"Ein Vogel wollte Hochzeit machen in dem schönen Walde. Fiederallala, Fiederallala, Fiederallalala. Dieses Fiederallala. Irgendwie ekelt es mich, das auszusprechen. Man kann aber nicht aufhören, es zu sagen."
Eine Schlüsselszene von Finsterworld.
Unter der sommerlich-naturschönen Oberfläche dieses Films brodelt etwas. Nichts ist so, wie es scheint. Ein biederer Polizist schlüpft ins Tierkostüm. Ein Fußpfleger bäckt aus der abgeschabten Hornhaut seiner Lieblingspatientin Kekse. Eine Schülergruppe verwandelt einen erbaulich gedachten KZ-Besuch in einen sarkastischen Albtraum. Hinter witzigen Ehepaar-Dialogen lauert immer ein irritierender Abgrund an Bosheit und Wahnwitz
Die Dokumentarfilmerin Frauke Finsterwalder hat mit ihrem ersten Spielfilm, so scheint es, ihren Namen wörtlich genommen und als morbide Märchenreminiszenz auch zum Titel ihres Films gemacht. Der Ekel vor dem Fiederalllala des Kinderliedes, der von bösen Mächten verwunschene deutsche Wald und die teilweise monströsen Marotten der Figuren erzählen auf eine ins Fantastische überhöhte Art von der deutschen Wirklichkeit. Denn diese fühlt sich schnell unwirklich an. Bei dem Besuch des Fußpflegers bei seiner Lieblingspatientin im Altersheim geht’s in Wahrheit zum Beispiel um Leben und Tod.
"So, kurz anheben. Jetzt kommt wieder die Maschine." – "Er hat Angst vor dem Sterben. Also hat er auch Angst vor mir, vorm Alter. So muss ich mir das erklären. Deshalb kommt er nicht. Naja mein Enkel. Ich vermiss ihn so."
"Finsterworld" ist in der Landschaft des deutschen Films ein Unikum, näher an den Kinowelten des Filmmystikers David Lynch als an dem neuen sozialen Realismus der "Berliner Schule" um Christian Petzold. Näher am Zynismus der Filme des Österreichers Ulrich Seidel als am Sendungsbewusstsein der Klassiker des Neuen Deutschen Films Wim Wenders und Werner Herzog.
Das mag damit zu tun haben, dass Frauke Finsterwalder das Drehbuch zusammen mit ihrem Mann, dem Schweizer Schriftsteller Christian Kracht, geschrieben hat, der mit seinen Romanen von "Faserland" bis "Imperium" der Gegenwart auf provokante Art den Spiegel vorgehalten hat. Das polyglotte Paar, das die erste Fassung des Drehbuchs nach eigener Aussage weit weg von Deutschland in Lateinamerika schrieb, sieht sich jedoch erklärtermaßen als gleichberechtigte Urheber. Kracht soll sich sogar vertraglich verpflichtet haben, sich aus den Dreharbeiten komplett herauszuhalten. Außerdem habe ihn die Filmkunst mit ach so vielen künstlerischen Mitarbeitern doch eher abgeschreckt, lässt er verlauten.
Frauke Finsterwalder orchestrierte ihren Film deshalb wohl ganz allein mit einer Darstellerriege von Corinna Harfouch über Ronald Zehrfeld bis zu Sandra Hüller und verlieh diesem Film seinen eigentümlichen, durchgängigen surrealen Look. Die Abgründe in den schönen Bildwelten sind fein konturiert und das Oszillieren zwischen Wahrheit und Absonderlichem perfekt getimed.
Doch da dieser Film ein deutscher Film ist, kann er das gelegentliche Philosophieren nicht lassen. Immer wieder lässt er sich auf den Paar-Ringkampf des Beziehungskriegs ein, besonders wenn Polizist Tom und seine Freundin Franziska, eine Dokumentarfilmerin, in der sich Regisseurin Frauke Finsterwalder unverhohlen selbst karikiert, dialogisieren.
Und auch in den doppelbödigen zänkischen Streitereien des Werberehepaares Inga und Georg mögen sich Finsterwalder und Kracht selbst lustvoll porträtiert haben. Nach all den abgründigen Erzählfinten und der im Hintergrund drohenden Gewalt, Aussichtslosigkeit und Verzweiflung, sind die Gespräche zwischen den sich gerade entfremdenden Eheleuten interessanterweise der letzte Halt in dieser Welt des alltäglichen Horrors, der Leere und der Einsamkeit. Grimms Märchen lassen grüßen, und mehr deutsche Filme dieser Art muss man sich unbedingt wünschen.
"Ich wollte Dir was von mir erzählen, von mir und meinen Gefühlen."- "Du willst mit mir über Gefühle reden? Du bist doch total unsensibel, Tom." - "Und Du bist einfach das, was Du bist: eine vom Ehrgeiz zerfressene oberflächliche Pseudokünstlerin, die noch nie einen Film gemacht hat, der irgendjemand interessiert, außer deine hundert besten Film-Fuzzis, Deine Szene-Filmfreunde. Siehst Du mich eigentlich?"
