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Soziale Insekten
Duftstoffe der Macht

Entomologie. - In Insektenstaaten hat nur die Königin Nachkommen. Ihre grundsätzlich ebenfalls fruchtbaren Untertanen sterilisiert sie durch Duftstoffe. Welche Verbindungen genau wirksam sind, war bislang unklar. Ein internationales Forscherteam bringt mit einem Bericht in "Science" etwas Licht ins Dunkel.

Von Jochen Steiner | 17.01.2014
    "For the wasps be basically put an advertisement in the newspaper to ask people if they have wasps in their garden because that is the easiest way to collect wasps."
    Um an Wespen zu kommen hätten sie einfach eine Anzeige in der Zeitung geschaltet und die Leute gefragt, ob sie Wespennester im Garten haben. Das sei die einfachste Art, Wespen zu sammeln, so Dr. Jelle van Zweden von der Universität im belgischen Leuven. Außerdem deckten sich der Biologe und seine Kollegen noch mit einigen Ameisennestern und Hummelvölkern ein. Ihr Interesse galt bestimmten Duftstoffen, mit denen die Königinnen dieser Insekten die Fruchtbarkeit ihrer Arbeiterinnen unterdrücken.
    "Bei kleinen Gemeinschaften können die Königinnen ihre Arbeiterinnen durch aggressives Verhalten in Schach halten. Aber in großen Völkern funktioniert das nicht, dann setzten sie Duftstoffe, Pheromone, ein."
    Diese bewirken, dass die Eierstöcke der Arbeiterinnen verkümmern und sie vorübergehend unfruchtbar werden. Allein den Königinnen bleibt es vorbehalten, Nachkommen zu zeugen. Seit über 20 Jahren interessieren sich Forscher für diese Pheromone bei sozialen Insekten, viele potentielle Kandidaten der Duftstoffe sind bekannt. Doch welche genau bei wildlebenden Insekten bewirken, dass die Arbeiterinnen unfruchtbar werden, war unklar. Van Zweden und sein Team entfernten deshalb zunächst die Königinnen aus den Völkern.
    "Wir haben dann die Anwesenheit der Königinnen vorgetäuscht. Zwei bis drei Wochen lang haben wir jeden Tag in den Völkern unterschiedliche Pheromone versprüht."
    Die Forscher testeten bei ihren Wespen, Ameisen und Hummeln je fünf Pheromone, von denen sie annahmen, dass sie die Arbeiterinnen unfruchtbar machen. Darunter waren einige gesättigte Kohlenwasserstoffe und Ester. Diese Verbindungen finden sich normalerweise auf dem Körper der Insekten. Nach den Versuchen schauten sich van Zweden und sein Team die Eierstöcke der Arbeiterinnen an.
    "Viele dieser Verbindungen waren tatsächlich aktiv. Bei den Wespen und Ameisen konnten wir drei Alkane, also Kohlenwasserstoffe dafür verantwortlich machen, dass die Eierstöcke der Arbeiterinnen verkümmert waren. Bei den Hummeln war es nur ein Alkan, die Ester hatten bei ihnen nichts bewirkt."
    Anschließend durchforsteten die Wissenschaftler die Fachliteratur nach sämtlichen Veröffentlichungen über den Einsatz von Pheromonen bei Insekten. Sie konnten 64 Insektenarten auflisten und ihnen die jeweils verwendete Stoffgruppe von Pheromonen zuordnen.
    "Was wir herausgefunden haben ist, dass die gesättigten langkettigen Kohlenwasserstoffe die Stoffgruppe ist, die von all diesen Arten und deren gemeinsamen Vorfahren am häufigsten eingesetzt wurde."
    Das bedeute, so van Zweden, dass diese Stoffe schon früh in der Evolution der Insekten aufgetaucht sind. Erstmals könnte das vor etwa 140 Millionen Jahren der Fall gewesen sein, schätzt der Biologe. Warum gerade die Kohlenwasserstoffe schon seit so langer Zeit als Duftstoffe dienen, darüber können die Wissenschaftler bislang nur spekulieren. Was sie wissen ist, dass diese Verbindungen bereits bei den Vorfahren der sozial lebenden Insekten eine Rolle gespielt haben, etwa als Sexualhormon. Vielleicht, so van Zweden, war das der Startpunkt für die weite Verbreitung der Kohlenwasserstoffe bei den Insekten.