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Sprint auf Rädern

Er ist im August 23 Jahre alt geworden und bereits der schnellste 400m-Rollstuhrennfahrer Europas: Demnächst geht Marc Schuh bei den Paralympics in London über 100m und 400m an den Start.

Von Gerd Michalek | 18.08.2012
    Der Mann mit den braunen Augen kam sehr früh zum Sport. Wegen einer Fehlbildung des Rückens sitzt Marc Schuh seit seiner Geburt im Rollstuhl.

    "Meine Eltern meinten, dass mich das den Rest deines Lebens begleiten wird. So haben sie mich im RSC Köln angemeldet, mit drei oder vier Jahren. Mit der Zeit wurde ich immer flinker, dann haben sie mich ins Basketballteam getan."

    Seine eigentliche Leidenschaft fand Marc jedoch im Sprint, für den er zunehmend Zeit investierte. Mit knapp 16 fuhr er zur Junioren-WM und holte auf Anhieb Silber. Zunächst alles ohne Trainer! Von 2005 an schreibt ihm sein Heim-Coach Klaus Höller die Trainingspläne.

    "Marc ist eine sehr zielstrebiger Athlet, ein Athlet, der sehr selbständig arbeitet und ein Sportler, der sich immer wieder Gedanken um sein Training, aber vor allem um sein Gerät macht und immer wieder Optimierungsmöglichkeiten sucht."
    Seit rund sechs Jahren geht es steil nach oben - dank acht bis neun Trainingseinheiten pro Woche. So kam es 2008 in Peking zum ersten Kräftemessen in der Aktivenklasse. Schuh war damals 19, der Benjamin im deutschen Team. Er kam ins Halbfinale über 400m und landete einen Achtungserfolg. 2012 ist die Lage für den Physikstudenten anders:

    "Ich bin ja der deutsche Rekordhalter über 100m, 200m, 400m, halte den 400m-Europarekord und habe eine WM gewonnen und insofern darf ich schon bei den ganz großen oben mitspielen.
    In die Medaillenränge will der Rollstuhlsprinter des TV Herkenrath über 400 Meter schon kommen - über 100 Meter zumindest in den Endlauf. Damit ist der gewisse Erfolgsdruck da. Doch das bereitet dem versierten Sportler keine schlaflosen Nächte."
    Zu viel Stress sollte man sich aber nicht machen, das Physikstudium ist schon ne gute Absicherung. Wenn irgendwas schief geht. Es wird für mich niemals irgendwie existenzbedrohend. Das muss man sich immer vor Augen führen.
    An der Heidelberger Uni hat Schuh inzwischen seinen Bachelor gemacht. Die Physik nutzt ihm beim Rollstuhlsport.

    "Da kann man rumbasteln. Aerodynamik - andere Materialien verwenden, die steifer sind, damit weniger Kraft in der Verbiegung des Materials verloren geht. Es ist ein endloses Feld."
    Und doch ist es eine Doppelbelastung von Studium und Leistungssport, die Schuh dank verständnisvoller Dozenten und ein paar Sponsoren meistern kann. So konnte er im letzten Jahr in die Weltspitze fahren. Bei 45,64 Sekunden liegt inzwischen sein 400-Meter-Europarekord. Damit ist er nur wenige Zehntel langsamer als der berühmte Stelzenläufer Oscar Pistorius auf seinen Karbonschienen. Ein Grund für ein Vergleichsrennen?

    "Wenn man irgendwo ein Fun-Rennen machen möchte, was die Breite des Sports darstellt, dann ja. Das ist relativ zufällig, dass sich die Zeiten ähneln bei Prothetikern und Rennrollstuhlfahrern. Über 200m ist der Prothetiker wieder schneller. Über 800m hat kein Prothetiker den Hauch einer Chance!"

    Das 800-Meter-Tempo mag ja bei Rollstuhlfahrern sehr flott und attraktiv sein. Doch Schuh reizt die Strecke vorerst nicht!

    "800 Meter – mir graut´s. Wenn ich eine Stadionrunde gefahren bin, stehe ich auf dem Standpunkt, da habe ich alles gesehen. Eine zweite Runde macht einfach keinen Sinn!"
    Nun steht erst einmal London an. Und bei aller Vorfreude auf das einmalige Erlebnis: Es werden wohl nicht die letzten Paralympics für den angehenden Physiker sein.

    "Ich würde gerne bis Rio weiter machen, weil es sich auch Studientechnisch anbietet. Und ich kann meinen Master und meine Promotion neben dem Studium machen, das ist gut gelöst. Aber dafür muss die Finanzierung stimmen, denn mein Drucker ist bei weitem nicht so gut, dass ich das Geld selber drucken könnte! Von daher muss ich es irgendwie extern zusammen bekommen."