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Sowjetische Ehrenmale in Berlin
Der Gärtner des Gedenkens

Vor 70 Jahren eroberte die Rote Armee Berlin. Allein in dieser letzten Schlacht starben etwa 75.000 sowjetische Soldaten. Ihrer wird in Berlin in drei Ehrenmalen etwa im Tiergarten und im Treptower Park gedacht. Hier hat der türkische Gärtner Sedat Àtisman alles für den Besucheransturm am 8. und 9. Mai vorbereitet.

Von Wolf-Sören Treusch | 07.05.2015
    Der Gärtner Sedat Àtisman an seinem Arbeitsplatz, dem Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park.
    Der Gärtner Sedat Àtisman an seinem Arbeitsplatz, dem Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park. (Wolf-Sören Treusch)
    "Take a picture", fordert der Touristenführer seine Reisegruppe auf, hier ist der perfekte Ort: vorn der sowjetische Panzer, dahinter der riesige Rotarmist aus Bronze, im Bild-Hintergrund die Reichstagskuppel. Sonne, leicht bewölkt. Besser können die Bedingungen für den Besuch des sowjetischen Ehrenmals im Berliner Tiergarten kaum sein.
    An der Haubitze, die 1945 mit Salutschüssen das Ende des Krieges verkündete, posiert ein kräftiger Mann mit seiner Tochter fürs Familienfoto. Er trägt das rote Trikot der Sowjetunion mit Hammer und Sichel auf der Brust. Er erzählt, dass er als junger Soldat in Dresden stationiert gewesen sei, aber erst jetzt dazu kommt, die sowjetischen Ehrenmale in Berlin zu besuchen. Im Gedenken an seine gefallenen Landsleute und den Sieg über den Faschismus.
    Hier fand im April 1945, als der Krieg längst entschieden war, ein letztes sinnloses Gefecht statt zwischen Angehörigen der Wehrmacht und der Roten Armee. Mehr als 2.000 sowjetische Soldaten sind unter der Rasenfläche des Tiergartens begraben. Die beiden T-34-Panzer, die das Ehrenmal flankieren, waren bei dem letzten Gefecht dabei.
    Als sie im vergangenen Jahr saniert wurden, entbrannte eine kurze, aber heftige Debatte darüber, ob man die Panzer und Haubitzen nicht entfernen solle. Zu martialisch, Symbol russischer Großmachtsfantasien, lautete die Kritik.
    "Damit würde man ein Stück Geschichte - weil, die gehören nun mal zu diesem Denkmal - demontieren und würde sie im Prinzip, das ist jetzt meine persönliche Auffassung, sich an diesem Denkmal vergreifen."
    Sagt dieser Besucher. Er ist Angestellter der Bundeswehr, der Besuch des Ehrenmals ist Teil einer Fortbildungsmaßnahme. Er denkt kurz nach, bevor er weiter spricht.
    "Ja, man darf bei der Beurteilung nicht ganz vergessen, dass dieses Ehrenmal ja unmittelbar nach 1945 gebaut worden ist. Das heißt unter einem ganz anderen Regime, unter dem Eindruck des eigenen Sieges. Nach meiner Auffassung hat das durchaus seine Berechtigung, genau in dieser Form auch erhalten zu bleiben und genauso gepflegt zu sein, weil das Denkmal selbst Teil der Zeitgeschichte ist. Also nicht nur Zeitgeschichte zeigt, sondern ein Teil davon ist."
    1992 verpflichtete sich die Bundesrepublik in einem Abkommen mit der Russischen Föderation, sämtliche sowjetischen Kriegsgräber in Deutschland zu erhalten und zu pflegen. Um die drei Ehrenmale in Berlin kümmert sich Anke Wünnecke von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.
    "Die Ehrenmale stehen auch unter Denkmalschutz, sie sind auch Gartendenkmale. Das heißt, was die Bepflanzung angeht, können sie da jetzt nicht groß was ändern."



    Sowjetische Soldaten und Lenin am sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park in Berlin-Treptow
    Sowjetische Soldaten und Lenin am sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park in Berlin-Treptow (imago/imagebroker/grassegger)
    Rote Blumen in den Schmuckbeeten sind ebenso festgelegt wie die Anzahl der Bäume, die die Anlagen umfassen. Ein Baumgutachter prüft regelmäßig, ob Bäume krank sind und ersetzt werden müssen. 500.000 Euro im Jahr hat Anke Wünnecke für den laufenden Unterhalt zur Verfügung. Zum Glück, sagt sie, sind die Schäden durch Vandalismus in letzter Zeit seltener geworden.
    "Zum Beispiel im Januar jetzt, da hatten wir in Sarkophagen in Treptow, da hatten wir Farbschmierereien, wo man schon, ja, teilweise raus lesen konnte, das hat jetzt schon irgendwie was mit Wut gegenüber Russland zu tun, wie das gerade mit dem Konflikt mit der Ukraine läuft. Das war schon ein bisschen raus zu lesen."
    Sedat Àtisman wird die vielen Reisebusse aus Osteuropa vermissen
    54 Stufen führen zum sowjetischen Kriegerdenkmal im Treptower Park. Auf dem Gipfel eines aufgeschütteten Hügels befindet es sich. Mit dem Schwert zeigt der Soldat auf das zerschmetterte Hakenkreuz, im Arm trägt er ein Kind. Vor der Krypta, die den Sockel bildet für die riesige Bronzestatue, liegen bereits etliche frische Blumengebinde. Rund um die Feiertage zum Kriegsende sei das immer so, erzählt Sedat Àtisman, der Gärtner.
    "Das sind insgesamt so 18, 20 Kranzstände, die kommen oben auf die Krypta. Vor 20 Jahren war einmal auch Putin hier, ich habe ihn gesehen, und unsere Merkel war auch da, Helmut Kohl habe ich gesehen hier, ja."
    Von hier oben aus hat er einen großartigen Blick über die knapp zehn Hektar große Anlage. Es ist die größte ihrer Art in Deutschland. Die hohen Schwarzpappeln an ihren Rändern und die kleineren Hängebirken zwischen den Wegen nehmen der Anlage viel von ihrer Monumentalität. Sedat Àtisman gefällt sie: 20 Jahre hat der türkische Gärtner hier im Treptower Park Hecken geschnitten und Laub gesaugt. Jetzt bekam er einen neuen Einsatzort zugewiesen: Das sowjetische Ehrenmal im Tiergarten.
    Ein bisschen wehmütig macht ihn das schon. Er wird die vielen Reisebusse aus Osteuropa vermissen. Und die deutschen Besucher? Woher kommen sie? Keine Ahnung, grinst er.
    "Frage ja nicht, ob der DDR-Bürger ist, ob er Westdeutscher ist, Mensch ist Mensch, also kommen hier die Besucher, legen sie Blumen ab, beten manchmal, und die sagen alle, dass es hier schön gepflegt ist, viel schöner als zu DDR-Zeiten."
    Auch sein Nachfolger tut alles, damit die Anlage bestens vorbereitet ist auf die vielen Besucher am 8. und 9. Mai. Dann werden hunderte Menschen der gefallenen sowjetischen Soldaten gedenken und gemeinsam mit der Bolschewistischen Kurkapelle die Befreiung vom Nationalsozialismus feiern. Und möglicherweise werden pro-russische Nationalisten dafür demonstrieren, dass die Ukraine zu Russland gehört. Wie schon im vergangenen Jahr. Politische Manifestationen gehören am sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park fast schon zum Alltag.