Ein Mann geht übers Eis. Der See ist zugefroren, seine Oberfläche schneeverkrustet. Der Mann trägt einen Rucksack und einen großen Handbohrer. Etwa hundert Meter vom Ufer hält er an und beginnt, ein Loch ins Eis zu bohren. "Ein schöner frostiger Tag", sagt der Mann. Die Sonne würde scheinen. Er müsse wohl vierzig oder fünfzig Zentimeter tief bohren, um hier angeln zu können - Barsche vor allem, und Hechte. Nach einem halben Meter hat er es geschafft. Jetzt kann der Eisangler loslegen - inmitten einer fast grenzenlos weiten Landschaft, wo absolute Stille herrscht.
Nur ein paar Kilometer weiter ist die Ruhe dahin. Man denkt spontan an die Alpen, ans Tiroler Kitzsteinhorn oder an den "Gipfel für Ausgeschlafene" in Ischgl, bekannt als Treffpunkt vor allem für junge Pistenfreaks. Doch hier in Finnisch-Lappland, im Wintersport-Zentrum von Levi, wo nur ein - wenn auch gewaltiger - Berg alpines Skivergnügen möglich macht - er ragt einsam aus der hügeligen Schneelandschaft - tummeln sich vergleichsweise wenige Abfahrtsläufer und Snowboarder. Mit den Skizentren in Österreich hat das nordische Levi allenfalls die Musikkulisse gemein.
Flächenmäßig ist Finnisch-Lappland noch größer als Österreich. Und diese dünn besiedelte arktische Region, in der nur 200.000 Menschen leben, hat gegenüber den Alpen ein großes Plus: Skiwandern und Skifahren erlebt man hier noch völlig ohne Stress. Zitat aus einem Finnland-Reisekatalog:
"Der Urlauber wird überrascht sein von der Weite des Landes, in dem noch Platz ist. Von Gedränge und hektischer Betriebsamkeit, wie man es teilweise von Loipen in Mitteleuropa kennt, ist nichts zu spüren."
Mit anderen Worten: Man hat die schnee- und eisbedeckte Natur so gut wie für sich allein.
"Hello, we are here in Levi, a ski resort located at 1000 km from Helsinki und 600 km from here to the Nordkap.”"
170 Kilometer nördlich vom Polarkreis begrüßt uns Rosamaria, eine Spanierin, die in Levi während der Wintersaison als Gästebetreuerin arbeitet. Viele Ausländer, die den Ort wegen seiner Lage und der guten Wintersportmöglichkeiten schätzen, bringen internationales Flair nach Levi. Und so gilt die kleine 800-Einwohner-Gemeinde mit ihren 21.000 Betten und hunderten Chalets im Blockbaustil am Fuß des Levi-Tunturi - "tunturi" bedeutet Berg - in Finnisch-Lappland als Top-Ferienziel.
Auch Popsängerin Madonna hat es schon hierher gezogen, und der amerikanische Immobilien-Mogul Donald Trump plant, kräftig in südhaft teure Unterkünfte zu investieren. Hotelketten wie Four Seasons, Hyatt und Kempinski zeigen ebenfalls für Levi Interesse.
""Wir können uns, was die Höhe unseres Berges betrifft, nicht mit den Alpen vergleichen”,"
sagt Jussi Töyrylä, Levis Touristchef.
""Aber worin wir stark sind, das ist die exotische Lappland-Atmosphäre. Unsere Skisaion dauert 200 Tage. Sie beginnt gewöhnlich Mitte Oktober und endet im Mai. Wo findet man das schon, falls der Klimawandel anhalten sollte. Wir sind nicht allein nur ein Ski-Resort. Sie können hier praktisch alles machen, was im Schnee möglich ist: Safaris mit Rentieren, mit Huskys oder dem Motorschlitten. Wir bieten nicht nur das Skifahren an."
