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Sparen beim Sex?

Ursprünglich stand die Kieler Sexualforschung vor dem Aus. Jetzt soll ein neu geschaffener Zertifikatsstudiengang die Themen erhalten. Der Kompromiss reicht den Studierenden allerdings nicht.

Von Dietrich Mohaupt | 23.02.2012
    Die Kuh ist vom Eis – so sieht das jedenfalls der Präsident der Uni Kiel, Professor Gerhard Fouquet. Festgehalten wurde das in einem Vier-Punkte-Plan, unter anderem vorsieht, künftig wieder Veranstaltungen im Bereich Sexualmedizin für die Fächer Psychologie und Rechtsmedizin anzubieten. Gemeinsam mit der medizinischen Fakultät habe man aber noch einen weiteren Schritt vereinbart, erläutert der Uni-Präsident.

    "Das ist der entscheidende Punkt, nämlich die Einrichtung eines Zertifikatsstudiums Sexualmedizin in der medizinischen Fakultät. Ein Angebot, das es bislang nicht gab!"

    Forschung und Lehre im Bereich Sexualmedizin in Kiel sind mit diesen Entscheidungen – aus Sicht des Uni-Präsidenten – langfristig gesichert. Aber was wird aus der Patientenversorgung, was aus den Präventionsprojekten, die im Institut für Sexualmedizin bisher angesiedelt waren, fragen die Vertreter der Studierenden an der Uni Kiel. Für sie saß Simone Weigel mit am runden Tisch – Sicherheit für Forschung und Lehre, schön und gut, meint sie, das geplante Zertifikatsstudium ist sicher ein guter Kompromiss:

    "Wir als Studenten möchten aber bei dieser Thematik und bei diesem Kompromiss nicht, dass die Lehre erhalten bleibt und dafür aber die Patientenversorgung leiden muss, das soll nicht auf Kosten der Patientenversorgung geschehen. Die Sektion Sexualmedizin muss als Ganzes unserer Meinung nach auch erhalten bleiben, weil das die einzige Institution ist, die Forschung, Lehre und Patientenversorgung bündeln kann."

    Diese Bündelung – und damit viel Kompetenz – drohe verloren zu gehen, mahnt Simone Weigel, denn: Die Versorgung von Patienten – also verurteilter Sexualstraftäter oder sexuell gestörter Männer – zum Beispiel Pädophiler oder Exhibitionisten – die bisher nicht straffällig geworden sind und teils freiwillig, teils auf Gerichtsbeschluss in anonymen Therapien behandelt werden – die Versorgung dieser Patienten also soll künftig noch stärker an das Zentrum für integrierte Psychiatrie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein angebunden werden. Deshalb das bevorstehende Ende der Sexualmedizin in Kiel zu beschwören, hält Wissenschaftsminister Jost de Jager für übertrieben.

    "Schon jetzt werden 80 Prozent der Krankenversorgungsmaßnahmen im Bereich der Sexualmedizin, des Opferschutzes und aber auch der Forschung und Lehre im Bereich des Zentrums für integrierte Psychiatrie gemacht. Und insofern ging es eher um die Frage einer vernünftigen organisatorischen Aufhängung dieser Sektion. Und nicht so sehr um die Frage, ob an dieser Sektion die gesamte Sexualmedizin in Schleswig-Holstein hängt – das ist ein Stück Fehlwahrnehmung gewesen und das hat sich mit der Lösung jetzt auch korrigiert."

    Wie diese "vernünftige organisatorische Aufhängung" künftig konkret aussehen soll, zum Beispiel auch, was die im Verantwortungsbereich der Uniklinik gestrichenen Stellen des Instituts für Sexualmedizin angeht – dazu gibt es von der Klinikleitung derzeit keine erschöpfende Auskunft. Die Arbeitsfähigkeit werde erhalten bleiben, alles weitere werde man im Verlauf einer Bedarfsanalyse klären, teilte ein Sprecher des Klinikums mit. Dem Wissenschaftsminister reicht das:

    "Für uns war wichtig, dass das umgesetzt wird, was der Landtag beschlossen hat – dass es durch eine Umorganisation keine Abstriche gibt bei der Opferbetreuung, bei der Forschung, bei der Lehre und auch bei der Krankenversorgung im Bereich der Sexualmedizin und das ist voll erfüllt."

    Damit wollen sich die Studierenden an der Uni Kiel aber nicht zufriedengeben. Für sie ist zum Beispiel nicht sicher, dass sich das geplante Zertifikatsstudium Sexualmedizin so einfach in den sehr engen Studienplan der Humanmedizin einbauen lässt – und was das Zertifikat am Ende wert sein wird, das könne auch noch niemand sagen, kritisiert ASta-Sprecherin Simone Weigel. Am frühen Nachmittag wollen die Kieler Studenten deshalb noch einmal vor dem Landtag gegen die Pläne der Uni und der Landesregierung protestieren.