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"... so schön habe ich ihn noch nie gesehen!"

Die Isländersagas sind Weltkulturgut, eine literarische Perle, verfasst im 13. und 14. Jahrhundert von anonymen Dichtern. Die Hauptpersonen der Sagas gab es meistens wirklich, ihre Geschichten sind jedoch nicht überliefert.

Von Jessica Sturmberg |
    Gedicht von Steinunn Sigurðardóttir:

    "... und niemand weiß, woher der Wind in dieser Stadt bläst,
    er bläst nicht vom Meer oder vom Gebirge,
    er saugt und schraubt sich in Spiralen auf und nieder,
    Wind aus der Erde und Wind von oben."


    Wenn man in Island von Traumwetter spricht, ist damit nicht allein strahlend blauer Himmel gemeint, sondern vor allem auch Windstille. Dass Ruhe herrscht, es nicht aus allen Löchern pfeift, keine Schaumkronen an der Atlantikküste zu sehen sind und die Haare nicht vom Wind völlig zerzaust werden.

    In Steinunn Sigurðardóttirs Gedicht "Eine Stadt der langen Nachtfröste" ist der Wind ein Attribut von Reykjavík, Islands Hauptstadt. Nicht dass es in Reykjavík windiger wäre, als in anderen Landesteilen, vielmehr ist es wohl eher Ausdruck dessen, dass eine ständige Prise in einem isländischen Leben einfach dazugehört. Drei Viertel der Isländer leben in der Hauptstadt und ihren Vororten.

    Macht der Wind eine Pause, dann verbreitet sich auf der nordatlantischen Insel so etwas wie südländisches Flair. Selbst bei Temperaturen um die zwölf Grad.

    An Menningarnótt, der sommerlichen Kulturnacht in Reykjavík, hält es keinen zu Haus. Ausstellungen, Lesungen, Happenings allerorten. Kultur zum Anfassen, Mitmachen, Teilhaben. Manche Künstler nutzen gar ihren Balkon als Bühne und bieten den flanierenden Passanten eine einzigartige Show. Die Stadt pulsiert. Überall finden kleine Konzerte statt, vom heiteren Männerchor, der sanften Liedermacherin, dem jugendlichen Flötenduo oder der alternativen Rockband. Alle haben ihr Publikum. Man feiert sich selbst. Von morgens früh bis spät in die Nacht.

    "Dazwischen lassen sie sich in der Innenstadt von einem Kulturerlebnis zum nächsten treiben, fast erschlagen von dieser plötzlichen Überfülle und den brandenden Menschenmassen. Und doch steht jedem einzelnen von ihnen ins Gesicht geschrieben: Ich bin eine Reykjavíker."

    Schreibt Pétur Gunnarsson in seiner literarischen Hommage an seine Stadt "Reykjavík".
    Pétur Gunnarsson ist der "Reykvíkingur" schlechthin, dessen Verdienst es ist, als einer der ersten das Stadtleben zu einem gleichwertigen Schauplatz für Literatur erhoben zu haben.
    Zuvor hatte es diese Perspektive auf die Stadt nicht in der Weise gegeben. Vielleicht hatten die früheren Autoren Reykjavík als zu laut, schmutzig und verdorben empfunden im Vergleich zum Ideal des naturnahen Landlebens.

    Reykjavík wörtlich übersetzt, bedeutet Rauchbucht. Was daran liegt, dass es hier heiße Quellen gibt. Bevor man die Stadt erschloss, konnte man Rauchsäulen von heißem Dampf in den Himmel aufsteigen sehen. Das ist nicht einmal so lange her.

    Bis sich Reykjavík zu der hippen, nördlichen Metropole entwickelte, die sie heute ist, brauchte es lang. Bis zum Zweiten Weltkrieg war sie eher eine arme, wenig geliebte und geschichtslose Stadt. Die dann aber ausgerechnet in den Kriegsjahren plötzlich groß aufblühte.

    Insgesamt profitierte Island von der britischen und später amerikanischen Besatzung, aber ganz besonders die Hauptstadt. Bis dahin war der gesellschaftliche Mittelpunkt über Jahrhunderte etwa 50 km weiter östlich im Landesinneren, auf Þingvellir.