Eine Schlüsselszene von Finsterworld.
Unter der sommerlich-naturschönen Oberfläche dieses Films brodelt etwas. Nichts ist so, wie es scheint. Ein biederer Polizist schlüpft ins Tierkostüm. Ein Fußpfleger bäckt aus der abgeschabten Hornhaut seiner Lieblingspatientin Kekse. Eine Schülergruppe verwandelt einen erbaulich gedachten KZ-Besuch in einen sarkastischen Albtraum. Hinter witzigen Ehepaar-Dialogen lauert immer ein irritierender Abgrund an Bosheit und Wahnwitz
Die Dokumentarfilmerin Frauke Finsterwalder hat mit ihrem ersten Spielfilm, so scheint es, ihren Namen wörtlich genommen und als morbide Märchenreminiszenz auch zum Titel ihres Films gemacht. Der Ekel vor dem Fiederalllala des Kinderliedes, der von bösen Mächten verwunschene deutsche Wald und die teilweise monströsen Marotten der Figuren erzählen auf eine ins Fantastische überhöhte Art von der deutschen Wirklichkeit. Denn diese fühlt sich schnell unwirklich an. Bei dem Besuch des Fußpflegers bei seiner Lieblingspatientin im Altersheim geht’s in Wahrheit zum Beispiel um Leben und Tod.
"So, kurz anheben. Jetzt kommt wieder die Maschine." – "Er hat Angst vor dem Sterben. Also hat er auch Angst vor mir, vorm Alter. So muss ich mir das erklären. Deshalb kommt er nicht. Naja mein Enkel. Ich vermiss ihn so."
"Finsterworld" ist in der Landschaft des deutschen Films ein Unikum, näher an den Kinowelten des Filmmystikers David Lynch als an dem neuen sozialen Realismus der "Berliner Schule" um Christian Petzold. Näher am Zynismus der Filme des Österreichers Ulrich Seidel als am Sendungsbewusstsein der Klassiker des Neuen Deutschen Films Wim Wenders und Werner Herzog.
Das mag damit zu tun haben, dass Frauke Finsterwalder das Drehbuch zusammen mit ihrem Mann, dem Schweizer Schriftsteller Christian Kracht, geschrieben hat, der mit seinen Romanen von "Faserland" bis "Imperium" der Gegenwart auf provokante Art den Spiegel vorgehalten hat. Das polyglotte Paar, das die erste Fassung des Drehbuchs nach eigener Aussage weit weg von Deutschland in Lateinamerika schrieb, sieht sich jedoch erklärtermaßen als gleichberechtigte Urheber. Kracht soll sich sogar vertraglich verpflichtet haben, sich aus den Dreharbeiten komplett herauszuhalten. Außerdem habe ihn die Filmkunst mit ach so vielen künstlerischen Mitarbeitern doch eher abgeschreckt, lässt er verlauten.
Frauke Finsterwalder orchestrierte ihren Film deshalb wohl ganz allein mit einer Darstellerriege von Corinna Harfouch über Ronald Zehrfeld bis zu Sandra Hüller und verlieh diesem Film seinen eigentümlichen, durchgängigen surrealen Look. Die Abgründe in den schönen Bildwelten sind fein konturiert und das Oszillieren zwischen Wahrheit und Absonderlichem perfekt getimed.
Doch da dieser Film ein deutscher Film ist, kann er das gelegentliche Philosophieren nicht lassen. Immer wieder lässt er sich auf den Paar-Ringkampf des Beziehungskriegs ein, besonders wenn Polizist Tom und seine Freundin Franziska, eine Dokumentarfilmerin, in der sich Regisseurin Frauke Finsterwalder unverhohlen selbst karikiert, dialogisieren.
Und auch in den doppelbödigen zänkischen Streitereien des Werberehepaares Inga und Georg mögen sich Finsterwalder und Kracht selbst lustvoll porträtiert haben. Nach all den abgründigen Erzählfinten und der im Hintergrund drohenden Gewalt, Aussichtslosigkeit und Verzweiflung, sind die Gespräche zwischen den sich gerade entfremdenden Eheleuten interessanterweise der letzte Halt in dieser Welt des alltäglichen Horrors, der Leere und der Einsamkeit. Grimms Märchen lassen grüßen, und mehr deutsche Filme dieser Art muss man sich unbedingt wünschen.
"Ich wollte Dir was von mir erzählen, von mir und meinen Gefühlen."- "Du willst mit mir über Gefühle reden? Du bist doch total unsensibel, Tom." - "Und Du bist einfach das, was Du bist: eine vom Ehrgeiz zerfressene oberflächliche Pseudokünstlerin, die noch nie einen Film gemacht hat, der irgendjemand interessiert, außer deine hundert besten Film-Fuzzis, Deine Szene-Filmfreunde. Siehst Du mich eigentlich?"