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Singer/Songwriter Jamie Lawson
Eingängig und emotional

"Wasn’t expecting that" aus dem Jahr 2011 war Jamie Lawsons erster Hit, dabei macht der Brite aus der Nähe von Plymouth schon seit Mitte der 90er-Jahre Musik. Als erster Künstler auf Ed Sheerans vor Kurzem gegründetem Label zeigt der 40-Jährige, dass er mehr ist als ein One Hit Wonder, sondern emotionale, eingängige Songs schreiben kann.

Von Christiane Rebmann | 17.04.2016
    Eine Gitarre des Herstellers Ovation.
    Die akustische Gitarre: Erkennungszeichen des Folkmusikers. (Jan-Martin Altgeld)
    "Ich wollte ein Album machen, bei dem die Menschen Trost finden. Ich will ihnen mit diesem Album Hoffnung machen. Ich sage: "Die Liebe existiert. Sie ist stärker als alles andere." Das mag ziemlich kitschig und nach Klischee klingen und auch ein wenig naiv. Aber ich denke, es ist keine schlechte Sache, daran zu glauben."
    So der britische Musiker Jamie Lawson über sein Credo.
    Musik "Wasn’t expecting that" - Jamie Lawson
    "Wasn’t expecting that", der Song, der Jamie Lawson international bekannt machte. Dabei ist es nicht sein erstes Werk. Lawson macht schon seit Mitte der 1990er Jahre Musik und hat vier Alben herausgebracht.
    Musik "Ahead of myself" - Jamie Lawson
    Der Backstage-Bereich in dem kleinen Stuttgarter Club, in dem er am Abend vor rund 200 Zuschauern auftreten soll, ist Jamie Lawson zu unruhig. Deshalb lädt der Künstler zum Interview in den Bandbus, vor dem schon Fans warten. Der braunhaarige Musiker wirkt unprätentiös, freundlich, nimmt sich Zeit, um über seine Antworten nachzudenken und scheint immer noch überrascht über das Interesse an seiner Arbeit und seiner Person zu sein.
    Jamie Lawson kam vor 41 Jahren in Plymouth zur Welt. Er wuchs in einer Umgebung auf, in der Musik eine wichtige Rolle spielte. Seine Eltern waren zwar keine Musiker, sie verfügten aber über eine ansehnliche Plattensammlung.
    "The Smiths, Housemartins, Michael Jackson, Jackson 5. All diese schönen, melodischen Songs mit unglaublich guten Texten. Die haben mich mein ganzes Leben begleitet. Auch Tracy Chapmans erstes Album, das ja sehr sozialkritisch war, hat mich stark beeinflusst."
    In der Tat erinnert seine Stimme hier und da ein wenig an die der US Künstlerin.
    Musik "Still yours" - Jamie Lawson
    Mit acht Jahren wünschte er sich eine Gitarre zu Weihnachten. Die Anfänge seiner Karriere schildert er mit typisch britischem Understatement.
    "Ich habe an der Grundschule Gitarre gelernt. Einer der ersten Songs, die ich gesungen habe, war Sloop John B von den Beach Boys. Ich mochte den sehr. Ehrlich gesagt glaube ich, dass ich mich von da an nicht sehr weiterentwickelt habe."
    Später stieg er als Gitarrist in die Schulband ein. Und weil man dort einen Sänger brauchte, stellte er sich auch ans Gesangsmikrofon.
    "Ich fing mit 15 an, Songs zu schreiben. Sie waren nicht besonders gut. Mit 16, 17 begann ich, live aufzutreten. In der ersten Band waren wir zu viert. Anfangs spielten wir nur Coversongs. Irgendwann gingen wir dazu über, zur Hälfte eigene Songs zu spielen. Das war ganz schön abenteuerlich für eine Schülerband. Wir waren sehr engagiert."
    Peppers, REM, Hendrix
    Neben den Songs seiner damaligen Idole Red Hot Chili Peppers, REM und Jimi Hendrix klangen die eigenen Werke ziemlich schrecklich, erinnert er sich. Das entmutigte ihn. Deshalb entschied er sich gegen die Musik, als er von der Schule abging. Er wusste zwar schon, dass er unbedingt kreativ arbeiten wollte, belegte aber erst mal Kunst am Arts College. Nach einem Jahr brach er das Studium ab.
