Die Haseninsel von Sankt Petersburg. Es ist der Ort, wo Zar Peter der Große seine neue Hauptstadt, das sogenannte Fenster nach Europa gegründet hatte. Auf dem Museumsgelände der Peter-und-Paul-Festung, wo sich einst der Münzhof der russischen Zaren befunden hatte, wird derzeit ein großer Parkplatz für Lkws und Busse gebaut. Ende Dezember haben die Bauarbeiter beim Ausbaggern sterbliche Überreste von mehreren Menschen gefunden, berichtet Alexander Margolis, Vorsitzender der Sankt Petersburger Denkmalschutz-Gesellschaft:
"Als die Archäologen diese Ausgrabungsstelle untersuchten, fanden sie zuerst ein menschliches Skelett, eine Goldkette mit Kreuz und ein Medaillon. Dann förderten sie noch sechzehn Leichen zutage. Derzeit werden die Funde von den Experten einer forensischen Kommission untersucht. Aber bereits jetzt steht fest, dass es sich bei den sterblichen Überresten um Opfer des sogenannten Roten Terrors handelt, die in den Jahren 1918-1919 hingerichtet wurden."
Unmittelbar nach dem Auffinden der Leichen sah sich die Menschenrechtsorganisation "Memorial" gezwungen, die Öffentlichkeit auf dieses Ereignis aufmerksam zu machen, denn der Direktor des Museums der Peter-und-Paul-Festung ordnete zunächst an, die Bauarbeiten unter keinen Umständen zu unterbrechen. Erst als "Memorial" das Thema in die Medien brachte, wurden die Bauarbeiten vorübergehend gestoppt. "Memorial" und die Sankt Petersburger Gesellschaft für den Denkmalschutz wollen nun darum kämpfen, dass diese Arbeiten endgültig eingestellt werden, denn es handele sich um mehrere Massengräber, die sich auf dem Festungsgelände befinden müssen, sagt Alexander Margolis, der vor der Wende als Leiter der wissenschaftlichen Forschungsabteilung im Museum der Peter-und-Paul-Festung gearbeitet hat:
"In der Sowjetunion wurde den Mitarbeitern der Festungsanlage streng verboten, darüber zu sprechen, was auf dem Gelände der Festung in den Jahren nach der Oktoberrevolution geschah. Alle Führungen durften die Zeit nach der Oktoberrevolution nicht berühren. Und dennoch haben die Wissenschaftler Informationen über jene grausame Zeit gesammelt und sie ausgewertet, und alles lief darauf hinaus, dass die Haseninsel von Sankt Petersburg die erste Insel der Archipel GULAG gewesen ist."
Die Petersburger Menschenrechtler befürchten, die Museumsdirektion würde ähnlich handeln wie bei allen anderen Funden nach der Wende und auch bei den letzten Funden aus dem Jahr 2007, als auf dem Festungsgelände sterbliche Überreste von mehreren Menschen bereits gefunden wurden, man aber die weiteren Ausgrabungen verhinderte. Stattdessen wurde auf dem Gelände des Massengrabes der Bau eines Parkplatzes begonnen.
Und das, obwohl den Wissenschaftlern mehrere Belege dafür vorlagen, dass in der Festung zur Zeit des großen Terrors mindestens vier Mitglieder der Zarenfamilie hingerichtet worden waren. Hinter dieser Handlungsweise dürfte wohl nicht nur der Wunsch nach kommerzieller Nutzung der Fläche stecken, sondern auch ein politischer Wille, glaubt Irina Flige von "Memorial" in Sankt Petersburg:
"Die tragische Vergangenheit Russlands im 20. Jahrhundert wird bei uns konsequent ignoriert. So noch immer stellt sich die Frage, was in der Sowjetunion in der Zeit des Großen Terrors eigentlich passiert ist. Viele Wissenschaftler, Forscher und zahlreiche bürgerliche Initiativgruppen bemühen sich um die Beantwortung dieser Frage. In unserem Register der Massengräber gibt es derzeit über 800 solcher Stätten in ganz Russland, davon haben leider weniger als ein Dutzend den offiziellen Status eines Mahnmal-Friedhofs. Unser Staat möchte sich mit der Erinnerung an jene Zeit nicht befassen. In den Geschichtsbüchern wird dieses Thema der russischen Vergangenheit nur rudimentär betrachtet, deshalb scheint dieses Kapitel der russischen Geschichte vom Vergessen bedroht."
Die Sankt Petersburger Menschenrechtler wollen noch im Januar gegen die Museumsdirektion eine Klage vor Gericht einreichen, denn ihrer Ansicht nach haben diese Funde auf dem Festungsgelände nicht nur für die Denkmalschützer, sondern auch für die gesamte russische Gesellschaft eine große Bedeutung, sagt Alexander Margolis:
"Seit der Mitte der 90er-Jahre ruhen in der Peter-und-Paul- Festung die Mitglieder der Zarenfamilie, die Verwandten jener Großfürsten, deren sterbliche Überreste noch nicht gefunden sind. Es schien einerseits, dass Russland einen Prozess der Vergangenheitsbewältigung eingeleitet hat. Und andererseits stoßen wir auf eine herausfordernde und anmaßende offizielle Vergangenheitsverdrängung.
