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Silvesternacht in Leipzig
Debatte um Gewalt gegen Polizisten

Die Diskussion um den Ablauf der Krawalle in Leipzig am frühen Neujahrsmorgen hat Berlin erreicht. SPD und Linke stellen das Vorgehen der Polizei in Frage. FDP und CDU sprechen von einem verhältnismäßigen Vorgehen. Die AfD übt derbe Kritik an den Vorwürfen.

Von Johannes Kuhn | 03.01.2020
Polizisten räumen in der Silvesternach 2019 eine Kreuzung im Stadtteil Connewitz.
Hat die Polizei die Silvester-Krawalle in Leipzig mitverschuldet? (Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa)
Auch im dritten Tag des neuen Jahres geht die Debatte um die Silvester-Vorfälle im Leipziger Stadtteil Connewitz weiter. Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken fordert eine Überprüfung der Polizeitaktik: Die Beamten seien womöglich "unnötig in Gefahr gebracht" worden, sagte sie der Funke-Mediengruppe.
Augenzeugen aus dem linken Spektrum hatten von unverhältnismäßigen Kontrollen und einem sehr offensiven Vorgehen der Polizei berichtet.
Torsten Frei, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag, kritisiert die Vorsitzende des Koalitionspartners für ihre Wortmeldung. Im Deutschlandfunk verteidigte er die Polizeitaktik:
"Ich glaube, es ist richtig, dass man in einer solchen Situation auch mit klarer Polizeipräsenz, mit angebrachten Kontrollen entsprechend reagiert. Und ich halte es für völlig falsch, wenn die Polizei für ihr völlig korrektes Verhalten von Mandatsträgern wie beispielsweise der Frau Esken oder auch Politikern der Linken dann anschließend korrigiert wird."
Gewerkschaft der Polizei beklagt politische Instrumentalisierung der Debatte
Der innenpolitische Sprecher der FDP, Konstantin Kuhle, äußerte sich ähnlich: Man müsse die Polizeitaktik diskutieren, twitterte er. Die SPD solle aber aufpassen, dass sie mit pauschaler Polizeikritik nicht plötzlich der Linkspartei näher als den Menschen im öffentlichen Dienst stehe.
Der AfD-Politiker Georg Pazderski bezeichnete Eskens Aussagen als, so wörtlich, "infam und hinterfotzig".
Jörg Radek von der Gewerkschaft der Polizei beklagte im MDR die politische Instrumentalisierung der Debatte:
"Das trägt nicht dazu bei, dass diese Gesellschaft im friedlichen Miteinander auskommen kann, sondern es trägt zu einer Spaltung bei. Da haben beide Seiten ihren Anteil dran."
Im Leipziger Viertel Connewitz war es zum Jahreswechsel zu Ausschreitungen gekommen. 23 Polizisten wurden dabei Polizeiangaben zufolge verletzt, einer von ihnen schwer. Er musste laut Behördenaussagen notoperiert werden.
Die Zeitung taz zitiert jedoch Krankenhauskreise, dass man sich dort über den Begriff "Notoperation" wundere. Es habe sich um einen Eingriff an der Ohrmuschel unter lokaler Betäubung gehandelt, Lebensgefahr habe nicht bestanden.
Haftbefehl gegen vier Männer
Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze sagte in einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung, der Polizist habe ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Er soll noch im Laufe des Tages aus der Klinik entlassen werden.
Das Amtsgericht Leipzig hat unterdessen Haftbefehl gegen vier Männer erlassen, die während der Ausschreitungen festgenommen worden waren. Ihnen wird unter anderem tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte sowie Körperverletzung vorgeworfen. Im Falle des schwerverletzten Polizisten laufen weiterhin Ermittlungen wegen versuchten Mordes.
Im Zuge der politischen Aufarbeitung trifft sich derzeit Sachsens CDU-Innenminister Roland Wöllner mit beteiligten Einsatzkräften.