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Sprechende Hunde

Robotik. - Wie die menschliche Sprache entstanden sei, darüber streiten die Wissenschaftler bis heute. Im Pariser Computer Science Lab von Sony haben Forscher nun Roboterhunde zum Sprechen gebracht, um die Entwicklung einer primitiven Sprache zu beobachten.

Von Suzanne Krause |
    Im Versuchslabor sind zwei Roboterhunde im Spieleinsatz: jeder der beiden läuft ziellos doch den Raum, bis er den orangefarbenen Ball und auch seinen Mitspieler ausgemacht, deren Position bestimmt hat. Das entsprechende Wahrnehmungsprogramm stammt vom Sieger der letzten Roboter-WM 2004 in Portugal. Doch statt nun kickend auf den Ball loszugehen, warten die beiden Roboter, die Agenten, wie sie im Labor genannt werden darauf, dass der Ball nun weiterrollt. Martin Loetzsch vom Computer Science Lab stösst also den Ball leicht an:

    "Nachdem sie den Ball beobachtet haben, was gleich der Fall ist, wird einer der beiden Roboter der Sprecher sein und der andere der Zuhörer. Und der Sprecher versucht dem Zuhörer zu beschreiben, in welche Richtung der Ball gerollt ist. Ob er kurz oder weit gerollt ist."

    In diesem Fall bedeutet es nun, dass der Ball kurz gerollt ist, von der Perspektive des Zuhörers. Und der Zuhörer selber hat befunden, dass die gesagten Wörter die richtige Beschreibung der Szene waren und hat dem Sprecher zugestimmt.

    Im Laufe vieler, vieler Spieldurchläufe erfinden die Roboteragenten so bei jedem Experiment aufs Neue ganz eigene Wörter und Kategorien zur Positionsbestimmung. Nach ungefähr 3000 Wiederholungen haben sich die beiden auf gemeinsame Definitionen für einen bestimmten Szenenverlauf geeinigt. Allerdings wird das Spiel nach der Startphase, in der die Wahrnehmungen der Roboter kodiert werden, dann mittels einer Computersimulation beschleunigt. Fürs menschliche Ohr bleibt dies eine reine Phantasiesprache. Einige Beispiele:

    Das bedeutet, dass vom Roboter aus der Ball nach links gerollt ist.

    Loetzsch:

    "Wir müssen hinterher in das Gehirn der Roboter hineinkucken und nachschauen, was diese Wörter wirklich bedeuten. Und das Wort bedeutet dann auch nicht links oder rechts, sondern so etwas wie Kategorie 15, was dann wiederum bedeuten kann, dass auf einem bestimmten Wahrnehmungskanal ein Wert von 0 bis 0,5 ist, was wir dann wiederum für uns besetzen müssen in etwas wie links oder weit."

    Die Leistungen der Roboter gehen darüber noch hinaus: die beiden Agenten haben auch die Möglichkeit, die sogenannte Perspektiventransformation zu nutzen: sie sind in der Lage, die jeweilige Position des Anderen zu erkennen. Das wurde ihnen im Programm eingebaut, erläutert Martin Loetzsch:

    "Und die Roboter entdecken selbst, indem sie viele Spiele spielen, dass es eine bessere Strategie ist oder dass überhaupt erst Kommunikation möglich ist, wenn sie Perspektiven in irgendeiner Form in Sprache markieren."

    Seine Forscherarbeit zur künstlichen Intelligenz habe ihn dazu gebracht, nun der Entwicklung der menschlichen Sprache auf den Grund zu gehen, meint Luc Steels, Leiter des Computer Science Lab in Paris. So wollen Steels und sein Team mit dem Modell der sprechenden Roboter belegen, dass die Sprachfähigkeit des Menschen keineswegs auf einem speziellen, genetisch bestimmten Sprachorgan im Gehirn basiert, also angeboren ist, wie es lange Jahre hieß. Steel:

    "”Wir argumentieren folgendermaßen: Mittels der Sprache wie auch mittels vieler anderer sozialer Aktivitäten beeinflussen wir Menschen uns alle gegenseitig, um unsere Gehirne in ein Werkzeug-Netzwerk von zu verwandeln, das gewisse Dinge leisten kann. In unseren Experimenten haben wir beispielsweise gezeigt, dass die Fähigkeit zur Perspektiventransformation vom Sprachsystem im Hirn herangezogen wird, um uns zu ermöglichen, die Welt mit den Augen der anderen wahrzunehmen. Dies ermöglicht ein System, in dem man reicher, stärker und mit weniger Aufwand miteinander kommunizieren kann.""