Feuerwerk
Silvester ohne Böller - was spricht dafür, was dagegen?

Jedes Jahr dieselbe Frage: Knallen lassen oder verbieten? Für manche gehört privates Böllern zu Silvester dazu. Andere warnen vor Verletzungen, Müll und Lärm. Wie argumentieren Befürworter und Gegner?

    Zu sehen sind im Vordergrund Silvester-Böller, im Hintergrund verschwommen ein Feuerwehrfahrzeug.
    Die einen lieben es, die anderen hassen es: Silvesterfeuerwerk (imago / Marius Schwarz)
    Zwei Tage vor Jahresende beginnt der Verkauf von Silvesterraketen und Böllern. Feuerwerkfans decken sich mit Material ein, die Branche hofft auf höhere Umsätze. Gleichzeitig haben rund 2,5 Millionen Menschen eine Online-Petition für ein bundesweites Verbot zu Silvester unterschrieben.
    Böllerverbot - ja oder nein? Die Debatte um private Silvester-Feuerwerke hat beinahe Tradition rund um den Jahreswechsel. Was spricht dafür, was dagegen? Und welche Alternativen sind denkbar?

    Inhalt

    Was spricht für ein Böllerverbot?

    Zu den Kritikern privater Silvesterfeuerwerke zählen Ärztevertreter, Umwelt- und Tierschützer, die Polizeigewerkschaft, das Deutsche Kinderhilfswerk sowie weitere Organisationen. Sie verweisen auf überlastete Krankenhäuser und Angriffe auf Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte, auf Sach- und Brandschäden, die hohe Feinstaubbelastung und Stress für Tiere. Unter dem Hashtag #Böllerciao fordern daher insgesamt 55 Organisationen ein Ende der Silvesterknallerei.

    Verletzungsgefahr und volle Notaufnahmen

    Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, warnt vor den Gefahren "ungeregelter Knallerei". Explodierende Feuerwerkskörper führen immer wieder zu schweren Verletzungen - etwa an den Augen -, zu Verbrennungen und Knalltraumata, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Das sorgt für volle Notaufnahmen in den Kliniken und kostet die gesetzliche Krankenversicherung Millionen."
    Vor allem Kinder sind laut Holger Hofmann vom Deutschen Kinderhilfswerk besonders von Verletzungen nach Unfällen mit Silvesterraketen betroffen. Dabei gehe es auch um weniger sichtbare Folgen wie Knalltraumata, Tinnitus und Schwerhörigkeit, die bei Kindern und Jugendlichen nach der Silvesternacht blieben.
    BÄK-Präsident Reinhardt verweist zudem auf die besondere Situation der Kriegsflüchtlinge in Deutschland. Viele von ihnen hätten in ihrer Heimat Bomben und Granaten ertragen müssen. "Da löst die Silvesterknallerei nicht selten sogar Todesängste aus", so Reinhardt.

    Feinstaub, Müll und Stress für Tiere

    Die Deutsche Umwelthilfe weist auf die bundesweit hohen Feinstaubbelastungen in der Silvesternacht hin. Laut Umweltbundesamt belasten Feuerwerkskörper die Luft in Deutschland jedes Jahr mit rund 2050 Tonnen Feinstaub – das entspricht etwa einem Prozent der insgesamt freigesetzten Feinstaubmenge. "Am ersten Tag des neuen Jahres ist die Luftbelastung mit gesundheitsgefährdendem Feinstaub vielerorts so hoch, wie sonst im ganzen Jahr nicht", so die Behörde. Hinzu kämen Tonnen von Abfall, die die Stadtreinigungen von den Straßen kehren müssten.
    Kritik gibt es nicht nur wegen Feinstaub und Müll, sondern auch wegen der Lärmbelastung. Volker Gassner von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten verweist auf die Folgen für Haus- und Wildtiere. Letztere gerieten durch das Silvester-Feuerwerk in lebensbedrohlichen Stress. Die extremen Geräuschkulissen zwängen sie zur Flucht. "Die Aufregung kann sie so sehr schwächen, dass sie den Winter nicht überleben", so Gassner.

    Angriffe auf Polizei und Feuerwehr

    Zu den Befürwortern eines Böllerverbots gehört auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Sie hat die Petition für ein bundesweites Böllerverbot initiiert und kritisiert, dass immer häufiger Polizisten mit Böllern und Raketen angegriffen würden.
    Die Petition sei ein "Hilferuf", sagt Benjamin Jendro von der GdP Berlin und verweist auf Ausschreitungen in den Silvesternächten der vergangenen Jahre. Immer häufiger würde Pyrotechnik missbraucht, um Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr zu beschießen. Zwar gingen die meisten Menschen sachgemäß mit Pyrotechnik um, so Jendro. Die Realität sei jedoch, dass man "die Spreu nicht mehr vom Weizen" getrennt bekomme. Die Polizei sei nicht mehr in der Lage, Straftäter in der Silvesternacht beweissicher festzunehmen. 

