Es war, als sollten Eugène Ionescos "Stühle" gegeben werden: auf der leeren schwarzen Bühne zunächst ein einsamer Stuhl. Auf ihm nimmt Marie Platz, die Katalysatorin der Tragödie. Mit wallenden, blondgelockten Haaren. Zu ihren Füßen das namenlose Kind. Franz Wozzeck, der 'Stadtsoldat’, schlurft heran. Seine Uniform – wie die des Hauptmanns, der im unbestimmten Hintergrund auftaucht und den er eigentlich zu rasieren hätte – erinnert an die Montur der Kriegsheimkehrer von 1918 (also nicht an die Entstehungszeit der Büchnerschen Szenenfolge, sondern die der Oper von Alban Berg).
Der vom Leben gebeutelte Mann ist – und dies zeigt er mit überdeutlichen Gesten – hin und her gerissen zwischen der Zuwendung für die etwas irregulär zustande gekommene Kleinfamilie und seinen Pflichten. Konsequenterweise sieht man ihn zusammen mit Kamerad Andres auch nicht bei einer konkreten Dienstleistung für die Offiziere, sondern in sicherer Distanz Wache stehen. Warum und wofür ist nicht zu ersehen. Und konsequent ist nun auch, dass Marie über keinerlei Haushalt verfügt, der Arzt über keinen Ordinationsraum (aber immerhin einen zweiten Stuhl) und der Wirtshausgarten über keine Kastanienbäume. Die Musiker dort nutzen einen dritten harten Holzstuhl, damit der Akkordeonspieler nicht im Stehen spielen muss, und der prophetische Alkoholiker erhält einen vierten, an den er sich klammern kann, wenn er diagnostiziert, dass das Geld in Verwesung übergeht.
Es ist naheliegend, in der Figur des "vergeisterten" Franz W., den seine Lebensgefährtin für "hirnwütig" erklärt, heute zum Beispiel den unehelichen Urgroßvater eines Hartz IV. empfangenden Rückkehrers vom Afghanistaneinsatz zu erkennen. Freilich vermeidet die Inszenierung von Stéphane Braunschweig die Übertragung der Geschichte des in den Vormärz-Jahren hingerichteten Mörders in ein konkretes Hier und Heute ebenso wie die karikaturenhafte Überzeichnung von Hauptmann, Tambourmajor und Mediziner. Und es bleibt bei der kargen Bestuhlung des leeren Raums. Die Kasernennacht kommt ohne Betten aus – die Männer liegen einfach im Kreis herum auf dem Boden. Und das Tötungsdelikt ohne Unterholz, der Selbstmord des Täters ohne See. Nur der rote Mond ist mit von der Partie. Und natürlich das hoch leistungsfähige Mahler Chamber Orchestra, das für diesen Abend gewaltig verstärkt werden musste.
Der kurzgeschorene Georg Nigl wurde am Ende zu Recht als Gestalter der Titelpartie gefeiert: er verkörpert den eskalierenden Wahnsinn des Mannes, der [keine guten Voraussetzungen hat und von seiner Umwelt in die Enge, dann] zu der Wahnsinnstat getrieben wird. Auch die Rolle des Hauptmanns ist mit Andreas Conrad, die des Doktors mit Wolfgang Bankl vorzüglich besetzt: beide sind sie stimmgewaltige Stützen der Produktion. Angela Denoke nuanciert die Gemütslagen der Marie: sie wartet so anschaulich wie sie herrisch herrscht und anrührend leidet; sie versteht, nachdenklich, fromm, lasziv und verzweifelt zu sein.
Was Daniel Harding betrifft, fällt Objektivität schwer. Man placierte mich direkt hinter dem insgesamt sehr zügig zu Werk gehenden Dirigenten – zwischen den ganzen reichen Leuten, die angesichts der prächtigen Musik für den armen Mann dahin und daher schmolzen; ermöglicht war also die Teilhabe selbst an den kleinsten Gesten des Differenzierens für die feinsten Übergänge und Abschattierungen: gleichsam Beteiligung also an den Kommandostrukturen, dem Mitstöhnen und den Ermunterungen für den Schönberg Chor oder die massive Blechphalanx hinten links. Da gab es nicht den kleinsten Moment des Nachlassens an Intensität. Dort gibt es für ungemütliche Kritiker ggf. keine Premierenkarten (und später nützten sie in unserem Gewerbe nicht mehr viel). In Wien setzen sie dich so, dass du gar nicht anders kannst, als in den Sog der Musik hineingezogen zu werden.
