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Smog im Vorzeigeviertel

Die Hafencity ist das Prestigeprojekt der Hamburger Stadtplaner. In direkter Nachbarschaft zur alten Speicherstadt entstehen hier Wohn- und Bürokomplexe direkt am Wasser. Schon heute machen hier auch die riesigen Kreuzfahrtschiffe fest. Doch die Schiffe verbrauchen Strom und verschmutzen die Luft im neuen Vorzeigeviertel: Schon jetzt sind die vorgeschriebenen Grenzwerte überschritten.

Von Axel Schröder |
    Noch ist viel Platz am Rand der Hafencity, aber die ersten Bagger rollen schon. In zwei Jahren will die deutsche Unilever-Zentrale an die Wasserkante ziehen. Der Lebensmittel-Multi baut in bester Lage. Pressesprecherin Katja Präfke zeigt auf die große Wandkarte, aufs Gebäudemodell.

    "Man kann hier deutlich sehen, dass wir in die Hafencity ziehen. Und zwar in der Hafencity ganz vorn an den Fluss, an die Elbe. Und das nennt sich: der "Strandkai". Wir sind in vorderster Reihe der Kreuzfahrtsschiffe. Wir sehen sie direkt."

    Und riechen können die Unilever-Angestellten die Schiffe dann auch: An 180 Tagen pro Jahr liegen Luxusliner an den zwei Liegeplätzen am Strandkai. Nach Angaben der Hafencity GmbH, zuständig für Vermarktung und Marketing des neuen Stadtquartiers, sollen allein 2007 90 Schiffe anlegen, mit über 140.000 Passagieren, Tendenz steigend. Beim An- und Ablegen stoßen die Maschinen besonders viele Schadstoffe aus, aber auch am Ankerplatz laufen die dieselbetriebenen Hilfsmotoren der Luxusliner. 24 Stunden pro Tag. Schließlich wollen die Passagiere wohl temperierte Swimmingpools über und unter Deck genießen, durch großzügige Shopping Malls schlendern, Restaurants und Bars besuchen. Und das Schlittschuhlaufen auf der Eislaufbahn im Schiffsbauch. Auch das gibt es schon.

    "Ich weiß, dass das ein Strombedarf ist, der an eine Kleinstadt rangeht. Von geschätzten sieben bis zehntausend Einwohnern. Es ist Schwefeldioxid vor allem. Und Stickoxide. Und ansonsten ist es einfach Feinstaub und Ruß, der da in die Luft geht. "

    Volker Dumann, von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt in Hamburg. - Den Schadstoff-Ausstoß der Kreuzfahrtriesen untersucht hat das auf Immissionsschutz spezialisierte Gutachterbüro Lohmeyer aus Radebeul. Ergebnis: der Schwefeldioxid- und Stickoxidausstoß überschreitet die Grenzwerte der 22. Bundesimmissionsschutzverordnung. Die Verordnung legt Grenzwerte für die Luftschadstoffbelastung fest. Und am Strandkai, so die Gutachter, sei die Luft zeitweise so verschmutzt wie in direkter Nachbarschaft zu einem Kohlekraftwerk aus den Siebziger Jahren. - Auf der Suche nach einer Lösung für den Smog der Kreuzfahrtschiffe setzt die Stadt auf die EU: Am 11. August tritt eine Richtlinie in Kraft, die umweltverträglichere Kraftstoffe im Schiffsverkehr vorschreibt.

    "Und dadurch ist vorgeschrieben, dass sich der Anteil von Schwefel am Schiffskraftstoff von bisher 4,5 auf 1,5 Prozent runter bewegt. Wenn diese Schiffe ab August hier anlegen, müssen die mindestens im Hafen diesen saubereren Treibstoff verwenden."

    Überschritten werden die Grenzwerte in der Hafencity aber auch in acht Jahren noch, schreiben die Gutachter in ihrer Prognose für 2015. - Unilever hat bereits Vorkehrungen getroffen. Katja Präfke erklärt die geplante Büroturm-Belüftung.

    "Wir werden Frischluftzufuhr in das Gebäude bringen. Das heißt: Auch an warmen Tagen, wenn man dann, weil ein Kreuzfahrtschiff vor der Tür steht, das Fenster schließen möchte. Dass man dann trotzdem frische Luft in das Gebäude hinein bekommt."

    Geplant ist ein zentraler Luftschacht an der Seite. Ausgestattet mit Mess- und Filtertechnik. - Lösung Nummer zwei für das Smog-Problem: Eine Landstromanlage. Sie soll die Schiffe von Land aus mit Strom versorgen, die Dieselmotoren könnten dann abgeschaltet werden. Diese Lösung favorisiert der BUND: schließlich könnten sich nicht alle Hafencity-Bewohner eine teure Belüftungsanlage leisten und so könnten nach und nach auch Containerschiffe mit immissionsarmem Strom versorgt werden, so Paul Schmid von der Umweltschutzorganisation. Aber die Errichtung der komplexen Anlagen berge technische Probleme, sagt Volker Dumann: Einheitliche Steckersysteme für die verschiedenen Schiffstypen gebe es noch nicht und die tonnenschweren Transformatoren, durch die der Strom an Bord fließen soll, müssten beweglich sein. Je nach Schiffslänge müssten sie auf Schienen am Kai verschoben werden. Und noch ein anderes Problem käme hinzu:
    "Eine Landstromanlage im Hafen ist schwierig, weil, um die betreiben zu können, müsste man ein weiteres Kraftwerk bauen. Zwar auch nur ein kleines, aber ein Kraftwerk! Das wiederum Emissionen hat. Und das ist ein Problem, bei der derzeitigen Klimaschutzdebatte sowieso."

    Und bezahlen müsste den Kraftwerksbau die Stadt. - Zunächst will der Hamburger Senat abwarten und hofft auf eine Verbesserung der Luftqualität durch die schwefelarmen Kraftstoffe. Und außerdem, so Volker Dumann, ist schon eine nächste, noch schärfere Richtlinie verabschiedet. Danach darf Schiffsdiesel ab 2010 nur noch ein Zehntel der derzeit erlaubten Schwefelmenge enthalten.