Freitag, 19. April 2024

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Sigmar Gabriels "Solidarprojekt"
Dem Land geht es "so gut wie nie"

SPD-Chef Sigmar Gabriel sorgt mit seinem "Solidarprojekt" für Bedürftige in Deutschland weiter für Diskussionen. Der CDU-Politiker Ralph Brinkhaus plädiert für eine Relativierung: Vor den Haushaltsberatungen stünden alle Minister bei Finanzminister Wolfgang Schäuble vor der Tür, sagte er im DLF. Außerdem sei gerade Wahlkampfzeit - und die SPD habe Probleme.

Ralph Brinkhaus im Gespräch mit Sandra Schulz | 01.03.2016
    Der stellvertrenden Vorsitzender der Unionsfraktion, Ralph Brinkhaus in der ARD-Sendung Günther Jauch
    Ralph Brinkhaus, Unions-Fraktions-Vize (dpa / picture alliance / Karlheinz Schindler)
    Der stellvertretende Unionsfraktionschef verwies auf die Erfolge der Großen Koalition und betonte, vieles aus dem Koalititonsvertrag sei bereits umgesetzt worden. Beide Parteien seien da sehr vertragstreu. Kanzlerin Merkel habe Recht, wenn sie betone, dass sich die SPD klein mache. "Es wird viel dafür getan, dass der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft funktioniert." Zudem seien Wahlkampfzeiten und da habe die SPD ihre Probleme. Deshalb sollte man die Diskussion runterkochen und relativieren. Insgesamt gehe es diesem Land so gut wie nie.
    Brinkhaus verwies auf die im März beginnenden Haushaltsberatungen. Auch hier gebe es einen Zusammenhang: "Viele Minister stehen vor dem Tor des Finanzministers, aber Schäuble fährt da zum Glück eine harte Linie und hält an der Schwarzen Null fest."