    Þingvellir ist ein Ort der Ruhe und des Weitblicks. Geografisch die Nahtstelle zwischen europäischer und amerikanischer Kontinentalplatte. In der Ferne erstrecken sich die Berge des Hochlandes. Zu Füssen liegt der Þingvallavatn, ein tiefer, klarer, kalter See. Umrahmt von einer blühenden Flora und Fauna mit saftigen Wiesen und unzähligen Wildblumen. Von einer Plattform geht es hinunter in die Schlucht Almanngjá und zum Gesetzesfelsen.

    Bedeutungsschwere liegt über diesem Ort. Sie ist fühlbar, auch wenn hier kein prachtvolles Gebäude, kein Schloss und auch keine Burg stehen. Sondern lediglich eine kleine Bauernkirche und ein nachgebautes Torfhaus. Und doch ist es ein geschichtsträchtiger Ort. Hier trafen sich die frühen Siedler ab dem Jahr 930 regelmäßig zu den demokratischen und gesetzgebenden Versammlungen, zum Thing.

    "Anschließend verließen die Leute den Gesetzesfelsen, und alle sagten, er habe die Klagen sehr gut vorgebracht. Gunnar blieb sehr still und sagte wenig dazu. Das Thing ging weiter bis zum Zusammentreten der Gerichte. Gunnar und seine Männer nahmen die Nordseite des Gerichtsrings für den Rangábezirk ein, Gissur stellte sich mit seinem Anhang auf die Südseite, rief Zeugen auf und gebot Gunnar, seinen Eid anzuhören sowie das Vorbringen der Klage und sämtlicher Beweismittel, die er vorzulegen gedachte.
    Njáll sagte da: "Jetzt darf man nicht länger tatenlos sitzen bleiben. Gehen wir zu den Geschworenen!"

    Sie gingen hin und entfernten vier von ihnen von der Geschworenenbank; die verbleibenden fünf riefen sie als Zeugen der Verteidigung auf und befragten sie, ob Þorgeir Starkaðarson oder Þorgeir Otkelsson zu dem Treffen mit Gunnar mit dem Vorsatz aufgebrochen seien, ihn nach Möglichkeit umzubringen. Alle fünf erklärten, so sei es gewesen. Njáll sagte, damit lasse sich die Klage in diesem Fall leicht abweisen, und erklärte so gedenke er die Verteidigung auch zu führen, falls sich die Gegenseite sich nicht zu einem Vergleich verstünde. Viele der führenden Männer sprachen sich daraufhin für einen Vergleich aus, und es wurde vereinbart, dass ein Kollegium von zwölf Männern in der Sache einen Schiedsspruch fällen sollte. Beide Parteien traten hinzu und bekräftigten per Handschlag, den Schiedsspruch anzuerkennen.

    Dann erging der Spruch, und er lautete auf Geldbußen, die alle noch auf dem Thing fällig wurden, Gunnar und Kolskegg wurden in die niedere Acht erklärt und hatten für drei Jahre außer Landes zu gehen. Sollte Gunnar trotz vorhandener Gelegenheit zur Ausfahrt das Land nicht verlassen, sollten die Verwandten des Getöteten ihn bußlos erschlagen dürfen. Gunnar ließ sich nicht anmerken, wie sehr ihm dieser Schiedsspruch missfiel. Die Thingteilnehmer brachen dann auf und machten sich auf den Heimweg. Njáll und Gunnar verließen gemeinsam das Thing."


    Gunnar und Njáll sind die beiden Helden aus der Brennu-Njáls Saga. Und enge Freunde. Njáll ist der Rechtsgelehrte, Gunnar ein höchst talentierter Kämpfer und im Grunde ein gutmütiger Charakter. Doch in der von blutrünstigen Fehden und Rachefeldzügen geprägten Zeit ist ihm kein einfaches Leben beschieden. Immer wieder wird er in Konflikte verwickelt, bei denen seine Frau Hallgerður eine wesentliche Rolle spielt. So auch jetzt. Nun also soll er seine Heimat Hliðarendi für drei Jahre verlassen.