    "Als Schüler war ich gut in Kunst. Ich dachte: Das ist mein Ding. Vielleicht sollte ich Kunstlehrer werden. Ich war ja immer sehr kreativ. Damals malte ich eine Zeitlang sehr viel. Am Arts College wechselte ich dann zur Fotografie über. Aber ich war damit nicht glücklich. Irgendwann sagte ich zu einem der Dozenten: ‚Ich fühle mich in diesem Studium nicht wohl. Ich bin unglücklich. ‘ Er fragte: ‚Was möchtest du denn lieber tun? ‘ Ich antwortete: ‚Ich wäre lieber Sänger. ‘ Da riet er: ‚Dann solltest du Sänger werden. ‘ Als ob das so einfach wäre. Aber ich befolgte den Rat. Ich verließ das College zwei Wochen später."
    2003 erschien sein Debütalbum "Last night stars", darauf unter anderem das Lied "Petals".
    Musik "Petals" - Jamie Lawson
    Es dauerte sieben Jahre, bis er das Budget zusammen hatte, um sein Nachfolge-Album "Pull of the moon" fertig zu stellen. Es war zunächst genauso erfolglos wie das erste Werk. Doch dann drehte Lawson zum Song "Wasn’t expecting that" von eben diesem Album ein Video und stellte es online. Dadurch wurde ein irischer Sender auf das Stück aufmerksam und nahm es ins Programm. Prompt stieg das Lied auf Platz 3 der irischen Charts und zog damit auch das Album nach. Um auf der Erfolgswelle zu bleiben, schob Lawson in Irland ein Album mit dem Titel "Wasn’t expecting that" nach. Dennoch wurde es ruhig um den britischen Künstler. Erst 2015 ging es mit seiner Karriere wieder aufwärts. Zu verdanken hat er diese Entwicklung einem alten Bekannten, dem 15 Jahre jüngeren Kollegen Ed Sheeran. "Ohne Ed wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin", sagt Lawson. Die beiden hatten sich vor Jahren auf der Bühne kennen gelernt.
    "Wir verkehrten in denselben Kreisen in London. Ed ist am Anfang unglaublich viel aufgetreten, mehr als wir alle. Und irgendwann kreuzten sich unsere Wege, als wir in London in derselben Show auf der Bühne standen. Wir kamen von Anfang an sehr gut miteinander aus. Er sang an dem Abend ‚The a team".
    Musik "The A Team" - Ed Sheeran
    "Mit ‚The A Team‘ bewies Ed, dass er viel besser war als all die anderen in der Show. Es ist ein fantastischer Song. Es war damals schon ganz offensichtlich, dass er sehr talentiert ist und dass er sehr schnell Erfolg haben würde. Merkwürdigerweise verloren wir uns dann für vier Jahre aus den Augen. Ich hörte nichts mehr von ihm. Ich erwartete das auch gar nicht."
    Doch dann entdeckte Ed Sheeran auf einer Konzertreise durch Irland in einem Pub ein Poster von Lawson. Er war damals gerade auf der Suche nach einem guten Künstler für sein Vorprogramm.
    "Ein Freund schickte mir eine SMS: "Ed fragt, ob du nicht als Opener für ihn auftreten kannst. Ich sagte ja. Nach der Show lud er mich ein, den Rest seiner Tour mit ihm zu spielen. Eines Tages sagte er: ‚Ich plane, ein Plattenlabel zu gründen. Und ich denke, du solltest als erster Künstler darauf erscheinen. ‘ Das war großartig. Er war ja nicht verpflichtet, mich zu nehmen. "
    "Ed Sheeran buchte mir ein Studio"
    Ed Sheeran wiederum konnte gar nicht verstehen, warum keine Plattenfirma Lawsons Potential erkannt hatte und er lange Zeit vergeblich versucht hatte, Geld für die Veröffentlichung seines neuen Albums aufzutreiben, erzählt Lawson. Nachdem sich die beiden geeinigt hatten, ging alles sehr schnell. "Ed buchte mir ein Studio und ließ mir freie Hand. Er vertraute mir. Und er bot mir – wo nötig - Rat und Hilfe." So unterstützte er mich bei der Wahl der Produzenten und Coautoren", lobt Lawson seinen Kollegen. Als Testballon veröffentlichte Sheeran auf seinem Label Gingerbread Man Records im Frühjahr 2015 noch einmal Lawsons erfolgreiche Single "Wasn’t expecting that", vier Jahre, nachdem der Song das erste Mal erschienen war. Diesmal stieg der Titel in Australien und Großbritannien in die Charts, das Album "Jamie Lawson" sogar auf Platz Eins. Er habe es nicht glauben können, als er an der Spitze der britischen Charts gelandet war, erzählt Lawson. Er sei damals gerade in Newcastle unterwegs gewesen und habe im HMV Laden eine Tafel mit der Platzierung gesehen. Es sei ihm wie ein skurriles Märchen erschienen.
