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Sensor von der Rolle

Technik. - Umwelttechnik ist derzeit auf der Fachmesse IFAT in München zu sehen. Das Spektrum reicht vom Ressourcenschutz über das Recycling bis zur Wasseraufbereitung. Dort zu sehen ist auch ein System aus Deutschland, das im Boden Gase bestimmen kann. Der Wissenschaftsjournalist Hellmuth Nordwig berichtet darüber im Gespräch mit Gerd Pasch.

05.05.2008
    Gerd Pasch: Auf der Messe IFAT ist unter anderem ein Schlauch zu sehen, der die Verteilung von Gasen misst. Was hat das auf einer Messe für Abwasser und Recycling zu suchen?

    Hellmuth Nordwig: Solche Schläuche können unterirdisch verlegt werden und in Böden und Gewässern den Gehalt von Gasen ortsaufgelöst messen. Beispielsweise soll Kohlendioxid zukünftig im Boden verpresst werden in großen Tiefen – da könnte so eine Messung als Alarmsystem dienen, falls etwas frei wird. Oder etwa Altlastensanierung im Grundwasser: das geschieht zum Teil mit Bakterien, die Schadstoffe abbauen – man muss sie mit Sauerstoff "füttern", das muss man aber lokal an den tatsächlichen Bedarf anpassen. Auch die geologische Forschung könnte von derart genauen Gasmessungen profitieren, denken wir an die Freisetzung von Methan aus Permafrostböden – bisher sind die sehr aufwändig.

    Pasch: Wie funktioniert nun die Messung mit dem Schlauch?

    Nordwig: Das Verfahren stammt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Halle-Leipzig. Es beruht darauf, dass Gase unterschiedlich schnell durch die Wand des Schlauchs dringen. Zum Beispiel wandert etwa Kohlendioxid acht Mal schneller durch Silikon als Luft. Nun kann man den Schlauch innen mit Luft spülen, wenn draußen Kohlendioxid ist, wandert es schneller in den Schlauch hinein als die Luft hinaus. Die Folge ist ein Druckanstieg im Schlauch – es genügt für die Messung also ein einfacher Drucksensor. Das Ganze muss man eichen, dann weiß man, wie viel Kohlendioxid dort im Boden ist, wo der Schlauch liegt. So geht das auch für andere Gase wie den giftigen Schwefelwasserstoff. Die Messung dauert nur eine Minute. Man kann den Sensor auch in eine Sonde stecken und so zum Beispiel direkt in einem Grundwasserpegel oder in einem Bohrloch messen.

    Pasch: Und wie misst man die Verteilung über eine größere Fläche?

    Nordwig: Indem man die Schläuche wie ein Netz über die Fläche verlegt und die Gaskonzentration in jedem einzelnen Schlauch misst. Aus diesem Muster kann man mit einem mathematischen Verfahren, das die UFZ-Forscher dafür angepasst haben, den Wert für jeden Punkt der Fläche bestimmen. Das funktioniert auch dreidimensional. Vorteil: viel geringerer Aufwand als punktuelle Einzelmessungen und damit auch deutlich kostengünstiger, sagt Dr. Detlef Lazik vom UFZ. Wenn ich zum Beispiel ein Feld um ein Bohrloch erfassen will mit hoher Auflösung von 2-3 Metern, zum Beispiel 100 Quadratmeter Fläche, komme ich mit 5000 Euro hin. Herkömmliche Analytik wird so etwas nicht leisten können. Daraus ergeben sich auch weitere Anwendungen: Überwachung von Gasverteilung in Räumen, zum Beispiel Vortragssälen, man muss dann nur dort lüften, wo die Luftqualität besonders schlecht ist. Genauso unter Tage im Bergbau, oder zur Prozesskontrolle in der Industrie.

    Pasch: Wie weit ist das Verfahren?

    Nordwig: Bisher ist es ein Laborsystem, das in kleineren Feldversuchen erfolgreich getestet wurde. Vor einer Anwendung gibt es noch Probleme zu lösen: Schläuche müssen gegen Verbiss gesichert werden, müssen Frost widerstehen und vieles mehr. Aber das Prinzip steht und Firmen haben auch Interesse bekundet.

    http://www.ifat.de/