    Die Isländersagas sind Weltkulturgut, eine literarische Perle, verfasst im 13. und 14. Jahrhundert von anonymen Dichtern. Und obwohl so viele Jahrhunderte seither vergangen sind, ist die Erzählweise so unmittelbar, so nah an den Menschen, dass wir die Geschichten heute lesen können, als seien sie eben erst geschrieben worden. So ist auch das gerade erschienene deutsche Übersetzungswerk eine Lektüre, für die man keine altnordischen Studienkenntnisse braucht.

    Die Hauptpersonen der Sagas gab es meistens wirklich, ihre Geschichten sind jedoch nicht überliefert. Die Dichter mussten selbst eine Vorstellung davon entwickeln wie sich die Ereignisse 300 Jahre zuvor, in den Jahren der Besiedlung, zugetragen haben könnten. Die mündlichen Erzählungen werden wohl ihre Fantasie dabei angeregt haben.

    Die Schauplätze der Handlungen sind dagegen real, Hliðarendi eine Art Wallfahrtsstätte der Brennu-Njáls-Saga. Um dorthin zu gelangen, biegt man von der Hauptverkehrsroute, der Ringstraße mit der Nummer eins, in Hvolsvöllur links ab, um einige Kilometer in das Landesinnere zu fahren.

    Hliðarendi selbst liegt auf einem Hügel. Dort, wo einst der Hof von Gunnar gewesen sein soll, ist heute eine wunderschöne, wenn auch in die Jahre gekommene Landkirche.

    Auf dem nahegelegenen Friedhof ruhen die Toten der vergangenen Jahrzehnte unter hochgewachsenen Bäumen. Ein eher seltener Anblick in Island, in dem es nur wenige Waldgebiete gibt.

    Überreste oder alte Grundmauern gibt es keine, oberhalb der Kirche nur eine Gedenktafel, die auf die historischen Bedeutung des Ortes hinweist. Wer die Brennu-Njáls-Saga gelesen hat, kann sich gut vorstellen, wie Gunnar einst von dort Freunde wie Feinde schon aus der Ferne sehen konnte, wie sie angeritten kamen. Der Blick über die Ebene reicht bis zum Meer und den Westmänner-Inseln vor der Küste. Links erstreckt sich die nach dem Vulkanausbruch weltberühmt gewordene Kulisse des Eyjafjallajökull. Noch dahinter ist ein weiterer Gletscher, der Mýrdalsjökull.

    Aber zurück zur Saga:

    Gunnar bereitet schweren Herzens seine Abreise aus Island vor und macht sich auf den Weg zum Schiff, dass ihn nach Norwegen bringen soll. Was dann geschieht und die Worte, die er am Gletscherfluss Markjaflót sagt, kennt jeder in Island:

    "Als sie an den Markarfljót kamen, strauchelte Gunnars Pferd, und er sprang aus dem Sattel. Sein Blick fiel zurück auf den Hof und die sanften Hänge, und er sagte: Schön ist dieser Hang, aber so schön habe ich ihn noch nie gesehen, helle Felder und gemähte Wiesen. Ich werde nach Hause zurückreiten und nirgends hinfahren."

    Lieber nimmt Gunnar seinen Tod in Kauf, als das Land zu verlassen. Und dann ist irgendwann der Moment gekommen, da seine Feinde beschließen, ihn umzubringen.
    Am Ende unterliegt der große Kämpfer nach heldenhafter Verteidigung einer Übermacht von Gegnern. Seine Frau Hallgerður verweigert ihm im Gefecht zwei Strähnen ihres langen Haares, die ihm als Ersatz für seine gerissene Bogensehne dienen sollten. Es ist ihre Rache für eine demütigende Ohrfeige, die sie einst von Gunnar bekommen hatte.

    Es dauert etwa 20 Minuten, bis man von Hliðarendi zurück auf die Ringstraße, die Hauptverkehrsroute, kommt. Schon beim Abbiegen sieht man in der Ferne die Steilklippen des Eyjafjöll und den Wasserfall Seljalandsfoss. Man fährt praktisch direkt darauf zu.

