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Skandalmaler seiner Zeit

Bewundert wurde Edouard Manet zu seiner Zeit nur von den Malerkollegen - den Impressionisten, die ihn als Mentor sahen. Für das Publikum in den Pariser Salons galt er als Skandalmaler, der es wagte, anzügliche Themen auf die Leinwand zu bringen. Der Realismus seiner Bilder schockierte eine bürgerliche Gesellschaft, die an pompöse Historienmalerei gewöhnt war.

Von Björn Stüben | 30.04.2008
    18 Jahre alt ist Edouard Manet, als er sich 1850 bei Thomas Couture, einem der renommiertesten Salonmaler in Paris, als Schüler einschreibt. Eigentlich wollte der als Sohn eines hohen Justizbeamten und einer Diplomatentochter in Paris geborene Manet sein Leben als Seemann verbringen, doch nach einer Reise mit dem Schulschiff nach Rio de Janeiro lehnte die französische Marine seine Aufnahme in die Seemannsschule ab.

    Seine Entscheidung, Maler zu werden, wird in seinem großbürgerlichen Elternhaus mit wenig Begeisterung aufgenommen. Sechs Jahre lang schaut Manet Thomas Couture bei der Schaffung pompöser Historienmalerei über die Schulter. Konflikte mit seinem Meister sind an der Tagesordnung, denn für Manet sind ganz andere Themen in der Malerei darstellungswürdig: das moderne Leben in der Großstadt Paris und ihre Bewohner.

    Seine Malerei stößt auf wenig Gegenliebe bei der Jury des offiziellen Kunstsalons, bei dem auch er seine Bilder einreicht. Gesellschaftliche Anerkennung als Maler bedeutet Manet viel, doch seine Werke werden abgelehnt. Sein Jugendfreund Antonin Proust skizziert ein Bild von Manet:

    "[Er war] von mittlerer Größe, ziemlich muskulös. So sehr er sich auch bemühte, den lässigen Tonfall der Pariser Straßenjungen anzunehmen, konnte er einfach nicht vulgär sein. Man merkte ihm seine Herkunft an. Unter einer breiten Stirn zog die Nase frei ihre Gerade. Die Augen waren klein, aber von großer Beweglichkeit […] Wenige Männer sind derart anziehend gewesen."

    Kaiser Napoleon III. besucht den alljährlich in Paris stattfindenden Salon auch im Jahr 1863. Auf seine Initiative hin wird jetzt noch ein zweiter Salon eröffnet, in dem die von der Jury abgelehnten Werke zu sehen sind.
    In diesem "Salon des Réfusés" ist Manets großformatiges Bild "Frühstück im Freien" zu sehen, das eine nackte junge Frau beim gemütlichen Picknick auf einer Waldlichtung in Gegenwart zweier völlig bekleideter und ins Gespräch vertiefter junger Herren zeigt. Der Malerkollege Jean-Charles Cazin erinnert sich:

    "Nur ein Drehkreuz trennte die eine Ausstellung von der anderen. Wie bei Madame Tussaud in London konnte man in das Gruselkabinett hinübergehen. Die Leute erwarteten sich einen Mordsspaß, und den hatten sie auch, als sie durch die Tür traten. Manet, im hintersten Saal, hatte mit seinem 'Frühstück im Freien' eine durchschlagende Wirkung."

    Manets Bild wirkt offenbar erheiternd, aber vor allem auch anstößig auf das Salonpublikum, denn die junge Frau sucht schamlos den Blickkontakt mit dem Betrachter. Den Kritikern ist völlig klar, dass Manet hier den weitläufigen Pariser Park "Bois de Boulogne" als Marktplatz der käuflichen Liebe darstellt.

    Manets Bekenntnis, er habe sich bei der Komposition an Tizians "Ländlichem Konzert" von 1510 orientiert, findet keine Beachtung. Eines ist Manet mit seinem Bild zumindest gelungen: einen Skandalerfolg zu erzielen, der das Publikum auf ihn aufmerksam macht.

    "Manet wird Talent beweisen, wenn er einmal Zeichnung und Perspektive lernt, und Geschmack, wenn er einmal aufhört, seine Sujets um des Skandals willen zu wählen […] Wir können es nicht gerade ein keusches Unternehmen nennen, zwischen Studenten in Kappe und Rock ein weibliches Wesen unter die Bäume zu setzen, das nur in Laubschatten gekleidet ist. […] Monsieur Manet möchte dadurch Berühmtheit erlangen, dass er den Bürger schreckt […] Sein Geschmack ist durch seine Vernarrtheit ins Bizarre verdorben",

    schreibt ein Kritiker. 1867 richtet der Maler sich abseits des offiziellen Salons einen eigenen Pavillon ein und zeigt hier 50 seiner Werke. Da finanziell unabhängig, kann Manet jetzt auch eine Gruppe junger Künstler materiell und ideell unterstützen: die Impressionisten.

    Er wohnt ihren Treffen bei, breitet seine Kunsttheorie in Diskussionen aus und wird bald als ihr Meister betrachtet, auch wenn er nicht wie sie unter freiem Himmel, sondern im Atelier malt. Gemeinsam mit ihnen auszustellen, lehnt er allerdings ab. Dennoch ermutigt er junge Maler, ihren eigenen Weg zu gehen.

    "Kürze ist in der Kunst eine Notwendigkeit und eine Frage der Eleganz. […] Achten Sie bei einer Figur auf das volle Licht und den vollen Schatten, der Rest wird von selbst kommen. […] Und dann, kultivieren Sie Ihr Gedächtnis, denn die Natur wird Ihnen nie etwas anderes geben als ausschließlich Informationen. [Das Gedächtnis] ist gleichsam ein Geländer, das Sie davor bewahrt, in Banalitäten zu verfallen. Sie müssen jederzeit der Meister bleiben und tun, was Ihnen Spaß macht."

    An dieses Credo hat sich Manet zeitlebens gehalten, auch wenn ihm hierdurch die Anerkennung als Künstler im offiziellen Kunstbetrieb seinerzeit verwehrt blieb. Manet stirbt im Alter von 51 Jahren am 30. April 1883 in Paris.