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Sicherheit im öffentlichen Raum
"Karneval wirkt therapeutisch gegen Angst"

Der linke Publizist Johano Strasser beklagt eine "geradezu hysterische Aufregung" in der Debatte um die Sicherheit im öffentlichen Raum. Dass Menschen Angst haben, sei ein ganz normaler Gemütszustand, sagte Strasser im Deutschlandfunk. Es bestehe kein Anlass, sich einschüchtern zu lassen.

Johano Strasser im Gespräch mit Birgid Becker |
    Johano Strasser, ehemaliger Chef des deutschen PEN
    Johano Strasser, ehemaliger Chef des deutschen PEN (picture alliance/dpa/Uwe Zucchi)
    Kurz vor dem Straßenkarneval in Deutschlands Karnevalshochburgen sei in der Debatte um die Sicherheit im öffentlichen Raum eine "geradezu hysterische Aufregung" zu beobachten, sagte der linke Publizist Johano Strasser im Deutschlandfunk. Die Polizei gibt Kostümempfehlungen - unter anderem wird davon abgeraten, sich als Cowboy zu verkleiden - und größere Menschenmengen sollte man gleich ganz meiden. "Ich sehe diese Hysterie sehr skeptisch", sagte Strasser.
    "Sich nicht einschüchtern lassen"
    Dass Menschen Angst hätten, sei ein ganz normaler Gemütszustand: "Aber man sollte sich nicht einschüchtern lassen." Terror, Angst vor Fremden, Angst vor Epidemien und Viren, die weltweit um sich greifen - die äußere Bedrohungslage scheine gegeben zu sein. Aber das Leben sei im Vergleich zu vergangenen Zeiten nicht gefährlicher geworden, so Strasser. Was sich geändert habe, sei, dass der Mensch in den "Tiefensphären" seines ganz persönlichen Lebens mit einer größeren Unsicherheit zu kämpfen habe. Den festen Arbeitsplatz gebe es immer weniger, es existiere keine feste Zugehörigkeit mehr zu Institutionen wie die Kirche. "Das Alltagsleben ist komplexer geworden", sagte Strasser. Und das raube das Gefühl von Sicherheit.
    Außerdem fokussiere man sich zu sehr auf die technisch-organisatorische Dimension von Sicherheit. Vorschriften und Überwachungskameras könnten nur begrenzt schützen. Wirksam sei die sozio-kulturelle Dimension von Sicherheit: Wenn man mit vertrauten Menschen zusammen sei und gemeinsam etwas erlebe, fühle man sich sicher. Deswegen solle man auch ruhig Karneval feiern, denn dieser wirke geradezu "therapeutisch gegen Angst".
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