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Sonnenkraft aus "dreckigem" Silizium

Technik. - Die jährliche europäische Photovoltaikkonferenz im spanischen Valencia gilt als das Mekka der Solarenergie-Experten. Ein heißes Thema war dabei die Knappheit an reinem Silizium, dem Baustoff für Solarzellen.

Von Michael Fuhs |
    "Mein Anliegen ist es, der Solarindustrie weltweit zu so großen wie möglichen Mengen zu verhelfen. Das heißt, zu diesem großen Durchbruch, dass es wirklich eine wesentliche alternative Energie darstellt. Und dazu muss man die Menge des verfügbaren Siliziums so schnell wie möglich hochfahren."

    Die Aussage von Eicke Weber, dem Leiter des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg, erstaunt erst einmal. Denn Silizium gibt es buchstäblich wie Sand am Meer. Meist liegt es als Quarz vor, einer Verbindung mit Sauerstoff. Pro Jahr werden etwa eine Million Tonnen davon aufbereitet. Das Ergebnis: metallurgisches Silizium, das zu immerhin 99 Prozent sauber ist. Es geht zum Beispiel in die Stahlindustrie. Nur ein sehr kleiner Teil davon wird für die Halbleiterindustrie weiter gesäubert. Das kostet viel Energie, denn um es zu reinigen, muss das feste Silizium in ein Gas überführt werden. Dann sind der Reinheit aber fast keine Grenzen mehr gesetzt.

    "Wenn man es in Neunen ausdrückt, das ist also ein 99,999 und so weiter prozentiges Material, mit acht bis neun Neunen."

    Durch eine glückliche Koinzidenz stand dieses Halbleitersilizium bis vor ein bis zwei Jahren ausreichend für Solarzellen zur Verfügung: Der Solarboom setzte erst ein, als die IT-Blase platzte. Die Zeiten des Siliziumüberflusses sind jedoch vorbei. Jetzt dauert es zu lange, die Kapazitäten zu erhöhen.

    "Um eine Anlage zu bauen, die sagen wir mal 2.500 Jahrestonnen Halbleitersilizium herstellt braucht man etwa zweieinhalb Jahre und eine Investitionssumme von über 200 Millionen Dollar."

    Mit alternativen Verfahren geht es einfacher, dafür nicht ganz so sauber. Verunreinigungen im Silizium können zum Beispiel weggeätzt werden. Dieses aufbereitete metallurgische Silizium ist zwar etwa tausendfach stärker mit anderen Atomen verunreinigt als Halbleitersilizium, dafür kostet eine Fabrik weniger als ein Viertel und lässt sich in einem Jahr bauen. Besonders problematisch sind jedoch die hohen Eisenverunreinigungen. Wenn Licht auf einen Siliziumkristall trifft, setzt es dort Ladungsträger frei. Sie können sich darin relativ frei bewegen, werden aber nach einer gewissen Zeit wieder von Atomen im Kristall eingefangen. Die Kunst ist es, eine Zelle so zu bauen, dass die Ladungsträger schnell genug die rettenden Elektroden erreichen und in die elektrischen Anschlüsse eingespeist werden. Eisenatome fangen Elektronen jedoch besonders gut ein und verringern dadurch den Wirkungsgrad drastisch. Webers Mitarbeiter Stefan Reber experimentiert daran, wie man trotzdem funktionierende Kristalle aus verunreinigtem Silizium herstellen kann.

    "Man muss die Prozessführung so wählen, dass möglichst viele dieser Eisenatome clustern, das geschieht durch optimale Temperaturrampen, die man fährt, und dann wirkt so ein Cluster von Eisenatomen deutlich weniger als wenn die Atome gleich verteilt wären."

    Um allerdings ähnliche Wirkungsgrade zu erreichen wie Solarzellen aus Halbleitersilizium haben, muss Stefan Reber zusätzlich trotzdem noch eine dünne Schicht hochreines Silizium auftragen. Volker Hoffmann, Leiter der Abteilung Siliziummaterialien bei Q-Cells, einem der größten Zellenhersteller, geht einen anderen Weg. Er nutzt einen Rohstoff, der nicht tausendmal, sondern nur zirka fünfzig mal mehr Fremdatome enthält als das Halbleitersilizium. Und einer der Tricks ist, dass nicht alle Verunreinigungen unerwünscht seien.

    "Es ist Bor drinnen, das will man haben. Zusätzlich ist Phosphor auch drinnen. Wenn man weiß genau, wo wie viel drinnen ist, dann kann man dem entsprechend Rechnung tragen, dass man am Ende die Eigenschaften kriegt, die man haben will."

    Es funktioniert so gut, dass Q-Cells inzwischen auch Zellen aus dem nicht so sauberen Silizium mit über 15 Prozent Wirkungsgrad verkauft.