    Es ist ein Wasserfall, den man bei einem Stopp auch von hinten betrachten kann, weil ein Pfad im Felsen hinter den Wasserstrahl führt. Allerdings sollte man sich aufgrund der Gischt nicht ohne Regenbekleidung dahin begeben.

    Die Ringstraße führt im Süden weiter entlang der Küste auf der rechten Seite. Links wechseln sich Klippen mit steilen Grashängen ab. Auf letzteren liegen viele große Felsbrocken. Als ob sie erst kürzlich heruntergerollt sind. Doch tatsächlich ist längst dichtes Moos auf ihnen gewachsen.

    Nur wenig später passiert man den Skógafoss, ein noch imposanterer Wasserfall gemessen an der Wassermenge, die hier auf einer Breite von 25 Metern in die Ebene stürzt.

    Bis zu unserer nächsten literarischen Station dauert es noch mehrere Stunden Autofahrt, vorbei an einsamen Bauernhöfen, den schwarzen Sandstränden von Vík, Lavafeldern, endlosen Sandern, Schotterflächen, dem grünen Nationalpark Skaftafell und wieder imposanten Felsmassiven mit Gletscherläufen.

    Und dann taucht fast plötzlich links eine Gletscherlagune auf, der Jökulsarlón.

    Einige hundert Meter entfernt vom Ufer des Sees kalbt der Vatnajökull, der größte Gletscher Europas. Die Eisbrocken treiben auf dem See, von dem stets ein kalter, aber äußerst frischer Hauch ins Gesicht weht. Die Luft ist klar und rein. Mag man sonst in Island auf Sonnenschein großen Wert legen, spielt die Wetterlage an diesem Ort fast keine Rolle. Selbst Waschküchenatmosphäre hat hier ihren Reiz, weil sie die türkise Farbe der Eisfelsen zum Vorschein holt.

    Zu der Zeit, in der der Roman "Im Schatten des Vogels" spielt, war der Gletscher noch sehr viel größer. Ende des 19. Jahrhunderts wächst Pálina Jónsdóttir nur wenige Kilometer weiter, in Reynirvellir auf.

    Vom Hof der Großfamilie sieht man auf die Sander vor der Küste, im Rücken ist ein Berggürtel, hinter dem sich der riesige Gletscher anschließt, dessen Auslauf am Jökulsarlón seinen Weg ins Meer findet. Ein idyllischer, wenn auch abgeschiedener Ort. Pálina ist kein unbeschwert fröhliches Kind, aber voller Gefühle, sie träumt von einer glücklichen Zukunft mit ihrer großen Liebe Sveinn.

    "Dann treiben wir die Schafe ins Hochland. Ich sehne mich nach einem ganzen Tag mit Sveinn draußen in der Natur. Mutter sagt etwas von einer Großwäsche, Gauja zetert und schimpft und will nicht, dass ich mitgehe. Ich höre ihr nicht zu. Sveinns Nähe macht mich stark, und ich schwinge mich mit den Männern auf die Pferde, habe eine Hose an und sitze wie sie im Sattel. Sagte Vati nicht, dass ich bei der Arbeit im Freien wie ein Mann sei?
    Einar und Pétur Jakob sind auch dabei. Mutter kommt raus auf den Hof und bittet mich, auf die beiden aufzupassen. Es freut mich, sie zu sehen, glaube, dass sie mir nicht böse ist. Merke, dass sie mich versteht. Ich nehme ihre Hände und verspreche, auf die Brüder Acht zu geben. Dann trotten wir los. Versuchen, die Hunde in den Griff zu bekommen, die kläffend die Schafe umkreisen.

    Oben auf dem Bergrücken bin ich Gott so nahe, wie man ihm nur sein kann. Unauffällig falte ich meine Hände und bete im Stillen. Bitte den Erlöser, Sveinn und mich nicht zu vergessen. Der Gletscher ist viel größer als er von zu Hause aus wirkt, der Sander erstreckt sich endlos in den Westen. Am Horizont schimmern weiße Segel. In weiter Ferne ist undeutlich ein Hof auszumachen.

    "Kann man im Osten bis zu Ninna gucken?" Ruft Pétur Jakob. Er reckt sich und späht in die Ferne.

