Mittwoch, 24. April 2024

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Hohe Temperaturen
Wie der Sport mit der Rekordhitze umgeht

Die aktuelle Hitzewelle in Teilen Europas hat enorme Auswirkungen auf derzeit stattfindende Sportveranstaltungen. Bei der Tour der France müssen Fahrer bei 40 Grad dehydriert aufgeben, in Augsburg droht die Kanuslalom-WM wegen Wasserknappheit auszufallen. Die Natur zeigt der Branche und der Gesundheit Grenzen auf – doch noch will niemand vor ihr kapitulieren.

Von Mathias von Lieben | 20.07.2022
    Sperrung Eiskanal, Kanu, Welmeisterschaft 2022, ICF, 19.07.2022 Augsburg Bayern Deutschland *** Closure Eiskanal, canoe
    Die Kanuslalom-Strecke Eiskanal in Augsburg musste kurz vor Beginn der Weltmeisterschaft gesperrt werden. Der Grund: Wassermangel im Lech. Mittlerweile kann aber wieder trainiert werden. (IMAGO/kolbert-press)

    1) 40 Grad, Straßenbewässerung und Eissocken – Extreme Hitze bei der Tour de France

    Es war ein Bild, das sich im Netz schnell verbreitete: Als am Sonntag bei der 15. Etappe der Tour de France von Rodez nach Carcassonne 40 Grad Celsius im Schatten gemessen wurden, mussten sogar die Straßen bewässert werden, damit der Teer nicht schmilzt und es zu Unfällen kommt.

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    202 Kilometer war die Etappe lang – und die Pedaleure wurden von ihren Teams mit allen möglichen Hilfsmitteln versorgt: mit deutlich mehr Wasser und Mineralien als sonst, mit Eissocken und Eiswesten. Der Hitze trotzen lautete das Motto. Die Etappe wegen der Hitze abzusagen, kam Tour-Veranstalter ASO nicht in den Sinn. Es gab vorab nur kleinere Änderungen: Trinkflaschen durften anstatt bis 15 bis zehn Kilometer vor dem Ziel gereicht werden. Und die Karenzzeit, der maximale Abstand auf die Siegerzeit, um nicht aus der Tour zu fliegen, wurde auf 20 Prozent verlängert.

    "Ich glaube nicht, dass das gesund ist"

    Doch trotz dieser ergriffenen Maßnahmen stellten sich viele Beobachtende die Frage: Muss das sein? Oder kann eine Etappe nicht auch mal abgesagt oder zumindest verkürzt werden?
    Auch aus dem Fahrerfeld waren kritische Sätze zu hören: "Niemand fährt gerne fünf Stunden lang bei 40 Grad Hitze“, sagte zum Beispiel der zweimalige Tour-Sieger Tadej Pogacar: „Ich glaube auch nicht, dass das gesund ist“. Der Franzose Thibaut Pinot hatte nach der 13. Etappe hatte gesagt: "Es war schrecklich, ein Glutofen." Und John Degenkolb sprach von einer „Wahnsinnsherausforderung für alle."
    Tour de France - Wie sich die Hitzewelle auf den Sport auswirkt
    Seit einigen Jahren gibt es beim Rad-Weltverband UCI zwar ein „Extremwetter-Protokoll". Doch das sieht zunächst einmal nur Beratungen von Ärztinnen, Tourorganisatoren und Fahrervertretern vor, die sich mit der Rennjury beraten können. Eine Rennabsage ist darin nur eine theoretische Option, Grenzwerte sind ebenfalls nicht zu finden - anders als beim Skilanglauf, wo Rennen bei unter minus 20 Grad verboten sind.

    Warnende Beispiele gibt es

    Dabei warnen Ärzte durchaus vor den Gefahren von Leistungssport bei 40 Grad Celsius. Am vergangenen Sonntag hatte der französische Radprofi Alexis Vuillermoz nach einer Etappe mit „nur“ 30 Grad Celsius bereits einen Hitzschlag erlitten.
    Klimaforschende warnen bereits jetzt davor, dass wir uns in den kommenden Jahren und Jahrzehnten an Hitzewellen wie die aktuelle gewöhnen müssten. Tour-Veranstalter ASO tut das offenbar bereits: Neben den Bewässerungs-Fahrzeugen, die mit Wasser die Temperatur des Teers runterkühlen, verschütten Straßenmeistereien derzeit an einigen Tour-Abschnitten auch ein Kalkwassergemisch. Ein Vorgehen, das verhindert, dass sich Asphalt zu stark erhitzt. Die ASO überlegt nun, diese Strategie zukünftig selbst als Veranstalter einzusetzen – auch wenn das wohl nicht als Klimaanpassungsmaßnahme durchgehen dürfte.

    2) Wasserknappheit im Lech – Kanuslalom-WM in Augsburg in Gefahr

    Seit dem 7. Juli können sich Augsburger oder sonstige Kanu-Interessierte die Ausstellung „Wildes Wasser“ des Fotografen Victor van der Saar anschauen. Die Ausstellung ist eine Annäherung an die Augsburger Kanustrecke und ist Teil des kulturellen Begleitprogramms zur Kanu-WM in der Stadt vom 26. bis 31. Juli. Die fotografischen Beobachtungen sollen unter anderem die Wildheit des Wassers demonstrieren.
    Nur: So richtig wild ist an dem Wasser im Eiskanal zurzeit eher wenig. Der Lech, der den Eiskanal normalerweise mit ausreichend Wasser versorgt, hat wegen des schneearmen Winters und der derzeitigen Rekordhitze den niedrigsten Wasserstand seit Jahrzehnten. Nicht genug, um die Stadtbäche und die Kanustrecke wie gewohnt mit Wasser zu bespannen. Am Dienstag ist der Eiskanal daher sogar für das Training der internationalen Kanuslalom-Elite gesperrt worden, weil das noch zur Verfügung stehende Wasser in der Stadt Augsburg benötigt wird.

