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Speed Dating
Junge Flüchtlinge treffen Bremer Ausbildungsbetriebe

Beim Speed-Dating sollen Singles innerhalb weniger Gesprächsminuten merken, ob sie sich mögen. Die Bremer Handelskammer hat nun eine neue Art Speed Dating entwickelt: Junge Flüchtlinge treffen auf Bremer Ausbildungsbetriebe.

Von Franziska Rattei |
    Eine junge Köchin bei der Arbeit
    Eine junge Köchin bei der Arbeit (dpa / picture-alliance / Jens Büttner)
    Kirojan Sivokulunthu lebt seit zweieinhalb Jahren in Bremen. Seine Eltern mussten mit ihm und den drei weiteren Kindern vor dem Krieg aus Sri Lanka fliehen. Heute ist der junge Mann 16 Jahre alt und besucht die allgemeine Berufsschule in Bremen. Dort verbessert er sein Deutsch und sammelt erste Praxis-Erfahrungen im Berufsfeld "Wirtschaft und Verwaltung". In einem halben Jahr wird Kirojan Sivokulunthu seinen Abschluss zur "Erweiterten Berufsbildungsreife" machen. Was danach kommt, weiß der Jugendliche noch nicht genau. Vielleicht kommt "Koch" für ihn in Frage.
    "Kochen macht richtig Spaß, ne? Kann man viel essen und so. Das ist interessant. Ich will einfach probieren."
    Die nächste Runde "Speed Dating" beginnt. Kirojan Sivokulunthu setzt sich an den Info-Tisch des "Bremer Ratskellers". Er ist aufgeregt und nestelt an dem Träger seines Rucksacks herum, den er noch immer auf dem Rücken trägt. Ihm gegenüber sitzen der Leiter des Restaurants, Mimoun Kabuch, und zwei Kolleginnen. Beim Speed Dating ist die Zeit knapp, deshalb geht es gleich zur Sache.
    "Wir nehmen keine Auszubildenden ohne Praktikum. - Also erst Praktikum und dann Ausbildung. -Ja. Damit Sie mindestens vier Wochen Praktikum bei uns machen, um zu gucken: Komm ich klar, ist das ansatzweise das, was ich mir vorstellt habe, und in der Zeit machen wir uns ein Bild."
    Der Schulabschluss und die Noten sind zweitrangig, sagt der Restaurantleiter. Hauptsache, die Azubis sind pünktlich, zuverlässig und aufmerksam. Außerdem müssen Köche auch körperlich fit sein. "Natürlich", sagt er: Junge Flüchtlinge haben viel hinter sich, vielleicht muss das Unternehmen auch noch in eine Einstiegsqualifikation investieren, aber:
    "Um nach vorne zu kommen, muss man auch was dafür tun. Gerade in der heutigen Zeit, wo man Fachkräfte benötigt in jeder Branche, müssen wir aber auch bereit sein zu investieren in unsere Zukunft. Das ist ganz entscheidend."
    Erste Veranstaltung ihrer Art
    Die Veranstaltung "Speed Dating zwischen jungen Flüchtlingen und Bremer Ausbildungsbetrieben" ist die erste ihrer Art. Karlheinz Heidemeyer, Geschäftsführer für die Aus- und Weiterbildung bei der Handelskammer Bremen, ist zufrieden. Ein knappes Dutzend Unternehmen ist gekommen – von der Straßenbahn AG über das Restaurant Ratskeller bis hin zu einem Windenergie-Dienstleister. Und die zukünftigen Azubis, mehr als 60 Jugendliche, schieben sich interessiert von Info-Tisch zu Info-Tisch.
    "Unser Beitrag als Handelskammer oder auch als Teil dieser Gesellschaft sollte sein, dass wir Möglichkeiten bieten, diese Menschen so gut wie möglich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Das ist etwas, was das Gebot der Stunde ist und was wir vielleicht seinerzeit bei der Zuwanderung der damaligen Gastarbeiter falsch gemacht haben. Aber es ist ja nie zu spät, dazu zu lernen."
    Viele der Jugendlichen, sagt Heidemeyer, sind außergewöhnlich motiviert. Zwar haben sie viel Schreckliches erlebt während der Flucht, andererseits sprechen sie meist mehrere Sprachen auf hohem Niveau und wissen ein selbstbestimmtes Leben noch mehr zu schätzen als ihre Alterskollegen. Junge Flüchtlinge sind besondere Azubis, sagt der Vertreter der Handelskammer, aber sie müssen keine besonders schwierigen sein.
    "Ja, das finde ich einfach gut. Wenn ich mal diesen Beruf lernen möchte, dann komme ich zu Euch. – Sehr gern, sehr schön."
    Kirojan Sivokulunthu hat sein Info-Gespräch beim Restaurant "Ratskeller" inzwischen beendet. Ob er in einem guten halben Jahr eine Ausbildung zum Koch beginnt? Er wird es sich überlegen. Ein Speed-Date lang haben er und das Unternehmen sich aber jedenfalls schonmal kennengelernt."