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Sherlock Holmes im Labor

Chemie. - Wenn Politiker unter mysteriösen Umständen erkranken, Autofahrer wegen auffälliger Fahrweise gestoppt oder Profi-Radfahrer viel schneller als die Konkurrenz sind, stellen Toxikologen mit raffinierten forensischen Tests Drogen und Gifte fest. Die neuesten Tricks erörtern Experten derzeit in Regensburg.

Von Hellmuth Nordwig |
    Die Liste ist schier unendlich: Medikamente, Rauschdrogen, Haushaltschemikalien und Gifte aus dem Arsenal von Verbrechern - all das sollen Toxikologen im Körper nachweisen. Der klassische Fall ist der Patient, der ganz offensichtlich vergiftet wurde und auf der Intensivstation um sein Leben ringt. Für Experten wie Hans Maurer, Toxikologie-Professor an der Universität des Saarlandes, beginnt dann die Suche nach dem Giftstoff.

    "Man muss das Gift - egal ob Medikament oder echtes Gift - aus der Körperflüssigkeit, Blut, Urin, Magenspülflüssigkeit, was man auch hat, oder aus den Haaren isolieren, über eine Trennsäule bringen und ins Massenspektrometer geben. Wenn man das geschafft hat, kann man mit so einem Massenspektrum sehr viel anfangen mit großen Vergleichsspektrensammlungen: aus dem Bereich der Chemie mit 300.000 Verbindungen. Unsere Datenbank aus dem Bereich der Toxikologie hat über 7000 Spektren. Dann hat man schon eine sehr große Palette. "

    Im Massenspektrometer werden die Moleküle mit energiereichen Teilchen bombardiert und zerfallen gewissermaßen an Sollbruchstellen. Das Muster dieser Splitter ist charakteristisch für die gesuchte Verbindung. Die Massenspektrometrie ist inzwischen Routine in der chemischen Analytik. Viel schwieriger ist es dagegen, aus wenigen Millilitern Blut oder Urin eine Substanz anzureichern, die man nicht kennt. Glück haben die Experten, wenn sie die Chemikalie in der Wohnung des Patienten finden, auch wenn sie - wie in diesem Fall - gar nicht nach Gift aussieht.

    "Etwa als jemand im Verdacht stand, Muskatnuss missbraucht zu haben. Man weiß, dass Muskatnuss halluzinogen wirken soll. Und da ging es darum, das nachzuweisen oder auszuschließen. Da findet man im Urin eben nicht die Inhaltsstoffe, wie man sie in der Muskatnuss findet, sondern muss über Stoffwechselversuche versuchen, das herauszufinden."

    Der Nachweis der Stoffwechselprodukte von Giften wird immer wichtiger. Selbst Alkoholkonsum hinterlässt auf diese Weise noch Monate lang seine Spuren in den Haaren. Und im Urin finden sich die Stoffwechselprodukte einer neuen Designerdroge namens "Blue Mystic", ebenso wie die von Heroin und Kokain. Diese beiden Rauschdrogen können seit Kurzem auch mit einem Speichel-Schnelltest nachgewiesen werden. Er ist für Verkehrskontrollen gedacht und erfasst außerdem Haschisch, Ecstasy und Amphetamine.

    "Speichel kann ohne ärztliche Hilfe von jedem Polizisten entnommen werden. Da gibt es eine Art Wattestäbchen, auf dem rumgekaut wird, da saugt sich der Speichel rein, und in diesem Speichel können die auf die fünf gängigen Drogen prüfen. Allerdings muss das, wenn es positiv ist, mit einer spektroskopischen Methode überprüft und bestätigt werden. "

    Dazu muss der Fahrer eine Blutprobe abgeben, die im Labor untersucht wird. Der Schnelltest funktioniert mit Antikörpern, Erkennungsmolekülen des Immunsystems, und ein positives Ergebnis verrät sich durch einen Farbumschlag. Liegt der Drogenkonsum schon viele Stunden zurück, dann funktioniert der Nachweis nicht immer. Im Urin ist er noch nach Tagen möglich. - Mitunter müssen die Toxikologen aber auch klären, ob sich jemand selbst vergiftet hat, ob ein Unfall vorlag oder ob eine andere Person ihre Hand im Spiel hatte. Wie bei einem Fall in einem Pflegeheim, den Hans Maurer als Sachverständiger zu beurteilen hatte.

    "Weil es darum ging, ob die Pflegerin Morphintabletten dem Patienten beigebracht hat, der selbst Schmerzpatient war, aber mit einem Pflaster behandelt wurde. Und da war die Frage, ob man im Magen die Tablettierfarbstoffe der Morphintabletten, die man auch bei der Altenpflegerin gefunden hat, nachzuweisen kann, was bei dem Morphinpflaster nicht der Fall gewesen wäre. Also solche Fragestellungen kann man lösen - oder man muss sagen: Sorry, Herr Richter, das kann ich Ihnen auch nicht beantworten. "