Für ganz Wagemutige wird sportliches Tauchen unter der Eisdecke eines Sees angeboten, und im Frühjahr kann man Paragliding machen oder im Heißluftballon über den Levi-Tunturi schweben. Außerdem werden Kochkurse in der Wildnis veranstaltet sowie zünftige Weinproben. Wer sich zu den Prominenten zählt, darf, anders als in Davos, St. Moritz, Kitzbühl oder Chamonix, mit absoluter Diskretion der Einheimischen rechnen.
Jussi Töyrylä: "Bekannte Personen werden in Levi nicht in ihrer Privatsphäre beeinträchtigt."
Der Hausberg von Levi ist zwar nur 531 Meter hoch, aber um ihn einmal zu umrunden, muss man immerhin 18 Kilometer zurücklegen. Die längste Abfahrtspiste geht über 2.500 Meter - 45 gibt es insgesamt, verbunden durch Shuttle-Busse, die kostenlos zu benutzen sind -, und ein Drittel wird täglich mit Schneekanonen neu präpariert. Kommentar eines aus Hamburg angereisten, jungen Skifahrers, der die Alpen gut kennt:
"Vom Technischen her muss man sagen, dass die Ausstattung teilweise wesentlich besser ist, teilweise nicht so gut. Man hat zum Beispiel noch sehr viele Schlepplifte. Dafür sind die Pisten sehr gut präpariert, auch durchgehend - also am Tag wird dann noch mal nachpräpariert. Also, man hat die Piste eigentlich für sich allein, sehr schön."
Eine Holländerin vergleicht Levi mit Skigebieten in den Alpen. Dort gebe es mehr Schnee. In Frankreich seien die Pisten abwechslungsreicher, hier schaffe man sie in einem Tag. Und ein Skifreak aus Dänemark meint:
"Man kann sehr schnell abfahren, und es ist nicht schwierig."
Aber dafür ist es kalt, sehr kalt sogar. Jedenfalls in den Monaten Februar bis April, zur Hochsaison, wenn das Thermometer auf minus 20 oder gar 30 Grad fällt. Man muss sich schon sehr warm anziehen, um diese arktische Kälte aushalten zu können. Kleiner Trost: Sie ist viel trockener als anderswo. Als Kopfbedeckung tragen viele Finnen einen "pipo" - eine wärmende Strickmütze.
Rosamaria, unsere Begleiterin, preist die Qualität des Pulverschnees. Er sei so trocken, dass sich daraus keine Schneebälle formen liessen.
Ski-Langläufer finden in dieser Gegend ihr Paradies: Wenn sie auf dem 230 Kilometer langen und weit verzweigten Loipennetz den wie ein weißes Ungetüm in den Himmel ragenden Levi-Tunturi hinter sich lassen, spuren sie, häufig beleitet von blauem Himmel und Sonnenschein, vorbei an Tannen und Fichten, die vom Schnee wie mit Zuckergruss überzogen sind, inmitten einer relativ flachen, weißgepuderten, glitzernden Schneelandschaft - und erleben dabei lappländische Winterromantik pur, so kitschig das auch klingen mag.
Auf Fahrten mit dem Rentierschlitten gewinnt man ebenso unvergessliche Eindrücke, die sich bleibend einprägen. Eine weitgereiste Frau aus London, für einige Tage mit ihren Kindern in Levi, äussert sich begeistert.
"Es war einfach toll, viel echter und weniger kommerziell als in Alaska: unglaublich diese Fahrt durch den Wald, durch das Nichts. Als wir gefragt wurden, ob die Fahrt noch einen Kilometer länger dauern sollte, hat mein Sohn natürlich ja gesagt."
Doch bei allem Enthusiasmus: Viele Menschen können sich nur schwer vorstellen, nördlich vom Polarkreis Winterferien zu verbringen. Eine Hotelmangerin aus Helsinki, Finnin und passionierte Skiläuferin, sieht das weniger problematisch:
Aus der Kälte und dem Schnee müsse man eben das Beste machen - das, wozu man in dieser Gegend Lust verspüren würde. Der dunkle und kalte Winter sei viel besser als sein Ruf.