Es ist ein perfektes Zeugnis für das gespaltene Bewusstsein des heutigen Russlands. Deshalb ist es nicht nur für die Denkmalschützer, sondern für ganz Russland wichtig, diese Ausgrabungen bis zum Ende zu führen und hier ein Mahnmal und vielleicht sogar eine Exposition über den Roten Terror anzulegen, denn die ersten Opfer der Massenrepressionen des 20. Jahrhunderts liegen in dieser Erde."
"Als die Archäologen diese Ausgrabungsstelle untersuchten, fanden sie zuerst ein menschliches Skelett, eine Goldkette mit Kreuz und ein Medaillon. Dann förderten sie noch sechzehn Leichen zutage. Derzeit werden die Funde von den Experten einer forensischen Kommission untersucht. Aber bereits jetzt steht fest, dass es sich bei den sterblichen Überresten um Opfer des sogenannten Roten Terrors handelt, die in den Jahren 1918-1919 hingerichtet wurden."
Unmittelbar nach dem Auffinden der Leichen sah sich die Menschenrechtsorganisation "Memorial" gezwungen, die Öffentlichkeit auf dieses Ereignis aufmerksam zu machen, denn der Direktor des Museums der Peter-und-Paul-Festung ordnete zunächst an, die Bauarbeiten unter keinen Umständen zu unterbrechen. Erst als "Memorial" das Thema in die Medien brachte, wurden die Bauarbeiten vorübergehend gestoppt. "Memorial" und die Sankt Petersburger Gesellschaft für den Denkmalschutz wollen nun darum kämpfen, dass diese Arbeiten endgültig eingestellt werden, denn es handele sich um mehrere Massengräber, die sich auf dem Festungsgelände befinden müssen, sagt Alexander Margolis, der vor der Wende als Leiter der wissenschaftlichen Forschungsabteilung im Museum der Peter-und-Paul-Festung gearbeitet hat:
"In der Sowjetunion wurde den Mitarbeitern der Festungsanlage streng verboten, darüber zu sprechen, was auf dem Gelände der Festung in den Jahren nach der Oktoberrevolution geschah. Alle Führungen durften die Zeit nach der Oktoberrevolution nicht berühren. Und dennoch haben die Wissenschaftler Informationen über jene grausame Zeit gesammelt und sie ausgewertet, und alles lief darauf hinaus, dass die Haseninsel von Sankt Petersburg die erste Insel der Archipel GULAG gewesen ist."
Die Petersburger Menschenrechtler befürchten, die Museumsdirektion würde ähnlich handeln wie bei allen anderen Funden nach der Wende und auch bei den letzten Funden aus dem Jahr 2007, als auf dem Festungsgelände sterbliche Überreste von mehreren Menschen bereits gefunden wurden, man aber die weiteren Ausgrabungen verhinderte. Stattdessen wurde auf dem Gelände des Massengrabes der Bau eines Parkplatzes begonnen.
Und das, obwohl den Wissenschaftlern mehrere Belege dafür vorlagen, dass in der Festung zur Zeit des großen Terrors mindestens vier Mitglieder der Zarenfamilie hingerichtet worden waren. Hinter dieser Handlungsweise dürfte wohl nicht nur der Wunsch nach kommerzieller Nutzung der Fläche stecken, sondern auch ein politischer Wille, glaubt Irina Flige von "Memorial" in Sankt Petersburg:
"Die tragische Vergangenheit Russlands im 20. Jahrhundert wird bei uns konsequent ignoriert. So noch immer stellt sich die Frage, was in der Sowjetunion in der Zeit des Großen Terrors eigentlich passiert ist. Viele Wissenschaftler, Forscher und zahlreiche bürgerliche Initiativgruppen bemühen sich um die Beantwortung dieser Frage. In unserem Register der Massengräber gibt es derzeit über 800 solcher Stätten in ganz Russland, davon haben leider weniger als ein Dutzend den offiziellen Status eines Mahnmal-Friedhofs. Unser Staat möchte sich mit der Erinnerung an jene Zeit nicht befassen. In den Geschichtsbüchern wird dieses Thema der russischen Vergangenheit nur rudimentär betrachtet, deshalb scheint dieses Kapitel der russischen Geschichte vom Vergessen bedroht."
Die Sankt Petersburger Menschenrechtler wollen noch im Januar gegen die Museumsdirektion eine Klage vor Gericht einreichen, denn ihrer Ansicht nach haben diese Funde auf dem Festungsgelände nicht nur für die Denkmalschützer, sondern auch für die gesamte russische Gesellschaft eine große Bedeutung, sagt Alexander Margolis:
"Seit der Mitte der 90er-Jahre ruhen in der Peter-und-Paul- Festung die Mitglieder der Zarenfamilie, die Verwandten jener Großfürsten, deren sterbliche Überreste noch nicht gefunden sind. Es schien einerseits, dass Russland einen Prozess der Vergangenheitsbewältigung eingeleitet hat. Und andererseits stoßen wir auf eine herausfordernde und anmaßende offizielle Vergangenheitsverdrängung.
Es ist ein perfektes Zeugnis für das gespaltene Bewusstsein des heutigen Russlands. Deshalb ist es nicht nur für die Denkmalschützer, sondern für ganz Russland wichtig, diese Ausgrabungen bis zum Ende zu führen und hier ein Mahnmal und vielleicht sogar eine Exposition über den Roten Terror anzulegen, denn die ersten Opfer der Massenrepressionen des 20. Jahrhunderts liegen in dieser Erde."