    "Ich glaube nicht, antwortet Magnús sofort. Aber wir müssen achtsam sein. Da vorne sind die Schluchten, ihr wisst ja, was das bedeutet, Jungs! Magnús ist todernst. Alle kennen die Geschichten, die sich um diese Schluchten ranken. Und ich sehe, wie Pétur Jakob Einars Nähe sucht.

    "Lasst Euch von Magnús nicht auf den Arm nehmen, sage ich. Die Augen der Jungen wandern von Magnús zu mir, dann wieder zu Magnús.

    In der Brúarschlucht gibt es Riesinnen, die es ausschließlich auf Männer abgesehen haben. Sie sind riesengroß und tragen doppelte Schafsfelljacken, bei denen außen und innen Wolle ist. Sie haben Lederhüte auf, langes, ungekämmtes Haar und sollen wahnsinnig unschön sein. Man sagt, dass sie Männer verschleppen, die die Brúarschlucht passieren, und dass man von den Verschleppten nie wieder etwas hört."


    Pálina lebt in einer Zeit, in der die Menschen vielen Aberglauben anhängen, und zugleich sehr frömmig sind. Sie gibt sich der gesellschaftlichen Enge hin, fügt sich dem Wunsch des Vaters nicht den Mann zu heiraten, den sie liebt. Eigentlich meint dieser es nur gut, will er seine kleine Prinzessin doch vor einem Schicksal bewahren, denn Sveinn leidet an der damals oft tödlich endenden Tuberkulose.
    Und aus dem melancholischen Mädchen wird zunehmend eine Frau, die sich immer tiefer in die dunkle Gefühlswelten begibt und immer stärker unter seelischen Spannungen leidet.
    Pálina Jónsdóttir war die Großmutter von Schriftstellerin Kristín Steinsdóttir. Ihre tragische Geschichte im Island des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts hat Kristín Steinsdóttir zutiefst berührt, so sehr, dass sie alles in dem Roman "Im Schatten des Vogels" niedergeschrieben hat.

    Hätte ihre Großmutter Pálina frei entscheiden können - ob sie dann mit Sveinn davon geritten wäre, in ein gemeinsames Leben? Ganz woanders hin, vielleicht zunächst einmal auf die andere Seite des gewaltigen Gletschers und dann hoch in den Norden entlang der Hochlandpiste Sprengisandur? Einer endlos kargen Steinwüste, in der bei Einbruch der Nacht auch keine Seele mehr unterwegs sein möchte, weshalb die Reiter in früheren Zeiten zusahen, dass sie schnell daraus kamen.

    Der unheimlichen Nacht auf der Sprengisandur entkommen, gelangt man im Norden, in Akureyri, der zweitgrößten Stadt Islands, wieder in die Zivilisation. Und zurück im Jahr 2011 auch in die Konsumwelt von heute.

    "Der Urtrieb des Menschen
    war nicht der Jagdtrieb
    Zu Anbeginn
    vor der Zeit
    von Speer und Waffe
    streiften die Menschen durch die Prärie
    und sammelten!
    Sie sammelten Wurzeln
    und sie sammelten Früchte
    und Eier und verendete Tiere
    Ich der moderne Mensch
    der Fernsehjunkie
    spüre, wie der Urmensch in mir hervorbricht
    wenn ich mit dem Einkaufswagen durch die Gänge hetze
    und sammle und sammle und sammle ..."


    Der Verfasser dieses und vieler weiterer Supermarktverse Andri Snær Magnason hatte den Gedanken, Gedichte als Massenware in der Supermarktkette Bónus anzubieten. Genau so wie man Bónus-Orangensaft, Bónus-Brot oder Bónus-Toilettenpapier kaufen kann, liegen seine Bónus-Gedichte an der Kasse aus. Ebenfalls unter dem Bónus-Logo, einem pinkfarbenen Sparschweinchen auf knallig-gelbem Hintergrund.

    In der zweiten Auflage in Island bot Andri Snær Magnason seinen Lesern sogar 33 Prozent mehr Gedichte. Und die ganz druckfrische neue Ausgabe ist gar ein "Zwei-in-einem-Vorteilspack", die Gedichte sind in beiden Sprachen deutsch und isländisch erhältlich.
    Na, wenn das kein unwiderstehlicher Mega-Deal ist!