Dicke Overalls und Decken aus Fell sorgen dafür, dass es während der Schlittenfahrten nicht zu kalt wird. Die Gespannne werden dort bereit gehalten, wo man sie mieten kann: auf Rentierfarmen. Und die dürften ihren Besuchern wie Oasen der Erholung in Erinnerung bleiben - so wohltuend wirkt nach einem Ausflug die Atmosphäre in den kuschelig warmen Räumen.
Erja Kenttälä erzählt von ihrer Farm, die irgendwo im Wald versteckt bei Levi liegt. Seit gut zehn Jahren würde sie gemeinsam mit ihrem Mann, der sich um die Tiere kümmert, den ehemaligen Hof als touristischen Betrieb führen. In den Gebäuden seien drei Gaststätten untergebracht, und es gebe eine traditionelle Rauchsauna. Weil Rauchsaunas keinen Abzug durch ein Ofenrohr nach draußen haben, ist es dort heißer als in einer gewöhnlichen.
Zum touristischen Angebot auf dieser Rentierfarm gehört auch die sämische Folklore. Beim Joik-Gesang, weltweit bekannt spätestens seit den Olympischen Winterspielen 1994 im norwegischen Lillehammer, treten Sänger und Trommler in einer Person auf. Die Lieder, vorgetragen in meist eintöniger Lautmalerei, erzählen vom Alltag in der Polarregion, aber auch von der Befindlichkeit des Interpreten.
Wer übrigens glaubt, dass alle siebentausend in Finnisch-Lappland lebenden Samen nur Rentierherden hüten und in Zelten hausen, der irrt: Es sind gerade mal zehn Prozent, die noch als Nomaden leben. Die Mehrzahl arbeitet im Fremdenverkehr. Als Ureinwohner dieser Region fallen die Samen im öffentlichn Leben kaum auf. Und doch sind sie Hotel- und Restaurantbesitzer, führen Supermärkte und Geschäfte oder verdienen ihr Auskommen als Skilehrer und als Angestellte im Lift-Betrieb. Nuccio Mazzullo, ein Italiener, der in Levi lebt und sich als Anthropologe mit den Samen beschäftigt, meint:
"Sie nehmen voll am Leben in Levi teil. Wer jedoch mehr über ihre Kultur erfahren möchte, muss ihre Dörfer besuchen. Dort tragen sie an Sonntagen oder bei Hochzeiten ihre Lappentracht, die 'gátki' - darunter aber wahrscheinlich italienische Markenpullover."
Zwar sind die finnischen Samen auch finnische Staatsbürger, doch als ethnische Minderheit fällt es ihnen schwer, sich gleichberechtigt zu fühlen und von der Bevölkerung anerkannt zu werden. Da geht es ihnen kaum anders als den Indianerstämmen im riesigen Kanada.
Den Lärm verursachen PS-starke Motorschlitten, die es auf Spitzengeschwindigkeiten von mehr als einhundert Stundenkilometer bringen. Als Transportmittel in unwegsamen Gelände sind sie unentbehrlich. Aber ob sie auch unbedingt zum Freizeitvergnügen von aktivitätshungrigen Touristen gehören müssen, bleibt eine offene Frage. Knapp vierhundert dieser Kufenfahrzeuge mit Raupenantrieb stehen in Levi und Umgebung zum Anmieten bereit.
"Also, ich bin hier Führer für Motorschlitten-Safaris, und da gibts verschiedene Möglichkeiten, diese Safaris durchzuführen: Es fängt an mit einer kleinen Motorschlitten-Tour um das Zentrum von Levi herum. Und dann kann man die natürlich noch ausweiten auf Tagestouren oder mehrtägige Touren, die sich dann im Extremfall bis ans Eismeer erstrecken."