    Was spricht dagegen?

    Für andere gehört privates Feuerwerk zu Silvester dazu, die Branche erwartet steigende Verkaufszahlen. Der Verband der pyrotechnischen Industrie rechnet gegenüber dem Vorjahr mit 10 bis 15 Prozent mehr Ware im Handel. 2024 verzeichnete die Branche nach eigenen Angaben einen Umsatz von 197 Millionen Euro. Auch laut dem Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk ist die Nachfrage nach Silvesterfeuerwerk zum Selberzünden auf einem Rekordhoch.

    Feuerwerk als Kulturgut und Kunstform

    Der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk (BVPK), der Hobby-, Amateur- und Profifeuerwerker vereint, sieht die hohe Nachfrage als "Ausdruck einer Sehnsucht nach Gemeinschaft und Ritual". Erst durch Feuerwerk werde Silvester zu mehr als einem bloßen Datum, sagt etwa Vorstandsmitglied Bijan Salari in einer Pressemitteilung.
    Pressesprecher Christoph Kröpl bezeichnet Feuerwerk als "ein Kulturgut und eine Kunstform" und fordert, dass davon auch Privatpersonen weiterhin an Silvester Gebrauch machen dürfen.

    Vollzugsproblem kein Regelungsproblem

    Schon jetzt gibt es Einschränkungen für privates Böllern. Kommunen können böllerfreie Zonen festlegen. Zudem ist das Abbrennen von Feuerwerk an einigen Stellen untersagt, etwa in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altenheimen.
    Kröpl hält das für ausreichend. In Deutschland gebe es kein Regelungs-, sondern ein Vollzugsproblem. Verbote hält Kröpl für wenig zielführend und verweist auf aus seiner Sicht erfolglose Pyrotechnikverbote in Stadien. Angriffe auf Polizei und Feuerwehr verurteilt er, sieht jedoch kein spezielles Silvesterproblem. "Das passiert leider mit zunehmender Tendenz das ganze Jahr über." Er geht nicht davon aus, dass ein Böllerverbot das Problem lösen könne.
    Auch die Hersteller der Böller verweisen darauf, dass die große Mehrheit der Nutzer sich nichts zuschulden kommen lasse. Die meisten Probleme entstünden durch illegale Produkte, die in der Silvesternacht zum Teil missbräuchlich von „einigen Chaoten und Krawallmachern“ benutzt würden, sagte etwa Anfang Dezember Klaus Gotzen vom Verband der pyrotechnischen Industrie in den ARD-Tagesthemen.

    Welche Alternativen sind denkbar?

    Laut einer Umfrage des TÜV-Verbands will nur jeder Fünfte (22 Prozent) zum Jahreswechsel privates Feuerwerk zünden. Dagegen gaben etwa drei Viertel (74 Prozent) an, auf pyrotechnische Artikel wie Raketen, Fontänen oder Böller verzichten zu wollen.

    Offizielle Feuerwerke und Drohnenshows

    BÄK-Präsident Reinhardt plädiert dafür, Silvesterfeuerwerke organisiert an zentralen Plätzen stattfinden zu lassen. „Das hat nichts mit Verbotskultur zu tun, sondern zeugt von der Einsicht einer reifen Gesellschaft, etwas Gefährliches zu lassen“, so der Mediziner im Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch die Gewerkschaft der Polizei hält organisierte Veranstaltungen mit zertifizierten Pyrotechnikern für eine sinnvolle Alternative zum privaten Gebrauch von Pyrotechnik.
    Die Deutsche Umwelthilfe lehnt solche Veranstaltungen ab. Aus Sicht des Vereins sollen auch keine offiziellen Feuerwerke mehr stattfinden. Stattdessen wirbt er für Drohnenshows als Alternative zu Böllern.

    Böllererlaubniszonen und Verkaufsverbot in der Silvesternacht

    Nach Ansicht von GdP-Pressesprecher Jendro sind auch sogenannte Böllererlaubniszonen möglich. Also ausgewiesene Bereiche, in denen auch privat Pyrotechnik gezündet werden darf. Kontrollen an den Eingängen könnten dafür sorgen, dass keine illegalen Böller verwendet werden. Allerdings kritisiert Jendro, dass es in dieser Debatte in den vergangenen Jahren keinerlei Fortschritt gegeben habe.
    Kröpl hält es hingegen für denkbar, den Verkauf von Böllern in der Silvesternacht einzuschränken. Die Gefahr steige, wenn alkoholisierte Menschen rund um die Uhr Feuerwerk kaufen können.

    irs

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