    Exzessive Liebe zu einer US-Cartoon-Serie
    Er hatte sogar seinen Freund und Förderer Ed Sheeran mit dessen neuem Album auf den zweiten Platz verwiesen. Ed habe mit der neuen Konstellation kein Problem gehabt, im Gegenteil, er sei sehr glücklich gewesen, erinnert er sich. Die beiden verstanden sich auch auf den folgenden gemeinsamen Tourneen sehr gut, trotz Sheerans exzessiver Liebe zu einer US-Cartoon-Serie.
    "Ach, die Simpsons Manie. Stimmt. Er mag die Simpsons wirklich. Ich habe nichts gegen sie. Für mich war das okay. Er stieg in den Bus und zog sich zwei Stunden lang die Simpsons rein, manchmal auch drei. Er hatte es sich zum Ziel gesetzt, jede Folge vom Anfang der Serie anzusehen. Damit konnte ich nicht mithalten."
    Seine Melancholie sinkt nie in Hoffnungslosigkeit
    Wie Ed Sheeran gehört auch Jamie Lawson zu den interessantesten britischen Singer Songwriter-Entdeckungen der letzten Jahre. Lawsons Stärke sind die eingängigen, emotional geladenen Melodien, deren Wirkung er durch eine sparsame Instrumentierung - Gitarre, Piano, Schlagzeug, und hier und da Streicher und Bläserarrangements - unterstützt. Seine Melancholie sinkt nie in Hoffnungslosigkeit ab. So sagt er, er sei stolz darauf, dass es ihm gelungen sei, beispielsweise im Refrain zu "Wasn’t Expecting that" mit der Akkordfolge von E-Moll zu E-Dur die traurige Stimmung in eine hoffnungsvolle zu verwandeln.
    Musik "Wasn’t expecting that"- Jamie Lawson
    Die Idee zu "Wasn’t expecting that”, dem Song der sein Leben verändern sollte, kam Jamie Lawson vor vielen Jahren.
    "Ich war auf Tournee in Irland. Es war eine sehr erfolglose Tour. Als ich am ersten Abend nach einer Tagesreise aus London ankam, musste ich feststellen, dass sie mich dort überhaupt nicht erwartet hatten. Stattdessen stand eine Heavy Metal Band auf dem Plan. Für die spielte ich dann als Opener, vor ungefähr sechs Zuschauern. Ich habe Freunde in Irland, weil ich dort eine Zeitlang gelebt habe. Mit diesen Freunden ging ich ein paar Abende später aus, und wir unterhielten uns. Und in diesem Gespräch sagte irgendwann jemand: "Das hatte ich nicht erwartet - I wasn‘t expecting that". Aus irgendeinem Grund blieb mir dieser Satz im Kopf hängen. Ich dachte: Das ist ein guter Titel für einen Song. Ich sollte damit arbeiten. Am nächsten Morgen setzte ich mich bei meinen Freunden an den Küchentisch und spielte ein paar Akkorde. Ich wusste sofort, wie der Song klingen sollte. Er entstand also ziemlich schnell, bis auf die letzten Zeilen. Sie waren ein Kampf."
    Lebensgeschichte in einem Dreiminutensong
    In seinem Lied erzählt Lawson die Liebesgeschichte eines Paares, von der ersten Begegnung bis zum Tod des einen Partners.