    Gestärkt mit Bónus-Gedichten als geistigen Nahrungsmitteln geht es wieder auf die Ringstraße und über den Öxnadalsheiði-Pass Richtung Nordwesten. Dann auf dem langen Weg entlang des Meeres sieht man in der Ferne die kälteste Region Islands: Die Westfjorde.
    In Yrsa Sigurðardóttirs Thriller "Geisterfjord" machen sich ein junges Ehepaar und ihre gemeinsame Freundin auf in das verlassene Fischerdorf Heysteyri und erleben in der Abgeschiedenheit einen Horrortrip mit rätselhaften Erscheinungen. So spannend geschrieben, dass man das Buch besser nicht vor Ort und schon gar nicht allein dort lesen sollte.

    Auf dem Weg zurück nach Reykjavík fährt man durch Borganes im Borgarfjörður. Dort befindet sich das Landnahme-Zentrum. Ein Museum, das in die Besiedlung, die Landnahme Islands einführt.

    Von Borgarnes fährt man etwa eine Stunde bis Reykjavík. Auf dem Weg kann man immer wieder die berühmten Islandpferde beobachten, wie sie fast majestätisch dem Wind trotzen, sich gegenseitig Schutz bieten und dabei wie angegossen auf den Feldern stehen.
    Vereinzelt grasen Schafe, genießen die wärmenden Sonnenstrahlen. Seemöwen rufen vom Meer, schon bald kann man Reykjavík erblicken mit seinem neuen Konzerthaus "Harpa" direkt am Hafen. Je nach Lichteinfall strahlt die Fassade des Künstlers Ólafur Elíasson in den verschiedensten Farben, einzelne Fenster stechen heraus und bilden zusammen ein leuchtendes Mosaik.

    Ein kleiner Gast hat bereits seinen Weg hinein in die Harpa gefunden. Die Maus Maxímús Músíkús:

    "Die Streicher zupften an den Saiten und über den rhythmischen Trommelschlägen schwebte ein Flötenton daher. Maximus hielt den Atem an und lauschte dem Lied. Es berührte ihn ganz leise, aber eindringlich - wie ein ins Ohr geflüstertes Geheimnis. Maxi hatte das Gefühl auf schwingenden Wolken zu schweben."

    Maximus ist eine besondere Maus, sie liebt Musik. Und sie liebt Kinder. Und die Kinder lieben sie und ihre Abenteuer.

    Der riesige Saal der Harpa "Eldborg" platzt aus allen Nähten mit den vielen jungen Gästen, die für das Konzert nach dem Kinderbuch Maximus Musikus hierher gekommen sind.

    Die vorgestellten Bücher:

    Pétur Gunnarsson: "Reykjavík". Insel Verlag. 114 Seiten. 7,95 Euro

    Klaus Böldl, Andreas Vollmer, Julia Zernack (Hrsg.): "Isländersagas". 4 Bände plus Begleitband. 3384 Seiten. Fischer Verlag, 98 Euro

    Kristín Steinsdóttir: "Im Schatten des Vogels". 252 Seiten. C.H.Beck. 19,95 Euro

    Andri Snær Magnason: "Bónus Supermarktgedichte". 96 Seiten. orange-press. 9,99 Euro

    Yrsa Sigurðardóttir: "Geisterfjord". 368 Seiten. Fischer Taschenbuch Verlag. 8,99 Euro

    Hallfríður Ólafsdóttir, Þórarinn Már Baldursson: "Maximus Musikus besucht das Orchester”. 44 Seiten. Ausgabe mit CD. Schott Music. 19,95 Euro
    Sturmberg Landmannalaugar im Hochland Islands
    Landmannalaugar im Hochland Islands (Jessica Sturmberg)
    Sturmberg Hlioarendi, Ort aus der Brennu-Njáls- Saga
    Hlioarendi, Ort aus der Brennu-Njáls- Saga (Jessica Sturmberg)
    Sturmberg Pferde (und Reiter) im Hochland
    Pferde (und Reiter) im Hochland (Jessica Sturmberg)