Donnerstag, 09. Mai 2024

Flugblatt-Affäre in Bayern
Söder verteidigt Entscheidung, Aiwanger im Amt zu lassen

Ministerpräsident Söder hat seine Entscheidung verteidigt, seinen Vize-Regierungschef und Wirtschaftsminister Aiwanger trotz Flugblatt-Affäre im Amt zu belassen. Der CSU-Chef wies im ZDF Mutmaßungen zurück, er habe mit Blick auf die Landtagswahlen in Bayern gehandelt.

03.09.2023
    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sitzt vor einem blauen Hintergrund.
    Es sei ihm um Fairness gegangen, sagte Söder. (IMAGO / Chris Emil JanÃen / IMAGO / Chris Emil Janssen)
    Angst sei für ihn kein Maßstab. Es sei ihm um Fairness gegangen. Söder bekräftigte, die Angelegenheit sei 35 Jahre her und Aiwanger habe sich klar von dem antisemitischen Flugblatt distanziert.
    In seiner Pressekonferenz am Vormittag in München hatte Söder betont, der Minister hätte angesichts der Vorwürfe entschlossener und umfassender aufklären müssen. Er müsse nun verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. Hintergrund ist die Affäre um ein Flugblatt, das die Opfer des Naziregimes verhöhnt und Antisemitismus verbreitet.
    Söder unterstrich, Grundlage seiner Entscheidung seien Aiwangers Antworten auf einen Fragenkatalog, in denen er sich erneut von den Inhalten distanziert habe. Zudem habe ihm der Chef der "Freien Wähler" in einem persönlichen Gespräch glaubhaft vermittelt, dass er das Flugblatt nicht verfasst oder verbreitet habe. Nicht alle Antworten auf seine Fragen seien befriedigend, an Vieles erinnere sich Aiwanger nicht mehr. In der Gesamtabwägung sei eine Entlassung Aiwangers aber nicht verhältnismäßig.

    Aiwanger spricht von Kampagne gegen ihn

    Aiwanger selbst sprach anschließend erneut von einer Kampagne gegen ihn, die nun aber gescheitert sei. Jetzt müsse man wieder zur Tagesarbeit für Bayern zurückkehren. Auch die Landtagsfraktion der Freien Wähler sowie die bayerische Landtagspräsidentin Aigner (CSU) begrüßten die Entscheidung Söders.
    Kritik kam dagegen von Bundesinnenministerin Faeser: Die SPD-Politikerin sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, das Festhalten an Aiwanger aus schlichtem Machtkalkül schade dem Ansehen der Bundesrepublik. Ähnlich äußerte sich der bayerische SPD-Vorsitzende von Brunn. Die Grünen-Fraktionschefin im Landtag, Schulze, sprach von einem "bitteren Tag für Bayern". Der FDP-Landesvorsitzende Hagen bemängelte, statt Aufrichtigkeit und Reue Aiwangers erlebe man Erinnerungslücken und trotzige Medienschelte.
    Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Klein, legte Aiwanger einen Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau nahe. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Knobloch, erklärte, die Entscheidung Söders sei politisch zu akzeptieren. Aiwanger müsse nun Vertrauen wiederherstellen und deutlich machen, dass seine Aktionen demokratisch und rechtlich gefestigt seien. Die Türen der jüdischen Gemeinschaft seien für ihn immer offen gewesen.

    Antisemitismus-Vorwürfe gegen Aiwanger

    Auslöser der Affäre war ein Bericht der "Süddeutschen Zeitung", wonach Aiwanger in seiner Schulzeit in den 80er Jahren möglicherweise das antisemitische Flugblatt verfasst habe, in dem die Opfer des Naziregimes verhöhnt wurden. Später gab sich sein Bruder als Verfasser zu erkennen. Aiwanger räumte aber ein, Exemplare davon in seiner Schultasche gehabt zu haben. Er bat um Entschuldigung für damalige Fehler. Im Raum stehen weitere Vorwürfe; unter anderem hatte ein ehemaliger Mitschüler angegeben, dass Aiwanger als Jugendlicher den Hitlergruß gezeigt habe.
    Hier finden Sie ein Gespräch zu den Reaktionen.
    Diese Nachricht wurde am 03.09.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.