Thomas Mueller aus Hessen, der solche Touren veranstaltet, hat es vor einigen Jahren nach Levi verschlagen. Das Safari-Unternehmen betreibt er zusammen mit einem finnischen Partner. Hilka, seine Frau, arbeitet ebenfalls in der kleinen Firma mit:
"Ich denke, dass die Deutschen Angst vor der Kälte haben. Außerdem sind die Preise in Finnland sehr hoch. Doch wenn sie einmal hier gewesen sind - die wenigen, die kommen -, dann sind sie total begeistert und würden noch mal hierherkommen."
Ein Rentner aus dem Ruhrgebiet, der jeden Winter einige Wochen in Levi verbringt, gibt jedoch zu bedenken:
"Es ist schwierig, in Levi Bekanntschaften zu machen, weil die Sprache ein wesentliches Hindernis ist. Es gibt auch nicht die Möglichkeiten im Vergleich zu den Alpen: Hier sind weniger Schnee- und Skihütten, in denen man mal zusammensitzen kann und wo es auch Budenzauber gibt."
Budenzauber? Den gibts in Levi nur als magere Variante des Alpen-Après-Ski in den wenigen Diskotheken des Ortes. Dort aber wird zumindest ebensoviel Alkohol konsumiert, wenn nicht sogar mehr. Die meisten Nachtschwärmer zieht es ins "hullu poro", frei übersetzt "verruecktes Rentier". In diesem Nachtlokal versucht sich mancher Besucher, benebelt vom Bier oder teuren Mix-Getränken, in einer besonders beliebten finnischen Sportart, dem Karaoke-Singen.
Am nächsten Morgen bekommen die nur mäßig Ausgenüchterten das zu spüren, was zu Beginn des Frühjahres den arktischen Teil Finnisch-Lapplands von den Alpen maßgeblich unterscheidet: die empfindlich kalten Temperaturen. Dazu meint Pekka Turpeinen, einer der fünfzig Skilehrer von Levi, in sehr passablem Deutsch:
"In dieser Zeit ist es normalerweise kalt, aber nächsten Monat wird es schon wärmer, so minus 23 Grad. (Lacht). Aber es wird besser, der Frühling kommt, und der Tag wird länger und länger, und dann haben wir schöne Tage hier in Lappland."
Dann ist Skifahren beinahe rund um die Uhr möglich, denn im Frühling bleibt es bis zu 19 Stunden hell im Land der Mitternachtssonne nördlich vom Polarkreis.
Nur ein paar Kilometer weiter ist die Ruhe dahin. Man denkt spontan an die Alpen, ans Tiroler Kitzsteinhorn oder an den "Gipfel für Ausgeschlafene" in Ischgl, bekannt als Treffpunkt vor allem für junge Pistenfreaks. Doch hier in Finnisch-Lappland, im Wintersport-Zentrum von Levi, wo nur ein - wenn auch gewaltiger - Berg alpines Skivergnügen möglich macht - er ragt einsam aus der hügeligen Schneelandschaft - tummeln sich vergleichsweise wenige Abfahrtsläufer und Snowboarder. Mit den Skizentren in Österreich hat das nordische Levi allenfalls die Musikkulisse gemein.
Flächenmäßig ist Finnisch-Lappland noch größer als Österreich. Und diese dünn besiedelte arktische Region, in der nur 200.000 Menschen leben, hat gegenüber den Alpen ein großes Plus: Skiwandern und Skifahren erlebt man hier noch völlig ohne Stress. Zitat aus einem Finnland-Reisekatalog:
"Der Urlauber wird überrascht sein von der Weite des Landes, in dem noch Platz ist. Von Gedränge und hektischer Betriebsamkeit, wie man es teilweise von Loipen in Mitteleuropa kennt, ist nichts zu spüren."
Mit anderen Worten: Man hat die schnee- und eisbedeckte Natur so gut wie für sich allein.
"Hello, we are here in Levi, a ski resort located at 1000 km from Helsinki und 600 km from here to the Nordkap.”"
