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Sinn für alte Schätze

Unter den 3,6 Millionen Medien, die die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln aufbewahrt, befinden sich 100.000 Bände aus dem 15. bis 18. Jahrhundert. 500 Jahre alte Erkenntnisse - auch heute sind sie für Wissenschaft und Forschung noch relevant. Wie viele andere Universitätsbibliotheken fühlt sich auch die Kölner ihren Altbestände verpflichtet und setzt sich trotz knapper Mittel für die Restaurierung und den Erhalt ein.

Von Christina Schaffrath |
    "Ja das ist eines dieser Sperrmagazine. Das ist die so genannte Gymnasialbibliothek, das sind etwa 50.000 Bände zwischen 1450 und 1850."

    Professor Wolfgang Schmitz zeigt ein unbekanntes Reich: die alten Bücher der Universitätsbibliothek Köln. Dicke Bände, mit Ledereinband und Holzdeckel, flößen Ehrfurcht ein. In diesen Büchern finden sich seltene Luther Drucke, Schriften der Gegenreformatoren, aber auch Lessing, Leibniz und Barockdichter. Teilweise liegen die Bücher schon digitalisiert vor, so dass sie bequem vom Rechner aus benutzt werden können. Doch Professor Wolfgang Schmitz legt ebenfalls wert auf den Erhalt der alten Bücher.

    "Bücher sind ja durchaus auch Gesamtkunstwerke. Das heißt, sie sind Zeugnisse der Geschichte. Sie sind mehr als das Digitalisat, sie sind mehr als der Text. Und wenn man sieht, dass da bestimmte Abbildungen drin sind, handschriftliche Notizen von ehemaligen Besitzern, die vielleicht namhaft gemacht werden können, ein wertvoller Einband mit Buchschmuck und so weiter, dann muss man natürlich sagen: Ein solcher Band lohnt sich zu restaurieren. Also wir gucken schon sehr genau hin, ob sich eine Restaurierung lohnt, oder auch nicht."

    Die alten Bücher werden viel genutzt. Im historischen Lesesaal der Universitätsbibliothek stehen sie jedem, der sich für sie interessiert, zur Verfügung. Die alten Werke des 15. bis 18. Jahrhunderts sind ein Interessengebiet von Forschern zur Geschichte, Literatur, Wirtschaft, Theologie und Philosophie der frühen Neuzeit. Bibliotheksassistentin Regine Boeff sieht sich im Gewissenskonflikt.

    "Wir haben das große Pech, dass unsere Bücher benutzt werden. Das ist auf der einen Seite auch wieder schön, aber es ist auf der anderen Seite so ähnlich, als wenn das ostasiatische Museum sein Teeservice aus der Ming Zeit zum Kaffee trinken fürs Wochenende zur Verfügung stellen würde."

    Die Folge: Durch die Nutzung werden die Einbände beschädigt. Die Gelenke gehen aus dem Leim, Buchrücken brechen. Doch Restaurierungen sind kostspielig und zeitaufwändig. 500 Euro müssen mindestens investiert werden. Die Universitätsbibliothek Köln arbeitet bei der Restaurierung mit der FH Köln und den dort ausgebildeten Restauratoren zusammen. Bert Jacek ist einer von ihnen. Er ist gelernter Buchbinder, hat in Köln sein Studium im Bereich Buch- und Grafik-Restaurierung absolviert, arbeitet heute freiberuflich und betreut an der FH die Studierenden. 500 Jahre Geschichte liegen vor ihm auf dem Tisch, verpackt in braunes Leder. Innen sehen Papier und Druckfarbe aus, als wären sie gestern erst entstanden. Worauf kommt es bei der Restaurierung an?

    "Mal ganz einfach gesagt, muss man die Materialien kennen des Buches und die Technologie des Buches und seine Restaurierungstechniken und dann kann man sich ran setzen und ein Buch restaurieren. Ich kann ein Buch aufschlagen und sehe, das ist wirklich hervorragend gebunden, oder das ist schlecht gebunden und drin schmökern, was an Typographie, an Initialen an Besonderheiten dabei ist, oder nach Wasserzeichen suchen, weil wenn man so ein Buch schon mal auseinander nimmt muss man eigentlich an Information so viel wie möglich raus sammeln dann."

    Die historische Einbandforschung ist eine Wissenschaft für sich. Aus ihr lassen sich neue Erkenntnisse ziehen. Verbindungen werden deutlich zwischen Verlegern und Druckern, zwischen Vorbesitzern und Klöstern. Regine Boeff sammelt die Informationen der historischen Einbände der Kölner Universitätsbibliothek und stellt sie in der digitalen Datenbank zur Verfügung. Für Bert Jacek das Bewusstsein für die Geschichte ein wichtiger Hintergrund seiner Arbeit.

    "Frau Boeff, die geht die in ihren Einbänden auf, wenn die einen in der Hand hat, der schön ist, dann strahlt die eine goldige Aura aus. Und ich bewundere das sehr, dass die dieses Fachwissen hat. Und dann muss ich natürlich sagen, das interessiert mich auch, finde ich auch super spannend. Auch was ich von ihr lerne, dass man da mit einer gewissen Ehrfurcht vor dem Buch auch sitzt und sagt, da musst du jetzt wirklich richtig gut arbeiten, dass sich nicht nur die Frau Boeff auch freut, sondern wenn das Buch auch ausgestellt wird, dass die Restaurierung auch wirklich überhaupt nicht ablenkt, von dem was dieser Buchdeckel eigentlich zeigen soll."

    Und so werden bei der Restaurierung die alten Arbeitsweisen übernommen. Jacek legt viel Wert auf die Verwendung authentischer Materialien, wie zum Beispiel ein spezielles Restaurierungsleder. Die Bücher sollen so aussehen, wie sie einmal waren. Dazu gehört auch, die Schließen wieder anzubringen, die die Bücher früher zusammen hielten und die heute häufig abgerissen sind.

    "Jetzt habe ich hier schon mal so ein par Rohlinge ohnehin ausgearbeitet, wo dann diese Formen draus gesägt werden, und das wird dann auch in der historischen Technik gemacht. Das wird dann erhitzt geglüht und dann wird das getrieben und dann noch patiniert, damit das natürlich auch so bisschen alt aussieht, so ein bisschen geschwärzt im Grunde genommen. Tja und dann hält das Buch auch wieder."

    Die Universität Köln investiert in die Erhaltung ihrer alten Bücher. Doch momentan ist kaum Geld für Restaurierungen da. Frau Boeff hat deshalb, ähnlich wie an anderen Bibliotheken, ein Buchpatenprojekt initiiert. Jeder kann jetzt für ein Buch, das dringend restauriert werden muss, spenden. Dabei erhält man genau Informationen über das Buch und den Restaurierungsvorgang. Regine Boeff hofft, dass so einige schwer beschädigte Bücher gerettet werden können.

    "Weil wir es einfach nicht mehr mit ansehen können, wie der Zustand der Bücher im Moment ist, und wie er sich leider auch verschlechtert, und im schlimmen Fall weiter entwickelt. Es muss unbedingt was getan werden, das Geld steht nicht zur Verfügung, ich denke es wäre schön, wenn alle mithelfen würden, dass auch den nächsten Generationen diese Bücher noch zur Verfügung stehen und tatsächlich benutzt werden können. Es ist unser aller kulturelles Erbe."