    "Ich hatte den Titel "Wasn‘t expecting that". Damit spielte ich herum. Dann kam als zweiter Satz: "It was just a delicate kiss anyone could have missed, I wasn’t expecting that.” Ich dachte: Das klingt sehr schön. Daraus kann man etwas machen. Mir war schnell klar, dass ich daraus eine Lebensgeschichte in einem Dreiminutensong entwickeln könnte. Das ist ja eine Herausforderung für einen Songwriter. Aber ich habe es geschafft. Ich machte daraus eine Geschichte über eine glückliche Beziehung, in der jede Phase der Liebe eine positive Überraschung ist. Die beiden Menschen in diesem Song nehmen ihre Liebe nicht als selbstverständlich hin. Ich fand das sehr schön. Umso grausamer ist es natürlich, den Song mit dem Tod enden zu lassen. Aber aus Songwriter-Sicht machte es Sinn. Außerdem: Diese Dinge geschehen ja auch jeden Tag. Diese letzten zwei Zeilen schrieb ich im Zug. Ich war anfangs sauer auf mich selbst. Weil sie so grausam rauskamen. Ein hartes Ende für einen Song. Einige Kollegen sagten: "Du hättest die Titelzeile wiederholen oder den Song zumindest mit einer Art Outro enden lassen sollen". Aber sie hatten alle Unrecht. Der Song ist perfekt, so wie er ist."
    Lawson wird oft gefragt, ob die Geschichte in diesem Lied etwas mit seinem eigenen Leben zu tun hat.
    "Es macht mich glücklich, dass meine Songs so etwas bewirken können."
    "Der Song basiert nicht auf einer wahren Begebenheit. Ich glaube, wenn mir so etwas passiert wäre, wäre ich nicht in der Lage gewesen, ihn so zu schreiben. Ich gab ihm dieses Ende, weil ich Songwriter bin und weil das die beste Art ist, den Song zu beenden. Man erwartet diesen Ausgang nicht. Aber das gehört eben zu meinem Handwerk – ein überraschendes Ende zu schaffen. Dass sich so viele Menschen so gut mit dem Lied verbinden können, überrascht mich nicht. Wir alle kennen doch jemanden, der eine ähnliche Geschichte durchgemacht hat - entweder in der Familie, im Bekanntenkreis oder in der Nachbarschaft. Allerdings hatte ich nicht erwartet, so viele persönliche, bewegende Nachrichten zu bekommen. Viele Menschen schrieben mir, dass sie etwas Ähnliches durchgemacht hatten, wie ich es in dem Song beschreibe. Sie hatten ihnen nahestehende Menschen verloren. Vor einiger Zeit traf ich in Deutschland eine Frau mit ihrer Tochter. Die Mutter sagte: ‚Ich bin dir so dankbar für dieses Lied. Ich habe meinen Ehemann verloren. Meine Tochter ihren Vater. Und der Song hilft uns. ‘ Das ist doch wunderbar. Es macht mich glücklich, dass meine Songs so etwas bewirken können."
    Zwar ist es nicht seine eigene Geschichte. Aber dass er selbst auch schon einige Krisen hinter sich hat, ahnt man, wenn man seinen Song "Sometimes it’s hard" hört. Lawson bezeichnet ihn als eine Art Fortsetzung von "Wasn’t expecting that".
    Musik: "Sometimes it’s hard" - Jamie Lawson
    "Es geht hier um so etwas wie Depressionen und wie man sie übersteht. Wie es sich anfühlt, wenn man immer wieder dieselben Fehler macht. Manchmal ist es eben schwierig, einen Ausweg aus dem Hamsterrad zu finden, in dem man feststeckt. In diesem Song sage ich: ‘Es gibt einen Ausweg. Du musst nur durchhalten, dann wirst du ihn finden. ‘ Es ist also auf eine Art ein Song, der dich einfach mal umarmt und sagt: ‚Alles wird gut. Du musst nur Geduld haben. ‘
    Es gab eine Phase, in der ich sehr oft traurig war. Ich weiß nicht, ob man das als Depression bezeichnen würde. Ich weiß nur: wenn ich in diesen Stimmungen steckte, dann schienen sie ewig zu dauern. Du denkst: das war‘s. So wirst du dich jetzt dein Leben lang fühlen. Dieser Zustand scheint endlos. Und doch verändert sich irgendwann etwas. Du musst nur geduldig sein. Aber genau das ist fast unmöglich, wenn du in diesem Stimmungstief festhängst. Ich singe hier: ‚Alles wird gut‘. Ich mag die Zeilen ‚Rain rain go away, come again another day. ‘ Das erinnert mich an meine Kindheit. Ich bin wirklich stolz auf diesen Song, so stolz wie auf keinen anderen Song."
