscheint mir so schwarz, und so erschreckend."
Doch die verfolgte Tugend wird nicht zum Opfer. Mit ihrer Standhaftigkeit bekehrt Pamela ihren Aggressor und wird schließlich seine Frau.
Der Briefroman "Pamela, Or Virtue Rewarded", "Pamela oder die belohnte Tugend", erschien 1740 und machte den 50-jährigen Samuel Richardson über Nacht berühmt. In Pamelas Lage befanden sich damals viele junge Frauen, die ihre Not freilich kaum jemandem schriftlich mitteilen konnten. Diesem Mangel wollte Richardson durch eine Serie von Briefmustern abhelfen, einem Ratgeber für die wenig gebildeten Klassen. Aus dieser Idee entstand der Roman, der zum ersten Bestseller Englands werden sollte und dessen Heldin selbst Fächer und Teetassen zierte.
Zur Welt kam Samuel Richardson am 19. August 1689 in Mackworth, Derbyshire. Sein Vater war Schreiner, der Besuch einer höheren Schule unbezahlbar. Aber schon mit dreizehn schrieb Richardson Liebesbriefe für die jungen Mädchen in der Nachbarschaft und erzählte seinen Schulkameraden Geschichten.
"Manche nahm ich aus meiner Lektüre und sagte, sie seien wahr, andere erfand ich – die mochten sie am liebsten. Eine davon handelte von einem Diener, den seine vornehme junge Herrin wegen seiner Güte einem Lord vorzog, der ein Lüstling war. Alle meine Geschichten enthielten, darf ich wohl kühn sagen, eine nützliche Moral …"
In der Hoffnung, seiner Lesesucht nachgehen zu können, machte Richardson in London eine Druckerlehre; ehrgeizig und diszipliniert, eröffnete er mit 24 sein eigenes Geschäft und verlegte bald die Publikationen des Unterhauses. Seine erste Ehe bezeichnete er als Liebesheirat – aber sicher schadete es auch nicht seinem gesellschaftlichen Ehrgeiz, dass Martha Wilde die Tochter seines Lehrmeisters war. Der Wille zum Aufstieg war es denn auch, den Zeitgenossen Richardsons "Pamela" am meisten verübelten. In seiner Satire "Shamela" warf der Schriftsteller Henry Fielding Richardson unter anderm vor, dass er junge Mädchen ermuntere, ihre Tugend als Ware im Tausch gegen eine reiche Heirat einzusetzen:
"Die Lehre der ‚Pamela' ist doch, dass Dienstmädchen sich ihrem Dienstherrn an den Hals werfen sollen. Die Konsequenz ist – davon abgesehen, dass sie ihre Aufgaben vernachlässigen und sich mit allen Mitteln herauszuputzen versuchen – dass sie ihren Herrn heiraten, wenn der nur Narr genug dazu ist."
Auch in Deutschland machte Richardsons Werk Furore. Hier war das Bürgertum in seinem politischen Aufstiegswillen gehemmt; so maskierte sich der Angriff auf die herrschende Adelskaste vorwiegend moralisch. Dass Gotthold Ephraim Lessing die tugendhafte Heroine seines ersten bürgerlichen Trauerspiels "Miss Sara Sampson" nennt, ist eine direkte Hommage an Richardson; sein Echo ist auch in Goethes "Werther" und bei vielen anderen deutschen Autorinnen und Autoren der Zeit unüberhörbar. Bei Schiller allerdings klingt Skepsis mit, wenn er im Vorwort zu einer Anekdote schreibt:
"Ich hoffe, dass sie meine Leser wärmer zurücklassen werden, als alle Bände des Grandison und der Pamela."
Sir Charles Grandison – das war der Held von Richardsons drittem und letztem Roman, in dem er endlich einen tugendhaften Gentleman zeichnete, nachdem er in "Clarissa" noch einmal ein Opfer lüsterner Männlichkeit ins Zentrum gestellt hatte. "Clarissa" war mit über einer Million Wörtern das längste Buch seiner Zeit; in ihm verfeinerte Richardson das Muster des Briefromans, indem er gleich mehrere Personen – darunter auch den bösen Lüstling – korrespondieren ließ.
Als Samuel Richardson am 4. Juli 1761 in London starb, hinterließ er ein Werk, das in vielerlei Hinsicht Maßstäbe setzte: die psychologische Sensibilität, mit der er das Seelenleben von Frauen schilderte, die subjektive Stimme, die den allwissenden Erzähler ablöst und zum Vorläufer des inneren Monologs wird. Nur gelesen – gelesen wird er heute kaum mehr.