Sonntag, 12. Mai 2024

Flugblatt-Affäre
Freie-Wähler-Chef Aiwanger soll Söders Fragenkatalog heute beantworten

Bayerns Ministerpräsident Söder sieht nach der Entschuldigung seines Stellvertreters Aiwanger in der Affäre um ein Flugblatt, das die Massenmorde der Nazis verharmlost und die Opfer verhöhnt, noch viele offene Fragen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler in Bayern, Mehring, sagte im Deutschlandfunk, er gehe davon aus, dass Aiwanger noch heute auf die Fragen antworten werde.

01.09.2023
    Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie von Bayern, spricht auf einer Pressekonferenz.
    Der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hatte sich in der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten gestern erstmals für Fehler entschuldigt. (picture alliance / dpa / Lennart Preiss)
    Söder sagte im bayerischen Bechhofen, die Entschuldigung Aiwangers sei dringend notwendig gewesen. Für ihn sei aber wichtig, dass dieser die an ihn gestellten 25 Fragen umfassend und glaubwürdig beantworte, und zwar am besten noch heute, so der CSU-Politiker.
    Aiwanger hatte gestern erstmals für mögliche Fehler in seiner Jugendzeit öffentlich um Entschuldigung gebeten. Dabei ging er auch auf den Vorwurf ein, im Klassenzimmer den Hitlergruß gezeigt zu haben. Er könne sich nicht erinnern, dies je getan zu haben. Heute sagte er auf einer Wahlkampfveranstaltung im Landkreis Passau, das antisemitische Flugblatt sei scheußlich. Daran sei nichts wegzudiskutieren. Er bestreitet, der Verfasser zu sein. Aiwangers Bruder hatte am Wochenende erklärt, er habe das Flugblatt Ende der 1980er Jahre verfasst.

    Vorwürfe gegen die "Süddeutsche Zeitung"

    In einem Interview mit der Zeitung "Die Welt" sprach Aiwanger erneut von einer Schmutzkampagne gegen ihn. In seinen Augen werde die Shoah zu parteipolitischen Zwecken missbraucht. Er sei überzeugt, dass die "Süddeutsche Zeitung", womöglich mit Hilfe anderer Kreise, von langer Hand geplant habe, ihn massiv zu beschädigen und politisch zu vernichten. Damit sollten die Freien Wähler geschwächt und Stimmen auf andere Parteien gesteuert werden, ergänzte Aiwanger.
    Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) wies Aiwangers Vorwürfe zurück. Der DJV-Bundesvorsitzende Überall sagte, damit docke der Freie-Wähler-Chef bei den Verschwörungsideologen an. Es sei Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten, kritisch über das politische Spitzenpersonal zu berichten, "auch wenn das den Damen und Herren Politikern nicht gefällt".

    Antisemitismusbeauftragter Klein: Aiwanger schadet Erinnerungskultur

    Der Präsident des Zentralrats der Juden, Schuster, nannte in der "Bild"-Zeitung die Entschuldigung Aiwangers einen guten, wenn auch längst überfälligen Schritt. Bedauerlicherweise verbinde er dies mit einer Klage über eine politische Motivation der Vorwürfe und lasse weiter den Willen zu offener Aufklärung vermissen.
    Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Klein, sagte den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“, die Bemühungen in Schulen und Gedenkstätten, gerade jüngeren Menschen einen kritischen und verantwortungsvollen Umgang mit den nationalsozialistischen Verbrechen zu vermitteln, würden durch Aiwangers Verhalten torpediert. Damit schade dieser der Erinnerungskultur in Deutschland.
    Diese Nachricht wurde am 01.09.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.