    Stadt will mit Betonschwellen Wasser stauen und umleiten

    Nun will die Stadt der Natur aber gegensteuern, damit das Turnier doch noch wie geplant ab kommenden Dienstag stattfinden kann. Das Tiefbauamt der Stadt Augsburg hat mittlerweile tonnenschwere Betonschwellen aus dem Straßenbau in einem Nebenbach des Eiskanals versenkt, um Wasser zurückzustauen. Anschließend kann dieses in den Eiskanal eingeleitet werden. Nun sind auch reguläre Trainingseinheiten wieder möglich.
    Sperrung Eiskanal, Kanu, Welmeisterschaft 2022, ICF, 19.07.2022 Augsburg Bayern Deutschland *** Blockage Eiskanal, canoe
    Das Tiefbauamt der Stadt Augsburg versenkt tonnenschwere Betonschwellen aus dem Straßenbau in einem Nebenbach des Eiskanals, um Wasser zurückzustauen. Anschließend kann dieses in den Eiskanal eingeleitet werden. Nun sind auch reguläre Trainingseinheiten wieder möglich. (IMAGO/kolbert-press)
    Mit dieser Havarielösung hofft die Stadt, genügend Wasser für die Kanustrecke heranführen zu können, trotz des Niedrigwassers im Lech. Auch die Unterlieger, etwa Firmen, die Kraftwerke unterhalten, tragen diese Lösung mit, sagte Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) am Mittwochvormittag im Rahmen einer Pressekonferenz. Auch ökologisch sei das Vorgehen verantwortbar. "Aber die Kuh ist noch nicht aus dem Lech", machte Weber klar. Jetzt dürfe nichts mehr dazwischenkommen, sonst sei das das Aus für die WM. Das System sei sehr fragil.

    "Irgendwann mit unserem Latein am Ende"

    Der Fischereifachberatung vom Regierungsbezirk Schwaben bestätigte auf Deutschlandfunk-Anfrage, dass sie grünes Licht für das Vorgehen gegeben habe. „Die Mindestwasserregelung wird eingehalten“, sagte ein Sprecher: „Bei den einmal im Jahr stattfindenden Kanalreinigungsarbeiten fließt noch weniger Wasser. Es kann also nichts passieren.“
    Auch Markus Haller, der Leiter der Wasserbauabteilung im Augsburger Tiefbauamt, hält den Aufwand für vertretbar. „Wir haben jetzt einen stabilen Zustand geschaffen und sind optimistisch, dass die WM stattfinden kann“, so Haller gegenüber dem DLF. Sein Team habe die Strecke jahrelang mit viel Aufwand und Kosten in Höhe von knapp 20 Millionen Euro saniert. „Es wäre Wahnsinn, das einfach abzublasen.“ Wenn jedoch noch weniger Wasser komme, würde man auch mit "Tricksereien" wie der Betonwand nicht mehr weiterkommen. „Dann sind auch wir irgendwann mit unserem Latein am Ende“, so Haller weiter.

    3) Cricket in England – Hitze steigt zu Kopf

    Cricket-Spiele erfreuen sich in England normalerweise großer Beliebtheit. Die Begegnung am Dienstag zwischen dem englischen und dem südafrikanischen Nationalteam im britischen Durham war daher seit langem ausverkauft. Doch schon zu Beginn des Spiels blieb rund ein Drittel der Ränge in dem offenen, fast schattenlosen Stadion verwaist.
    Und je länger die Spielzeit andauerte, desto mehr Fans retteten sich vor der glühenden 37-Grad-Hitze in die vom Veranstalter zur Verfügung gestellten Kühlräume in den Katakomben oder versorgten sich mit Gratis-Trinkwasser. Manche mussten vor Ort medizinsch versorgt werden. Einige ergriffen sogar gleich die Flucht ins klimatisierte Zuhause.

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    Erstmals heißer als 40 Grad in Großbritannien

    Erstmals seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Großbritannien ist es dort heißer als 40 Grad gewesen. Die Hitzewelle und ihre Folgen sind pausenlos ganz vorne in den Nachrichten. So meldet etwa die BBC: "Historische Temperaturen Tag und Nacht". Im ganzen Land gibt es dadurch Probleme – und natürlich ist davon auch der Sport betroffen.
    Nicht nur die Fans hatten Probleme mit der ungewohnten Hitze. Auf dem Feld musste England-Debütant Matthew Potts bereits nach kurzer Spielzeit und vier Overs das Feld verlassen, da er offenbar zu stark unter der Hitze gelitten hatte. Ob Zufall oder nicht: Schon wenige Tage vor der Hitzewelle hatte Englands Cricket-All-rounder Ben Stokes seinen Rücktritt von der sogenannten ODI-Serie erklärt, in deren Rahmen auch die Begegnung Englands gegen Südafrika stattfand. "Wir sind keine Autos, die man auftanken kann", hatte er gegenüber BBC mit Blick auf den zu vollen Cricket-Kalender kritisiert.

    Spiele wurden verkürzt

    Angesichts der Rekordhitze beim Spiel gegen Südafrika teilte der nationale Cricketverband ECB mit, dass man die Situation im Sinne der Spieler und Zuschauer unter ständiger Beobachtung habe. Zudem seien Extra-Trinkpausen für die Spieler eingeführt worden. Eine Spielabsage war offenbar nicht im Gespräch. Immerhin: Beim County Championship, einem Cricket-Wettbewerb für Teams aus England und Wales, wurde am Dienstag bei zwei Partien die Spielzeit verkürzt.