Der vom Leben gebeutelte Mann ist – und dies zeigt er mit überdeutlichen Gesten – hin und her gerissen zwischen der Zuwendung für die etwas irregulär zustande gekommene Kleinfamilie und seinen Pflichten. Konsequenterweise sieht man ihn zusammen mit Kamerad Andres auch nicht bei einer konkreten Dienstleistung für die Offiziere, sondern in sicherer Distanz Wache stehen. Warum und wofür ist nicht zu ersehen. Und konsequent ist nun auch, dass Marie über keinerlei Haushalt verfügt, der Arzt über keinen Ordinationsraum (aber immerhin einen zweiten Stuhl) und der Wirtshausgarten über keine Kastanienbäume. Die Musiker dort nutzen einen dritten harten Holzstuhl, damit der Akkordeonspieler nicht im Stehen spielen muss, und der prophetische Alkoholiker erhält einen vierten, an den er sich klammern kann, wenn er diagnostiziert, dass das Geld in Verwesung übergeht.
Es ist naheliegend, in der Figur des "vergeisterten" Franz W., den seine Lebensgefährtin für "hirnwütig" erklärt, heute zum Beispiel den unehelichen Urgroßvater eines Hartz IV. empfangenden Rückkehrers vom Afghanistaneinsatz zu erkennen. Freilich vermeidet die Inszenierung von Stéphane Braunschweig die Übertragung der Geschichte des in den Vormärz-Jahren hingerichteten Mörders in ein konkretes Hier und Heute ebenso wie die karikaturenhafte Überzeichnung von Hauptmann, Tambourmajor und Mediziner. Und es bleibt bei der kargen Bestuhlung des leeren Raums. Die Kasernennacht kommt ohne Betten aus – die Männer liegen einfach im Kreis herum auf dem Boden. Und das Tötungsdelikt ohne Unterholz, der Selbstmord des Täters ohne See. Nur der rote Mond ist mit von der Partie. Und natürlich das hoch leistungsfähige Mahler Chamber Orchestra, das für diesen Abend gewaltig verstärkt werden musste.
Der kurzgeschorene Georg Nigl wurde am Ende zu Recht als Gestalter der Titelpartie gefeiert: er verkörpert den eskalierenden Wahnsinn des Mannes, der [keine guten Voraussetzungen hat und von seiner Umwelt in die Enge, dann] zu der Wahnsinnstat getrieben wird. Auch die Rolle des Hauptmanns ist mit Andreas Conrad, die des Doktors mit Wolfgang Bankl vorzüglich besetzt: beide sind sie stimmgewaltige Stützen der Produktion. Angela Denoke nuanciert die Gemütslagen der Marie: sie wartet so anschaulich wie sie herrisch herrscht und anrührend leidet; sie versteht, nachdenklich, fromm, lasziv und verzweifelt zu sein.
Was Daniel Harding betrifft, fällt Objektivität schwer. Man placierte mich direkt hinter dem insgesamt sehr zügig zu Werk gehenden Dirigenten – zwischen den ganzen reichen Leuten, die angesichts der prächtigen Musik für den armen Mann dahin und daher schmolzen; ermöglicht war also die Teilhabe selbst an den kleinsten Gesten des Differenzierens für die feinsten Übergänge und Abschattierungen: gleichsam Beteiligung also an den Kommandostrukturen, dem Mitstöhnen und den Ermunterungen für den Schönberg Chor oder die massive Blechphalanx hinten links. Da gab es nicht den kleinsten Moment des Nachlassens an Intensität. Dort gibt es für ungemütliche Kritiker ggf. keine Premierenkarten (und später nützten sie in unserem Gewerbe nicht mehr viel). In Wien setzen sie dich so, dass du gar nicht anders kannst, als in den Sog der Musik hineingezogen zu werden.