170 Kilometer nördlich vom Polarkreis begrüßt uns Rosamaria, eine Spanierin, die in Levi während der Wintersaison als Gästebetreuerin arbeitet. Viele Ausländer, die den Ort wegen seiner Lage und der guten Wintersportmöglichkeiten schätzen, bringen internationales Flair nach Levi. Und so gilt die kleine 800-Einwohner-Gemeinde mit ihren 21.000 Betten und hunderten Chalets im Blockbaustil am Fuß des Levi-Tunturi - "tunturi" bedeutet Berg - in Finnisch-Lappland als Top-Ferienziel.
Auch Popsängerin Madonna hat es schon hierher gezogen, und der amerikanische Immobilien-Mogul Donald Trump plant, kräftig in südhaft teure Unterkünfte zu investieren. Hotelketten wie Four Seasons, Hyatt und Kempinski zeigen ebenfalls für Levi Interesse.
""Wir können uns, was die Höhe unseres Berges betrifft, nicht mit den Alpen vergleichen”,"
sagt Jussi Töyrylä, Levis Touristchef.
""Aber worin wir stark sind, das ist die exotische Lappland-Atmosphäre. Unsere Skisaion dauert 200 Tage. Sie beginnt gewöhnlich Mitte Oktober und endet im Mai. Wo findet man das schon, falls der Klimawandel anhalten sollte. Wir sind nicht allein nur ein Ski-Resort. Sie können hier praktisch alles machen, was im Schnee möglich ist: Safaris mit Rentieren, mit Huskys oder dem Motorschlitten. Wir bieten nicht nur das Skifahren an."
Für ganz Wagemutige wird sportliches Tauchen unter der Eisdecke eines Sees angeboten, und im Frühjahr kann man Paragliding machen oder im Heißluftballon über den Levi-Tunturi schweben. Außerdem werden Kochkurse in der Wildnis veranstaltet sowie zünftige Weinproben. Wer sich zu den Prominenten zählt, darf, anders als in Davos, St. Moritz, Kitzbühl oder Chamonix, mit absoluter Diskretion der Einheimischen rechnen.
Jussi Töyrylä: "Bekannte Personen werden in Levi nicht in ihrer Privatsphäre beeinträchtigt."
Der Hausberg von Levi ist zwar nur 531 Meter hoch, aber um ihn einmal zu umrunden, muss man immerhin 18 Kilometer zurücklegen. Die längste Abfahrtspiste geht über 2.500 Meter - 45 gibt es insgesamt, verbunden durch Shuttle-Busse, die kostenlos zu benutzen sind -, und ein Drittel wird täglich mit Schneekanonen neu präpariert. Kommentar eines aus Hamburg angereisten, jungen Skifahrers, der die Alpen gut kennt:
"Vom Technischen her muss man sagen, dass die Ausstattung teilweise wesentlich besser ist, teilweise nicht so gut. Man hat zum Beispiel noch sehr viele Schlepplifte. Dafür sind die Pisten sehr gut präpariert, auch durchgehend - also am Tag wird dann noch mal nachpräpariert. Also, man hat die Piste eigentlich für sich allein, sehr schön."
Eine Holländerin vergleicht Levi mit Skigebieten in den Alpen. Dort gebe es mehr Schnee. In Frankreich seien die Pisten abwechslungsreicher, hier schaffe man sie in einem Tag. Und ein Skifreak aus Dänemark meint:
"Man kann sehr schnell abfahren, und es ist nicht schwierig."
Aber dafür ist es kalt, sehr kalt sogar. Jedenfalls in den Monaten Februar bis April, zur Hochsaison, wenn das Thermometer auf minus 20 oder gar 30 Grad fällt. Man muss sich schon sehr warm anziehen, um diese arktische Kälte aushalten zu können. Kleiner Trost: Sie ist viel trockener als anderswo. Als Kopfbedeckung tragen viele Finnen einen "pipo" - eine wärmende Strickmütze.
Rosamaria, unsere Begleiterin, preist die Qualität des Pulverschnees. Er sei so trocken, dass sich daraus keine Schneebälle formen liessen.
