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Sparkurs an Italiens Universitäten

Italien muss sparen. Das Land steckt in der Krise und das bekommen auch die Universitäten zu spüren. Zahlreiche Kurse werden zusammengelegt und manche Dozenten unterrichten gratis.

Von Kirstin Hausen | 31.10.2012
    Die Bar Rosa im Mailänder Zentrum. Hier treffen sich gerne die Studierenden der nahe gelegenen staatlichen Universität. Das Semester hat begonnen, wenn auch schleppend. Aufgrund der von oben verordneten Sparmaßnahmen müssen Kurse zusammengelegt und manche Vorlesungen gar gestrichen werden. Doch für manche Fächer steht noch nicht fest, welche. Ein Chaos. Und auch wenn sie im offiziellen Verzeichnis nicht mehr auftauchen, finden manche Veranstaltungen trotzdem statt. Auf private Initiative der Dozenten, wie der Soziologieprofessor Nando dalla Chiesa erklärt:

    "Einsparpotenzial sehe ich nur noch in der oberen Verwaltungsetage, nicht im regulären Universitätsbetrieb. Da müssen wir Dozenten bereits mehr arbeiten und noch dazu gratis. Ich und viele meiner Kollegen machen das, wir haben beschlossen, Bildung und Kultur zu verteidigen, indem wir unsere Anstrengungen verdoppeln."

    Und eben gratis unterrichten. Die Studierenden bedanken sich mit Applaus vor jeder Lektion. Sie fühlen sich den Dozenten in der Krise viel mehr verbunden als früher. Der gemeinsame Protest gegen die Sparpolitik erst der Regierung Berlusconi und dann der Regierung Monti, hat sie zusammengeschweißt. Den meisten Studienanfängern ist bewusst, dass sie in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten studieren und ihnen der Abschluss keinen Arbeitsplatz garantiert. Alina hat sich trotzdem für Romanistik eingeschrieben.

    "Wenn du Sprachwissenschaften studierst, dann weißt du, dass du nach deinem Abschluss keinen sicheren Job angeboten bekommst. Du musst dich selbst bemühen."

    Trotz schlechterer Jobaussichten ist der Run auf die Hochschulen ungebremst. In Italien haben in den vergangenen Jahren durchschnittlich 70 Prozent eines Abiturjahrgangs ein Studium begonnen, in Deutschland waren es 2009 43 Prozent. Einige schreiben sich ein, weil sie keine Ausbildungsstelle gefunden haben und Zeit gewinnen wollen, andere lassen sich durch die Situation auf dem Arbeitsmarkt gar nicht beeinflussen.

    Verändert hat sich in Italien die Fächerauswahl. Die geisteswissenschaftlichen Studiengänge haben an Attraktivität verloren, medizinische Studiengänge und die Wirtschaftswissenschaften finden dagegen in der Krise mehr Anklang als früher. Und auch Politikwissenschaftler wie Sara sehen ihre Zukunft eher in der Privatwirtschaft als in staatlichen Institutionen. Der von der Regierung verhängte Einstellungsstopp in der öffentlichen Verwaltung hat sie zu einem Richtungswechsel bewegt.

    "Ich spezialisiere mich jetzt auf Handelsbeziehungen. Als ich mich eingeschrieben habe, schwebte mir eine diplomatische Karriere vor, aber das war 2007. Jetzt in der Krise habe ich umgesattelt, damit ich nach der Uni mehr Chancen auf einen Arbeitsplatz habe und mich auch bei internationalen Betrieben bewerben kann, nicht nur bei Institutionen."

    Der Spardruck der Universitäten zeigt sich auch an der gesunkenen Vergabe von Stipendien. Das benachteiligt Studierende mit geringen finanziellen Mitteln. BAföG gibt es in Italien nicht, meist sind es die Eltern, die zahlen. Das führt zu einer finanziellen Abhängigkeit, die in der aktuellen Wirtschaftskrise fatal sein kann. Denn verliert der Vater seinen Job, kann der Sohn nicht weiter studieren. Die Zahl junger Leute, die weder arbeiten noch in der Ausbildung sind, steigt. Das schade allen, meinen Sara und ihr Kommilitone Raimondo.

    "An Ausbildung und Forschung zu sparen ist nicht ratsam, weil sie fundamental sind für eine Gesellschaft."

    "Wenn man nicht in die junge Generation investiert, weiß ich nicht, wie es mit diesem Land weitergehen soll. Wir Jungen müssen schließlich einmal ein Heer von Rentnern finanzieren und unsere eigene Rente ist mehr als unsicher."

    In den internationalen Rankings heben sich die staatlichen Universitäten Italiens nicht besonders positiv hervor. Trotzdem gehen deutsche Studierende nach wie vor gerne nach Italien, auch wenn sie vielleicht nicht so viele Credit Points mit nach Hause bringen wie geplant. Für die 23-jährige Anna aus Konstanz ist Italien nicht in erster Linie ein Krisenland, sondern die Wiege der Kultur.
    "Das Gefühl beim Studieren ist ganz anders. Als ich hier in die Universität gegangen bin: man bekommt schon so ein Gefühl von Ehrfurcht, hier studieren viel mehr Philosophie, in Deutschland ist das Fach männerlastig, hier ist es sehr ausgeglichen, und es ist viel anerkannter, hat einen höheren Stellenwert als bei uns. Wenn ich hier sage, Philosophie, oh Philosophie Mir gefällt's hier sehr gut."