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Sportförderung
Das Zwillingsprojekt der Sportstiftung NRW

In Deutschland gibt es viele Modelle für die Leistungssport-Förderung - aber keines davon scheint den Spagat zwischen Spitzensport und der finanziellen Absicherung der Athleten zu schaffen. Jetzt gibt es einen neuen Versuch in Nordrhein-Westfalen.

Von Joshua Bung |
    Moritz Kröplin. Deutscher Florettfechter. Zweifacher Deutscher- und einmal Junioren-Europameister. Außerdem Elektrotechnik-Student in Aachen und mit zumindest mit einem Bein im Beruf beim Maschinenbau-Unternehmen GEA. Der 23-Jährige hat sich dazu entschieden, nicht nur auf die Karte Spitzensport zu setzen. Und das rät er auch seinen jungen Kollegen: "Ich würde das auf jeden Fall jedem empfehlen. Es ist immer eine individuelle Sache, ob man studieren möchte, eine Ausbildung machen möchte oder wie auch immer ins Berufsleben einsteigen möchte. Auf jeden Fall ist das ein Sprungbrett und eine Tür, die man sich damit selbst aufmachen kann und man eröffnet sich viele Möglichkeiten. Jeder kann da einen Benefit draus ziehen."
    Moritz Kröplin profitiert vom sogenannten "Zwillingsprojekt". Einem bislang nicht öffentlichen Programm der Sportstiftung NRW. Die möchte insbesondere jungen Sportlern einen Einstieg in den Beruf ermöglichen. Und zwar schon während der sportlichen Karriere. Ziel ist es, einzelne Athleten mit Wirtschaftsunternehmen zusammenzubringen. Die Idee entstand 2010, bei einem Treffen der Sportstiftungs-Botschafter. Dabei: Die geballte Sportprominenz: Unter anderem Ulrike Nasse-Meyfarth, Heiner Brand und Steffi Nerius. Allerdings brauchte es für das Projekt auch Kooperationspartner aus der Wirtschaft. Jürgen Brüggemann von der Sportstifung NRW: "Dafür haben wir Unternehmen gesucht, die ganz individuell die Sportler voranbringen wollten. Wir haben mittlerweile 25 Unternehmen, die sich an diesem Projekt beteiligen. Das geht aber nur, wenn die Trainer bereit sind, dieses Projekt zu unterstützen."
    Doch gerade die Jugendtrainer im Leistungsbereich sind mit der Situation häufig überfordert. Wie bringt man einen Jugendlichen oder einen jungen Erwachsenen dazu, sein Privatleben zu opfern? Denn genau das geht verloren zwischen Sport und Ausbildung. Oft bleibt dann nur das Ausschlussprinzip. Triathlon-Trainerin Grit Weinert: "Also ich glaube, dass das für diejenigen, die wir uns hier ausgesucht haben, gar nicht in der Form eine Belastung, sondern eher eine Chance ist. Weil diejenigen, die das als Belastung empfinden, das auch gar nicht mit sich machen lassen, so würde ich es mal ausdrücken wollen. Die werden sich dem doch sehr strengen Tagesablauf nicht unterwerfen, wenn sie das als Belastung empfinden und nicht als Chance auch fürs spätere Leben."
    Kein Wundermittel
    Und die, die es trotzdem versuchen stehen häufig vor einer fast unüberwindbaren Aufgabe. Zwar gibt es immer mehr Unternehmen, die einen Spitzensportler aufnehmen. Trotzdem scheitern auch einige Kooperationen. Nicht selten am straffen Zeitplan der Athleten. Auch der TÜV Rheinland hat zum Start des "Zwillingsprojektes" vor zwei Jahren einen Athleten aufgenommen. Am Ende ist diese Zusammenarbeit aber an der hohen Belastung des Sportlers gescheitert. Florian Scheibe vom TÜV Rheinland: "Die Problematik, die sich jetzt in diesem Fall gezeigt hat, stellt sich natürlich grundsätzlich - durch die Mehrfachbelastung, durch Sport, Studium und dann auch noch die Praxisphase in den Unternehmen - was eben in diesem Fall dazu geführt hat, das wir da jetzt keine langfristige Entwicklung verfolgt haben. Aber wir stehen grundsätzlich dahinter und sind weiterhin überzeugt, dass die frühzeitige Bindung dieser Personengruppe ans Unternehmen einen deutlichen Mehrwert für alle Beteiligten hat."
    Dass das "Zwillungsprojekt" kein Wundermittel ist, das alle Probleme der deutschen Sportförderung lösen kann, weiß auch Christoph Niessen, Vorstandsvorsitzender des Landesportbundes NRW. Zu unterschiedlich sind ganz einfach die individuellen Bedürfnisse der Athleten: "Wir haben eine sehr große Heterogenität und es gibt in einem freien nicht zentralstaatlich gesteuerten Spitzensport eben nicht die eine Lösung, mit der ich sportliche Talente zur Spitze zu führen und sie gleichzeitig sozial absichern kann."
    Was das "Zwillingsprojekt" angeht, gibt es immerhin ein paar Beispiele, die Hoffnung machen. Unter anderem Speerwerferin Linda Stahl beim Klinikum Leverkusen, die Moderne Fünfkämpferin Lena Schöneborn bei der Deutschen Post oder eben Florett-Fechter Moritz Kröplin beim Maschinenbau-Unternehmen GEA. Und der hat sich für die Zukunft noch einiges vorgenommen: "Also sportlich bin ich seit diesem Jahr in der Nationalmannschaft und strebe jetzt natürlich die Qualifikation für Olympia an und beruflich natürlich erstmal mein Studium abschließen und gucken, was die Zukunft so bringt."
    Aktuell sind gerade einmal 16 Athleten in das Zwillingsprojekt eingebunden. Bis 2017 sollen es immerhin 50 sein. Logischerweise wird auch das Projekt der Sportstiftung NRW die Probleme der Sportförderung in Deutschland nicht lösen können. Aber zumindest ist es eine weitere Möglichkeit, das Angebot für die Athleten zu erweitern.