Ski-Langläufer finden in dieser Gegend ihr Paradies: Wenn sie auf dem 230 Kilometer langen und weit verzweigten Loipennetz den wie ein weißes Ungetüm in den Himmel ragenden Levi-Tunturi hinter sich lassen, spuren sie, häufig beleitet von blauem Himmel und Sonnenschein, vorbei an Tannen und Fichten, die vom Schnee wie mit Zuckergruss überzogen sind, inmitten einer relativ flachen, weißgepuderten, glitzernden Schneelandschaft - und erleben dabei lappländische Winterromantik pur, so kitschig das auch klingen mag.
Auf Fahrten mit dem Rentierschlitten gewinnt man ebenso unvergessliche Eindrücke, die sich bleibend einprägen. Eine weitgereiste Frau aus London, für einige Tage mit ihren Kindern in Levi, äussert sich begeistert.
"Es war einfach toll, viel echter und weniger kommerziell als in Alaska: unglaublich diese Fahrt durch den Wald, durch das Nichts. Als wir gefragt wurden, ob die Fahrt noch einen Kilometer länger dauern sollte, hat mein Sohn natürlich ja gesagt."
Doch bei allem Enthusiasmus: Viele Menschen können sich nur schwer vorstellen, nördlich vom Polarkreis Winterferien zu verbringen. Eine Hotelmangerin aus Helsinki, Finnin und passionierte Skiläuferin, sieht das weniger problematisch:
Aus der Kälte und dem Schnee müsse man eben das Beste machen - das, wozu man in dieser Gegend Lust verspüren würde. Der dunkle und kalte Winter sei viel besser als sein Ruf.
Dicke Overalls und Decken aus Fell sorgen dafür, dass es während der Schlittenfahrten nicht zu kalt wird. Die Gespannne werden dort bereit gehalten, wo man sie mieten kann: auf Rentierfarmen. Und die dürften ihren Besuchern wie Oasen der Erholung in Erinnerung bleiben - so wohltuend wirkt nach einem Ausflug die Atmosphäre in den kuschelig warmen Räumen.
Erja Kenttälä erzählt von ihrer Farm, die irgendwo im Wald versteckt bei Levi liegt. Seit gut zehn Jahren würde sie gemeinsam mit ihrem Mann, der sich um die Tiere kümmert, den ehemaligen Hof als touristischen Betrieb führen. In den Gebäuden seien drei Gaststätten untergebracht, und es gebe eine traditionelle Rauchsauna. Weil Rauchsaunas keinen Abzug durch ein Ofenrohr nach draußen haben, ist es dort heißer als in einer gewöhnlichen.
Zum touristischen Angebot auf dieser Rentierfarm gehört auch die sämische Folklore. Beim Joik-Gesang, weltweit bekannt spätestens seit den Olympischen Winterspielen 1994 im norwegischen Lillehammer, treten Sänger und Trommler in einer Person auf. Die Lieder, vorgetragen in meist eintöniger Lautmalerei, erzählen vom Alltag in der Polarregion, aber auch von der Befindlichkeit des Interpreten.
Wer übrigens glaubt, dass alle siebentausend in Finnisch-Lappland lebenden Samen nur Rentierherden hüten und in Zelten hausen, der irrt: Es sind gerade mal zehn Prozent, die noch als Nomaden leben. Die Mehrzahl arbeitet im Fremdenverkehr. Als Ureinwohner dieser Region fallen die Samen im öffentlichn Leben kaum auf. Und doch sind sie Hotel- und Restaurantbesitzer, führen Supermärkte und Geschäfte oder verdienen ihr Auskommen als Skilehrer und als Angestellte im Lift-Betrieb. Nuccio Mazzullo, ein Italiener, der in Levi lebt und sich als Anthropologe mit den Samen beschäftigt, meint:
"Sie nehmen voll am Leben in Levi teil. Wer jedoch mehr über ihre Kultur erfahren möchte, muss ihre Dörfer besuchen. Dort tragen sie an Sonntagen oder bei Hochzeiten ihre Lappentracht, die 'gátki' - darunter aber wahrscheinlich italienische Markenpullover."