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Im Bund, da herrscht derzeit größere Geschlossenheit bei den Sozialdemokraten. Mehr Geld für sozialen Wohnungsbau, den Ausbau der Kita-Plätze, die Aufstockung geringerer Renten. Ende letzter Woche hatte Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel seiner Fantasie freien Lauf gelassen und laut über ein von ihm so genanntes Solidaritätsprojekt nachgedacht, um nicht zu sagen selbiges gefordert. Die Menschen dürften nicht den Eindruck haben, dass Milliarden-Beträge nur für die Bankenrettung und für Flüchtlinge ausgegeben würden und ihre eigenen Bedürfnisse unter die Räder geraten, so Gabriel. Die Absage kam prompt vom Unions-Partner, von der CDU: erst von der Kanzlerin und aus Shanghai meldete sich sogar Finanzminister Schäuble und nannte den Vorschlag erbarmungswürdiges Gerede. Jetzt legt SPD-Generalsekretärin Barley mit der Drohung nach: Wenn, so Barley, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Mindestrente, die Ost-West-Angleichung bei den Altersbezügen und das Teilhabegesetz zur besseren Förderung behinderter Menschen nicht kämen, dann werde die SPD auch dem Bundeshaushalt nicht zustimmen.Wir wollen über den neuen Koalitionsstreit sprechen in den kommenden Minuten. Am Telefon ist Ralph Brinkhaus, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und zuständig für den Bereich Haushalt, Finanzen und Kommunalpolitik. Guten Morgen.
    Ralph Brinkhaus: Guten Morgen!
    Schulz: Die kriegen alles, wir kriegen nichts. Das ist ein Satz, den offenbar viele Menschen unterschreiben in der Flüchtlingsdiskussion. Ist da der Ansatz von SPD-Chef Gabriel nicht ganz richtig zu sagen, die Menschen dürfen nicht das Gefühl bekommen, alles andere habe Vorrang, nur eben ihre Themen nicht?
    Brinkhaus: Das weiß ich nicht, ob viele Menschen sagen, die kriegen alles und wir kriegen nichts. Fakt ist, es ist Wahlkampf. Da haben Sie auch in Ihrem vorherigen Beitrag drauf hingewiesen. Fakt ist, die SPD hat Probleme. Wir stehen am Beginn der Haushaltsverhandlungen. Wir stehen in einer Situation, in der sich Bund und Länder über die Neuverteilung der Mittel unterhalten. Insofern sollte man die Diskussion auch etwas runterkochen und auch relativieren.
    "Die Menschen haben ganz konkrete Erwartungshaltungen"
    Schulz: Die SPD hat Probleme, sagen Sie. Aber die Partei, die überhaupt keine Probleme zu haben scheint im Moment, das ist die AfD, die nach wie vor im Umfragehoch ist. Ist das nicht ein Beleg dafür, dass es jetzt schon viele Bürger gibt, die die Sorge haben, zu kurz zu kommen?
    Brinkhaus: Ich bin der Meinung, wir sollten uns mehr darüber unterhalten, wie wir die Migrationskrise insgesamt lösen. Da haben die Menschen ganz konkrete Erwartungshaltungen und da macht jetzt Streit keinen Sinn und vor allen Dingen ein Streit, der unnötig ist. Denn die Kanzlerin hat Recht, wenn sie sagt, die SPD macht sich damit klein, denn diese Große Koalition hat unglaublich viel für den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft getan. Das fing mit den Rentenpaketen an, der Einführung des Mindestlohns, wir haben sehr viel im Bereich Pflege und Krankenhausfinanzierung gemacht. Diese Große Koalition steckt sehr, sehr große Beträge in die Kita-Finanzierung, in den Kita-Ausbau. Die Kommunen werden entlastet, die Grundsicherung im Alter wird übernommen, Entflechtungsmittel werden fortgeschrieben, es wird mehr Geld ausgegeben für die Kosten der Unterkunft, es gibt mehr Umsatzsteueranteile für die Kommunen. Das heißt, es wird sehr, sehr viel dafür getan, dass der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft auch weiter funktioniert.
    Schulz: Wenn Streit keinen Sinn hat, warum dann diese schroffen Worte die SPD mache sich klein? Das muss für SPD-Chef Gabriel als Demütigung verstanden werden. Und der recht schroffe Ausspruch von Finanzminister Schäuble mit dem erbarmungswürdigen Gerede. Warum diese Rhetorik, wenn Streit keinen Sinn macht?
    !Brinkhaus:!! Es geht darum, dass die Große Koalition sich insgesamt damit klein macht, weil sie ihr eigenes Licht unter den Scheffel stellt, weil sehr, sehr viel getan worden ist für den Zusammenhalt in der Gesellschaft, und es ist schade, dass das jetzt alles irgendwo hinten rüberfällt und dass man diese unnötige Diskussion an dieser Stelle führt. Im Übrigen ist es auch so: Die Dinge, die im Koalitionsvertrag vereinbart worden sind, sind bisher umgesetzt worden beziehungsweise werden umgesetzt. Beide Parteien, das heißt CDU/CSU auf der einen Seite und SPD, waren sehr, sehr vertragstreu, und das soll natürlich auch bis 2017 so bleiben.
    "Wolfgang Schäuble fährt zum Glück eine sehr harte Linie"
    Schulz: Das heißt aber auch, die Forderungen, die jetzt aus der SPD kommen, diese vereinbarte Mindestrente, die Ost-West-Angleichung, wenn Sie sagen, da hat es jetzt eigentlich keinen Sinn, viel zu streiten, dann kommen Sie da dann jetzt auch der SPD schnell entgegen. Denn es gibt ja Zeitdruck. Der Haushalt soll ja Ende März schon verabschiedet werden.
    Brinkhaus: Na ja, es geht ja jetzt nicht darum, dass man der SPD entgegenkommt, sondern dass man das umsetzt, was man auch gemeinsam vereinbart hat. Die Haushaltsberatungen, die beginnen im März. Der Haushalt wird dann im Herbst auf den Weg gebracht werden. Und natürlich ist es so, dass jetzt sehr, sehr viele Minister vor dem Tor des Bundesfinanzministeriums stehen und sagen, ich brauche hier noch mehr Geld und da noch mehr Geld. Wolfgang Schäuble fährt da zum Glück eine sehr, sehr harte Linie, aber auch eine sehr klare Linie und sagt, das was vereinbart worden ist, das wird umgesetzt. Darüber hinaus ist aber kein Geld für zusätzliche Projekte da, weil uns die schwarze Null halt sehr wichtig ist.
    Schulz: Die Milliarden gehen in die Flüchtlingshilfe. Es gibt eine Prognose des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft. Die gehen davon aus, dass für Unterbringung, Verpflegung und Integrations- und Sprachkurse 50 Milliarden Euro gebraucht werden im nächsten und übernächsten Jahr. Was setzen Sie dem Gefühl entgegen, das viele Bürger sicherlich haben, das Geld wird reingebuttert, aber unsere Themen, die sind einfach immer nicht so wichtig?
    Brinkhaus: Noch mal: Die Themen der Bürgerinnen und Bürger sind der Großen Koalition sehr wichtig. Und noch mal: Es geht diesem Land so gut wie noch nie im Schnitt. Sicherlich gibt es einzelne Bereiche, wo wir noch Nachholbedarf haben. Das heißt, wir müssen insbesondere im Bereich Alter Altersarmut verhindern. Das ist ein sehr, sehr langfristiges Projekt. Deswegen werden wir auch jetzt da herangehen, zum Beispiel die betriebliche Altersversorgung auszubauen. Das ist ja auch ein Projekt von Frau Nahles. Aber noch mal: Wir haben Rekordbeschäftigung, wir haben Reallohn-Zuwächse, wir haben die Taschen voll bei vielen, vielen Bürgerinnen und Bürgern, nicht allen, aber bei sehr, sehr vielen, und das sind erst mal ganz gute Nachrichten. Das heißt, im Schnitt geht es dem Land sehr, sehr gut.
    Schulz: Jetzt gab es auch den Vorwurf, dass Sigmar Gabriel die Menschen aufhetze mit seinem Vorstoß. Gleichzeitig gab es am Wochenende Riesenaufregung über Erika Steinbach, die in Ihrer Fraktion die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe ist. Sie hatte ein Foto getwittert von einem blonden Kind, das von dunkelhäutigen Menschen umringt ist, und über dem Foto steht, Deutschland 2030, und darunter, woher kommst du denn. Ist Erika Steinbach immer noch die richtige für ihren Job?
    "Wir sollten das Vokabular ein bisschen runterkochen"
    Brinkhaus: Ich bin jetzt nicht in der Position, das zu beurteilen. Ich fand diesen Tweet völlig daneben und da sind sich auch, glaube ich, alle einig. Im Übrigen ist es auch so, dass ich Sigmar Gabriel nie vorwerfen würde, dass er aufhetzt. Er hat einen Gedanken geäußert. Ich halte diesen Gedanken für nicht sehr klug, für in dieser Zeit auch nicht angepasst. Aber wir sollten das Vokabular da auch ein bisschen runterkochen. Es ist jetzt nicht so, dass unser Koalitionspartner da irgendjemanden aufhetzt.
    Schulz: Hat Julia Klöckner aber so gesagt, Wahlkämpferin derzeit in Rheinland-Pfalz. - Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, heute in den "Informationen am Morgen". Ganz herzlichen Dank für das Gespräch.
    Brinkhaus: Bitte!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.