    Musik "Sometimes it’s hard" - Jamie Lawson
    Jamie Lawson findet Anregungen im eigenen Leben, in Beobachtungen bei anderen Menschen, aber auch in Büchern. Auch wenn keiner seiner Songs direkt von einem Buch inspiriert wurde, sei doch ein Dichter maßgeblich dafür verantwortlich, dass er in seinen Texten auf den Punkt kommt, erklärt er.
    "Der Dichter Ian Hamilton. Er ist nicht sehr bekannt. Seine Gedichte sind sehr kurz, sehr prägnant, sehr auf den Punkt. So treffen sie dich ins Mark. Genau das habe ich versucht, mit meinen Songs zu erreichen. Ich wollte, dass meine Lieder nicht sehr lang sind, dass sie aber trotzdem sagen, was sie sagen sollen. Deshalb ist mein neues Album auch nur 36 Minuten lang."
    Ian Hamilton, der 2001 im Alter von 63 Jahren starb, veröffentlichte nur eineinhalb Bücher.
    "Das Buch ‚Fifty Poems‘, das natürlich aus 50 Gedichten besteht. Und zehn Jahre später erschien dann ein Band namens ‚Sixty Poems‘ mit zehn zusätzlichen Gedichten. Viel mehr gibt es nicht. Der Mann hat einfach nicht viel geschrieben. Er fand das Dichten wohl schwierig. Er schrieb sehr schöne, tragische Gedichte."
    Musik "Don’t let me let you go" - Jamie Lawson
    Den Song "Don’t Let Me Let You Go” schrieb Lawson gemeinsam mit der Musikerin Amy Wadge. Sie war ihm von Ed Sheeran empfohlen worden. Das Stück "Someone for everyone" dagegen war quasi eine Auftragsarbeit von seiner Partnerin.
    "Ich schrieb das Stück, weil meine Freundin gesagt hatte: ‚Du hast nicht viele glückliche Songs auf deinem Album‘. Also dachte ich: Ich muss einen fröhlichen Song schreiben. Und was gibt es optimistischeres als zu sagen: ‚There is someone for everyone.‘ Für jeden Menschen gibt es einen geeigneten Partner.
    Bisher ist es in meinem Leben immer so gelaufen, dass sich alles gut gefügt hat. Als Musiker habe ich immer genügend Ermutigung bekommen, um weiterzumachen. Ich dachte: Deine Zeit ist eben noch nicht gekommen. Mach einfach weiter. Ich neige dazu, diese Einstellung auch auf die Liebe zu beziehen. Deshalb singe ich: ‚Es gibt Gründe, warum diese Welt immer noch funktioniert, mach dir keine Sorgen.‘ Als ich diesen Song schrieb, musste ich lachen. Ich fand diese Zeilen so kitschig. Ich schrieb diesen Song mit einem großartigen Pianisten und Songwriter namens Tim Roth. Ich rief ihn an und sagte: ‚Ich will ein paar Van Morrison Akkorde.‘ Und dann sang ich ‘Don‘t worry, don‘t worry, if you can‘t find love in a hurry".
    Musik "Someone for everyone" - Jamie Lawson
    "Dieses Album ist viel näher an dem, was ich machen wollte, als die letzten beiden. Das war der Hauptgrund, warum ich ihm den Titel ‚Jamie Lawson‘ gab. Es definiert, wo ich mich befinde, wo ich mich am wohlsten fühle."
    Im Stück "In our own worlds” philosophiert er über das, was seiner Meinung nach wichtig ist in einer Liebesbeziehung.
    "In our own worlds‘ ist ein Song darüber, dass du meist eine Menge Gepäck mitbringst, wenn du eine neue Beziehung eingehst. Du bringst deine eigene Geschichte, deine Narben mit. Beim anderen Partner ist es genauso. Diese Narben machen dich zu dem, der du bist. Deshalb bist du perfekt mit diesen Narben.
