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Solo-Album von Kele Obereke
Weich-warme Songs mit einer gewissen Romantik

Der Bloc-Party-Sänger Kele Okereke präsentiert jetzt mit "Trick" sein zweites Solo-Album. Zusammen mit zwei Gastsängerinnen begibt er sich darin auf eine sehr persönliche Reise - die oft morgens in einem Club anfängt.

Von Dennis Kastrup |
    "Wenn man die ganze Nacht getanzt hat und die Drogen aufhören, zu wirken, wird man nachdenklich und man schaut in sich hinein. Genau dieses Gefühl wollte ich mit der Platte erzeugen. Es geht um den Moment nach der Ekstase und vor der Ernüchterung."
    Kele Okereke weiß wovon er spricht. Die Faszination für diesen Zustand stammt aus seiner Teenagerzeit. Bereits als 15-Jähriger trieb er sich im Nachtleben der englischen Clubs herum. In London pulsierte Ende der 90er-Jahre die elektronische Musikszene. Als kurze Zeit später die Band Bloc Party gegründet wurde, griffen die damals noch vier Mitglieder Elemente der Dance Musik auf und integrierten sie in ihren Indie-Rock. Doch jeder Erfolg lähmt irgendwann, macht aber eben auch wieder hungrig auf Neues. Genau das passierte Kele Okereke:
    "Bei meinem ersten Soloalbum "The Boxer" war ich davon begeistert, alleine im Studio zu sein und alles ausprobieren zu können. Teile der Platte sind dadurch sehr eindringlich und konfrontativ geraten. Das war genau das, was ich damals ausdrücken wollte. Aber dieses Mal habe ich nicht mehr diesen Drang oder diese Verpflichtung empfunden. Es fühlte sich für mich nicht richtig an, diese Art von Energie heraufzubeschwören."
    "Trick" tänzelt überlegter im Ring herum
    Das Bild des Boxers war bewusst gewählt. Mit den Fäusten voran kämpfte er sich frei von den Bloc-Party-Konventionen. Seine Songs waren hart und rau. Die Beats drückten den Hörer wie ein Faustschlag in die Seile. Es musste ausgeteilt werden, um die angestaute kreative Energie herauszulassen. Aber er hat sich freigeboxt und seine Technik verbessert. Auf dem neuen Album "Trick" tänzelt er überlegter im Ring herum.
    "Obwohl "Trick" eine elektronische Platte ist, empfinde ich sie als ein Pop-Album, weil man darauf simple Songs mit Refrains und Strophen findet. Die Stücke sind alle drei bis vier Minuten lang. Es gibt keine ausgedehnten Dub-Parts. Alles ist sehr knapp und präzise. Ich wollte eine Pop-Platte machen."
    So lässt Kele Okereke auf dem Album, um in der Boxer-Sprache zu bleiben, in zehn Runden, beziehungsweise Songs, seine Deckung fallen. Der 31-Jährige versteckt sein Gesicht nicht mehr hinter den Handschuhen. Man erkennt einen verletzten Kämpfer, der mit seiner Stimme zudem einen neuen Weg einschlägt. Der Gesang ist weicher, wärmer und fast schon ein wenig schüchtern. Wie ein Schleier umhüllen die Worte die Musik. Auch die Texte geben sich dieser eher unaufgeregten Stimmung hin und verleihen den Songs eine gewisse Romantik.
    "Alle Stücke auf dem Album sind Liebeslieder. Jedes für sich ist ein Liebesschwur. Die Songs "First Impressions" und "Coasting" handeln von diesem ersten Funken, der entsteht, wenn man sich zu jemandem hingezogen fühlt. Das nennt man wohl fast schon Transzendenz. Es ist nun mal eine magische Sache, wenn sich die Blicke von zwei Menschen auf der Tanzfläche treffen und dann eine Art Magnetismus die Führung übernimmt. Das ist noch immer eine Erfahrung, die mich total umhaut."
    Kein großes Drumherum
    Kele Okereke weiß diese kleinen Momente mittlerweile einzuordnen. Man spürt die Reife in seinen Stücken. Musikalisch bedeutet das eine Reduzierung auf die wichtigen Bestandteile. Kein großes Drumherum. Der Fokus ist klar ausgerichtet.
    "Ich bin heute wesentlich mehr im Einklang mit mir selbst, mit der Musik, mit dem Leben generell und mit meinen Beziehungen. Das ist einer der Gründe, warum dieses neue Album sich sehr intensiv mit dem Thema Beziehungen und Vertrauen beschäftigt. Es geht darum, wie Menschen zueinander finden und anschließend wieder getrennte Wege gehen. Früher hätte ich niemals die Selbstsicherheit gehabt, diese ganze Thematik anzusprechen. Das ist mir erst jetzt möglich, nachdem ich einiges an Lebenserfahrung sammeln konnte."
    "Trick" ist ein durchwachsenes zweites Solo-Album geworden. Man weiß beim Hören nicht genau, wohin es einen mitnehmen will: auf die Tanzfläche oder nach Hause in die Arme der Partnerin oder des Partners. Es ist ein Übergang, oder anders gesagt: Kele Okereke wird erwachsen.
    "Man sollte offen sein für alles, was das Leben einem präsentiert. Ich selbst bin ja auch ein Träumer. Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich mich schon auf den ersten Blick verliebt habe. Aber mit zunehmendem Alter beginnt man, die Dinge richtig einordnen zu können. Dennoch ist das Gefühl natürlich immer noch sehr verführerisch und berauschend. Wahrscheinlich ist es sogar das verführerischste Gefühl überhaupt."