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Sozialstrukturen von Elefantenherden
Robust vernetzte Dickhäuter

Afrikanische Elefanten werden wegen ihres Elfenbeins stark gewildert. Allein 100.000 Tiere sollen laut Schätzungen zwischen 2010 und 2012 dem Gewehr zum Opfer gefallen sein. Wilderer schießen bevorzugt alte Leitkühe, weil diese die längsten Stoßzähne besitzen. Eine Studie von Wildtierökologen in Kenia zeigt, dass das Beziehungsgeflecht der Elefanten untereinander erstaunlich robust reagiert.

Von Lucian Haas | 18.12.2015
    Elefantenzähne liegen nebeneinander auf einem Asphaltboden
    Laut Schätzungen werden pro Jahr rund 50.000 afrikanische Elefanten des Elfenbeins wegen umgebracht. (picture alliance / dpa / Chinafotopress)
    Elefanten sind sehr soziale Tiere. Sie leben in Gruppen, die von dem jeweils ältesten Weibchen als Matriarchin angeführt werden, erzählt Shifra Goldenberg, eine Wildtierökologin an der Colorado State University. Sie erforscht den sozialen Zusammenhalt von Elefantengruppen und -herden in Kenia.
    "Wie bei Menschen haben die alten Elefanten ein ungeheures Wissen. Sie speichern auch sehr viele soziale Informationen. Mit welchen anderen Elefantengruppen man als Clan verbunden ist, wo und wann man sie am besten trifft. Im sozialen Netz der Elefanten spielen die alten Weibchen eine zentrale Rolle."
    Weibchen spielen eine zentrale Rolle
    Heute werden in Afrika gerade die ältesten Elefanten am stärksten illegal gejagt. Die Stoßzähne von Elefanten wachsen ein Leben lang, weshalb alte Tiere in der Regel die größten Stoßzähne besitzen. So werden sie zum bevorzugten Ziel von Wilderern. In den vergangenen Jahren ist die Wilderei in Ostafrika stark aufgeflammt. Laut Schätzungen werden pro Jahr rund 50.000 afrikanische Elefanten des Elfenbeins wegen umgebracht. Für den Erhalt der Populationen in freier Wildbahn ist das nicht nur wegen der hohen Abschusszahlen bedenklich.
    "Durch die Wilderei werden selektiv die alten Weibchen aus den Herden entfernt. Das sind aber die am stärksten vernetzten Tiere. Man könnte sich die Folgen wie in anderen Netzwerken vorstellen. Nehmen wir zum Beispiel das Internet. Wenn man da eine zentrale Webseite, die viele andere Webseiten über Links miteinander verbindet, einfach abschaltet, gehen die Verbindungen zwischen den anderen Seiten verloren. Bei den Tieren ist das ähnlich. Wenn man die zentralen Knotenpunkte entfernt, so würden wir erwarten, dass die vorhandenen sozialen Strukturen zusammenbrechen."
    Eine Periode starker Wilderei
    Ohne Leittiere verlieren die Herden ihren Zusammenhalt. Das war zumindest die Grundannahme, mit der Shifra Goldenberg die Entwicklung verschiedener Elefantenherden in zwei Nationalparks in Kenia analysierte. Sie verglich Herdenstrukturen von vor 15 Jahren, als dort nur wenig gewildert wurde, mit Daten aus der Zeit von 2012 bis 2014 - einer Periode starker Wilderei.
    70 Prozent der ursprünglich erfassten Tiere lebten da schon nicht mehr. Doch überraschenderweise waren die sozialen Strukturen der Elefantengruppen - der Wilderei zum Trotz - stabil erhalten geblieben. Die nun jeweils ältesten Elefantenweibchen einer Gruppe agierten wieder als Matriarch. Und in der weiteren Sozialordnung hatten häufig Töchter genau jene Position übernommen, die ihre gewilderten Mütter zuvor innehatten. Selbst die Beziehungen zu anderen, entfernteren Elefanten wurden gewissermaßen überliefert.
    Beziehungen werden überliefert
    Für Shifra Goldenberg sind das gute Nachrichten. Denn damit erhöhen sich die Chancen, dass die Elefanten in freier Wildbahn eine Zukunft haben können.
    "Dafür wäre es wichtig, dass wir den Elefanten wieder mehr Raum geben und sie vor der Wilderei bewahren. Dann können sie ihre Gesellschaft wieder aufbauen. Allerdings muss man bedenken, dass wir hier nur die sozialen Beziehungen studiert haben. Wir wissen noch nicht, wie der Verlust der alten Matriarchinnen und ihrer Erfahrung sich beispielsweise auf die Überlebenschancen junger Elefantenkälber auswirkt. Das sind sehr wichtige Fragen, um verstehen zu können, wie das menschliche Handeln die Elefanten langfristig beeinflusst. "