    Dieser Song hat sich im Laufe des Schreibprozesses sehr verändert. Am Anfang hatte er diesen riesigen Coldplay- Sound, mit voluminösem Schlagzeug. Aber ich fand, das passte nicht zu dem, was ich sonst geschrieben hatte. Und es klang auch zu sehr nach Coldplay. Das wollte ich nicht. Also machten wir daraus diesen Folk Song."
    Musik "In our own worlds" - Jamie Lawson
    In seinen Texten erzählt er Geschichten, denen man gern einfach so zuhört, die sich aber auch – bei entsprechender Befindlichkeit - als Projektionsfläche anbieten. Früher sei Songschreiben für ihn Therapie gewesen, gibt er zu.
    "Deshalb hatte ich wohl überhaupt das Bedürfnis, mit Gitarrespielen und Singen anzufangen. Aber heutzutage schreibe ich eher, wenn ich Zeit zum Songschreiben habe. Ich schreibe nicht mehr, weil ich das Gefühl habe: Ich muss das jetzt loswerden. Deshalb kann ich heute auch Stücke aus der Sicht eines anderen Menschen schreiben. Ich habe das Handwerk inzwischen gelernt."
    Zu den Musikerkollegen, von denen er sich Ideen holte, gehören REM.
    "Was ich so an REM mochte, war, dass man wunderbar zu ihren Songs mitsingen konnte. Weil sie so schöne Melodien hatten. Man konnte sich aber auch tiefe Gedanken über den Inhalt machen. Das ist etwas, das ich auch gern erreichen möchte. Ich denke, noch habe ich es nicht geschafft."
    Ein weiterer Kollege, der zumindest indirekt Einfluss auf seine Musik hatte, ist der Künstler Damien Rice.
    "Ich lernte Damien schon sehr früh kennen, als er das Album ‚O‘ aufnahm. Das ist eine sehr gute Platte. Er und seine Freundin Lisa traten in London auf, und sie wussten nicht, wo sie übernachten sollten. Also brachte ich sie bei mir unter. Ich hörte damals dauernd sein Album. Ich hätte nie gesagt: Ich möchte genau so Musik machen wie er. Aber ich mochte, dass er seine Platte genau so machte, wie er sie haben wollte. Insofern hat er mich beeinflusst."
    Musik "The only conclusion" - Jamie Lawson
    "Die Idee zum Song ‚The only Conclusio‘ kam mir, als ich eine Folge der TV Serie ‚Big Bang Theory‘ sah. In der Folge ‚The Prom Equivalency‘ kämpft Sheldon Cooper darum, seine Gefühle für Amy Farrah Fowler zu verstehen. Und er sagt etwas in der Art wie: ‚Ich bin alle Optionen durchgegangen. Der einzige Schluss den ich ziehen kann, ist, dass es Liebe ist.‘ So wie der Song jetzt klingt, hat er etwas von einem Lied aus einem alten Musical, mit Tapdancing und allem Drum und Dran. Er könnte genauso gut von Fred Astaire oder Frank Sinatra gesungen werden. Sollte ich jemals ein Video zu diesem Stück drehen, dann im Stil von "Singing in the Rain".
    Die inneren Kämpfe, die Lawson in Songs wie "The only conclusion" beschreibt, sind für ihn selbst schon lange nicht mehr relevant. Er lebt seit einiger Zeit in einer festen Beziehung. Er hat sich mit seiner Partnerin in Manchester niedergelassen.
    "Früher haben wir in London gewohnt. Aber das konnten wir uns nicht mehr leisten. Wir haben jetzt eine richtig schöne Wohnung für weniger Geld. Das Leben ist gut. Ich bin ein glücklicher Mann. Fast all meine Träume haben sich erfüllt. Das muss man sich mal vorstellen! Es ist großartig."
    Unspektakulärer Blick aus dem Fenster
    Was seine direkte Umgebung betrifft, ist er nicht anspruchsvoll. Für seine Arbeit ist es unwichtig, wo er lebt, sagt er. Er braucht auch nicht, wie viele seiner Kollegen, einen spektakulären Blick aus dem Fenster, um gute Songs schreiben zu können. Im Gegenteil.
