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"Sozialer Arbeitsmarkt"
Umstrittenes Instrument gegen Langzeitarbeitslosigkeit

Die SPD will sich mit einem Hilfspaket für Hartz IV-Bezieher stärker in der Großen Koalition profilieren: Das Programm zum sogenannten sozialen Arbeitsmarkt soll Langzeitarbeitslosen helfen. Doch das Konzept findet nicht überall Anklang.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 18.07.2018
    Hubertus Heil steht an einem Redepult seines Ministeriums für Arbeit und Soziales und spricht.
    Hubertus Heil (SPD) will allen Hartz IV-Empfängern, die mindestens sieben Jahre arbeitslos sind, einen staatlich bezuschussten Job anbieten, gepaart mit Coaching und Weiterbildungs-Angeboten. (dpa/Britta Pedersen)
    Es ist ein Herzensanliegen der Sozialdemokraten, ein Projekt, von dem die SPD hofft, sich in der Großen Koalition stärker profilieren zu können. Denn der sogenannte soziale Arbeitsmarkt soll Menschen helfen, die früher einmal zur Kernklientel der SPD zählten:
    "Wenn Sie sieben Jahre im Leistungsbezug sind, dann haben Sie meistens nicht nur das Problem, dass Sie wenig Geld haben, weil sie kein Einkommen haben, sondern Sie haben meistens ganz viele begleitende soziale Probleme."
    Sagt Arbeitsminister Hubertus Heil im ZDF-Morgenmagazin. Der Sozialdemokrat will allen Hartz IV-Empfängern, die mindestens sieben Jahre arbeitslos sind, einen staatlich bezuschussten Job anbieten, gepaart mit Coaching und Weiterbildungs-Angeboten.
    "Das heißt, ab 1. Januar können Tätigkeiten gefunden werden, in Unternehmen, bei Wohlfahrtsverbänden, bei Kommunen: Sinnvolle Arbeit für Menschen, damit die wirklich eine Perspektive haben, damit der Tag sich wieder strukturiert, damit Sie Kolleginnen und Kollegen haben, damit Ihnen die Decke nicht auf den Kopf fällt, und genau darum geht’s."
    "Förderzeitraum von fünf Jahren ist ganz klar zu lang"
    Bis zu fünf Jahre lang sollen Langzeitarbeitslose das Angebot nutzen können, wobei die Zuschüsse ab dem dritten Jahr um jeweils zehn Prozentpunkte gekürzt und schließlich ganz vom Arbeitgeber übernommen werden. Kritik kommt vom Koalitionspartner CDU:
    "Meines Erachtens schießt man über das Ziel hinaus. Ein Förderzeitraum von fünf Jahren ist ganz klar zu lang. Wer nach zwei Jahren den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt nicht schafft, der schafft ihn auch nicht nach fünf Jahren."
    Meint Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann. Auch bei den Arbeitgebern hält sich die Begeisterung in Grenzen: Sollten Langzeitarbeitslose allzu einseitig im öffentlichen Sektor unterkommen, fehlt ihnen eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt, meint BDA-Präsident Ingo Kramer.
    Lohnzuschuss höchstens auf Mindestlohn-Niveau
    Fraglich ist zudem, wie viele der gut 800.000 Hartz IV-Bezieher überhaupt profitieren werden. Nur ein geringer Teil, glaubt Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund:
    "Das sind also weit über eine halbe Million Menschen. Man wird nicht für die alle etwas finden können. Dafür sind auch die Mittel vielleicht etwas wenig. Es sind ja vier Milliarden, das ist eine riesige Summe, aber wenn man das umlegt auf 800.000 Personen, dann ist klar, dass wir hier wahrscheinlich reden über 100.000 oder 150.000."
    So Landsberg heute früh im SWR. Umstritten ist an den Plänen schließlich auch, dass Langzeitarbeitslose den Lohnzuschuss höchstens auf Mindestlohn-Niveau erhalten sollen. Die Sozialverbände und die Linkspartei kritisieren das scharf, doch Arbeitsminister Heil beugt sich damit dem Druck von CDU und CSU:
    "Das werden wir im parlamentarischen Verfahren miteinander besprechen. Aber der Koalitionsvertrag sagt: Auf Basis Mindestlohn, und da hat der Koalitionspartner auch drauf hingewiesen, und deshalb beschließen wir jetzt erst mal einen Gesetzentwurf und reden dann darüber, wie wir das Problem auch noch lösen."
    Hubertus Heil muss Geld einsparen und investieren
    Die Sache bleibt erst einmal verzwickt: Nach dem Kabinettsbeschluss ist nun das Parlament am Zuge. Auf den Arbeitsminister wartet derweil die nächste Herausforderung: Einerseits den Arbeitslosenbeitrag zu senken, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen - zugleich aber den Arbeitsmarkt mit milliardenschweren Qualifizierungsmaßnahmen für die Digitalisierung zu rüsten. Hubertus Heil muss also Geld einsparen und investieren - und so ist in Berlin bereits die Rede vom Pokerspiel des Bundesarbeitsministers.