Samstag, 04. Mai 2024

Archiv

Sparkurs bei der BBC
Angst um Wettbewerb auf dem Zeitungsmarkt

Die Regierung in London will die BBC, das Flaggschiff des britischen Rundfunkjournalismus, schrumpfen. Zu mächtig und zu teuer, so der Vorwurf. Der Sparkurs sorge für mehr Wettbewerb. Die Branche ist in Aufruhr und fragt: Bedrohung oder Chance?

Von Sandra Pfister | 12.09.2015
    Ein Fußgänger läuft am BBC-Gebäude in London vorbei.
    Das BBC-Gebäude in London. (dpa / picture alliance / Andy Rain)
    "Die Times, Daily Telegraph, Daily Mail oder die Sun oder den Mirror: in zehn Jahren werden das Onlinezeitungen sein. Wir wollen nicht, dass die BBC die nationalen Zeitungen komplett platt macht. Es ist ein gutes Produkt, aber ihre Ambitionen werden ein wenig imperial."
    Mit anderen Worten: Ein aufgeblähter Apparat, zu dick und mächtig, der den Wettbewerb verzerrt; darin stimmen die meisten Zeitungsredakteure dem Schatzkanzler George Osborne durchaus zu, auch der freie Londoner Zeitungsreporter York Membery:
    "Es herrscht schon das Gefühl, dass die BBC zu viel Geld ausgibt. Wenn sie über große Events berichtet, wie Rockkonzerte, dann schicken sie einen Haufen Leute dahin. Ich kenne Leute von privaten Anbietern, die das ganz klar mit viel weniger Leuten covern könnten."
    Jedenfalls will die Regierung die BBC zum Sparen zwingen. Schon vor Monaten gab es keine Gebührenerhöhung mehr, jetzt hat die Regierung angekündigt, ab 2018 eine Art Subvention zu streichen, die de facto ein Fünftel des BBC-Haushaltes ausmacht: Die Regierung übernimmt bislang Gebühren für Senioren über 75. Für die de facto-Kürzung des BBC-Budgets hat die Regierung im Londoner Oberhaus heftigen Gegenwind geerntet, garniert nur mit Spuren von Kritik, so auch Baroness Joan Bakewell, selbst ehemalige Fernseh-Moderatorin der BBC.
    "Die BBC hat viele Fehler, die man angehen muss. Ich hab für sie gearbeitet, ich muss es wissen. Zu viele Manager sagen der kreativen Klasse, was sie tun soll. Sie bezahlt zu viel für ihre Stars und Aushängeschilder. Die Verwaltung der Renten kostet einfach extrem viel. Und es fehlt an Klarheit in ihren Strukturen. Wir brauchen einen Wandel, aber der muss von innen kommen."
    Wandel von innen – so hat sich das wohl auch BBC-Direktor Tony Hall gedacht. Jetzt hat er hingegen eine Vision entworfen, die paradoxerweise noch viel mehr kostet als bisher: "Open BBC". Die BBC will ihr Internetangebot stärken und dort auch Beiträge britischer Museen, Forschungseinrichtungen und Theater einbauen. Tony Hall:
    "Unsere Innovationen sind ein neuer Anfang für die BBC: die BBC als offene Plattform für britische Kreativität. Wir wollten immer das Beste liefern, jetzt liefern wir das Beste von allen für jedermann."
    Unter Sparzwang Reformen vorschlagen, die Geld kosten: Das wirkt auf viele dreist genug. Noch umstrittener ist die Antwort des BBC-Chefs auf den Vorwurf, sein übermächtiger Sender drücke mit Gebührengeldern die Lokalpresse an die Wand. Hall will hundert Redakteure zusätzlich als Lokalreporter abstellen, die den Zeitungen zuliefern sollen. Was als großzügige Geste rüberkommen soll, empfinden einige britische Zeitungsverleger als "Trojanisches Pferd", mit dem die BBC selbst in den Markt für lokale Nachrichten hineindränge. Kein Wunder: Damit würde die BBC auch die letzten Lokalreporter der Zeitungen überflüssig machen.