Zwar sind die finnischen Samen auch finnische Staatsbürger, doch als ethnische Minderheit fällt es ihnen schwer, sich gleichberechtigt zu fühlen und von der Bevölkerung anerkannt zu werden. Da geht es ihnen kaum anders als den Indianerstämmen im riesigen Kanada.
Den Lärm verursachen PS-starke Motorschlitten, die es auf Spitzengeschwindigkeiten von mehr als einhundert Stundenkilometer bringen. Als Transportmittel in unwegsamen Gelände sind sie unentbehrlich. Aber ob sie auch unbedingt zum Freizeitvergnügen von aktivitätshungrigen Touristen gehören müssen, bleibt eine offene Frage. Knapp vierhundert dieser Kufenfahrzeuge mit Raupenantrieb stehen in Levi und Umgebung zum Anmieten bereit.
"Also, ich bin hier Führer für Motorschlitten-Safaris, und da gibts verschiedene Möglichkeiten, diese Safaris durchzuführen: Es fängt an mit einer kleinen Motorschlitten-Tour um das Zentrum von Levi herum. Und dann kann man die natürlich noch ausweiten auf Tagestouren oder mehrtägige Touren, die sich dann im Extremfall bis ans Eismeer erstrecken."
Thomas Mueller aus Hessen, der solche Touren veranstaltet, hat es vor einigen Jahren nach Levi verschlagen. Das Safari-Unternehmen betreibt er zusammen mit einem finnischen Partner. Hilka, seine Frau, arbeitet ebenfalls in der kleinen Firma mit:
"Ich denke, dass die Deutschen Angst vor der Kälte haben. Außerdem sind die Preise in Finnland sehr hoch. Doch wenn sie einmal hier gewesen sind - die wenigen, die kommen -, dann sind sie total begeistert und würden noch mal hierherkommen."
Ein Rentner aus dem Ruhrgebiet, der jeden Winter einige Wochen in Levi verbringt, gibt jedoch zu bedenken:
"Es ist schwierig, in Levi Bekanntschaften zu machen, weil die Sprache ein wesentliches Hindernis ist. Es gibt auch nicht die Möglichkeiten im Vergleich zu den Alpen: Hier sind weniger Schnee- und Skihütten, in denen man mal zusammensitzen kann und wo es auch Budenzauber gibt."
Budenzauber? Den gibts in Levi nur als magere Variante des Alpen-Après-Ski in den wenigen Diskotheken des Ortes. Dort aber wird zumindest ebensoviel Alkohol konsumiert, wenn nicht sogar mehr. Die meisten Nachtschwärmer zieht es ins "hullu poro", frei übersetzt "verruecktes Rentier". In diesem Nachtlokal versucht sich mancher Besucher, benebelt vom Bier oder teuren Mix-Getränken, in einer besonders beliebten finnischen Sportart, dem Karaoke-Singen.
Am nächsten Morgen bekommen die nur mäßig Ausgenüchterten das zu spüren, was zu Beginn des Frühjahres den arktischen Teil Finnisch-Lapplands von den Alpen maßgeblich unterscheidet: die empfindlich kalten Temperaturen. Dazu meint Pekka Turpeinen, einer der fünfzig Skilehrer von Levi, in sehr passablem Deutsch:
"In dieser Zeit ist es normalerweise kalt, aber nächsten Monat wird es schon wärmer, so minus 23 Grad. (Lacht). Aber es wird besser, der Frühling kommt, und der Tag wird länger und länger, und dann haben wir schöne Tage hier in Lappland."
Dann ist Skifahren beinahe rund um die Uhr möglich, denn im Frühling bleibt es bis zu 19 Stunden hell im Land der Mitternachtssonne nördlich vom Polarkreis.