    "Einen Blick? Nein. Ich habe ein winziges Zimmer für meine Musik. Von dort hat man den hässlichsten Blick im ganzen Haus. Ich finde das gut. Ein schöner Blick würde mich nur ablenken. Ich muss mich auf die Musik konzentrieren können. Ich darf nicht dadurch abgelenkt sein, dass ich die ganze Zeit den Drang habe, aus dem Fenster zu gucken."
    Seine Partnerin arbeitet auch im Showgeschäft, allerdings in einem anderen Bereich.
    "Sie ist Schauspielerin. Wir haben die letzten fünf Jahre beide hart gekämpft. Wir wussten, was der andere durchmacht, wie es sich anfühlt, wenn man immer ganz knapp vor dem Durchbruch steht. Wir haben uns gegenseitig unterstützt und ermutigt. Was ich sage, klingt vielleicht arrogant. Aber ich denke, wir sind beide sehr gut in dem, was wir tun. Ich denke, wir verdienen unseren Erfolg. Jetzt wo ich es geschafft habe, hoffe ich, dass sie es auch schafft."
    Seine Freundin hat ihn immer unterstützt, auch in den Krisenzeiten, als er im Plattenladen jobbte, auf Hochzeiten sang und in einem Wohnwagen leben musste.Mit dem Song "All is beauty" beschreibt er die Phase am Anfang einer Beziehung.
    "Ich wollte mit diesem Song diesen Moment einfangen, wo man sich fallen lässt. Es wird Nacht, und du verliebst dich. Wie fängst du diesen Moment ein? ‚All is beauty everywhere‘, das ist ein glücklicher Song, davon gibt es ja nicht so viele, vor allem nicht bei mir."
    Musik "All is beauty" - Jamie Lawson
    Jamie Lawson ist mit großer Leidenschaft Musiker. Nach dem missglückten Kunststudium hat er nie über einen Alternativjob nachgedacht.
    "Ich hatte nie einen Plan B. Ich wäre wohl zu einem dieser Künstler geworden, die nur in Pubs und Clubs auftreten und denen das egal ist. Das habe ich ja auch lange Zeit getan. Ich war Hochzeitssänger. Das wäre die Alternative. Ich wollte unbedingt das machen, was ich so liebte. Aber ich tat es auf eine Art, die mir nicht gefiel."
    Musik "Let love hold you now" - Jamie Lawson
    "Den Song ‚Let love hold you‘ schrieb ich ursprünglich über zwei Liebende, die auf der Flucht sind. Der eine sagt zum anderen: ‚Bitte lass zu, dass ich mich um dich kümmere. Wir beide wollen diese Liebe, und wir sollten sie verteidigen.‘ Es ist ein bisschen wie bei Bonnie & Clyde, nur ohne das Böse. Die Menschen in diesem Song haben nichts Schlechtes getan. Sie flüchten nur vor ihrer Vergangenheit.
    Der Song "Cold in Ohio" ist typisch für seine Musik. Die Melodie ist eingängig, jedoch nicht zu simpel. Der Text deutet die Lebensgeschichte der Protagonisten vage genug an, um die Fantasie anzuregen.
    "Ich schrieb den Song gemeinsam mit Kim Richie. Sie ist eine alternative Country Sängerin. Sie lebt in Nashville, kommt aber aus Ohio. Sie hat einige wunderbare Alben gemacht. Ein gemeinsamer Freund brachte uns für eine Writing Session zusammen. Ich sah mir ihre Show an, und auf dem Rückweg fragte sie jemand: ‚Ist es kalt in Ohio?‘ Und sie antwortete: ‚Ja. Es ist kalt in Ohio. Deshalb gehe ich nicht dorthin.‘ Und ich machte daraus in meinem Kopf schon den kompletten Refrain. Die Woche drauf zeigte ich ihr, was ich geschrieben hatte. Sie fand das ziemlich gut. Und dann trieb sie mich dazu an, den Rest des Liedes zu schreiben. Sie ist gut darin, Texte aus dir rauszulocken. Eine Zeile in diesem Song stammt von ihr: ‚Love is always shifting sand, not much to believe in.’ Ich fand das richtig gut. Die Liebe als Wanderdüne zu beschreiben. Das ist fantastisch."
    Musik "Cold in Ohio" - Jamie Lawson