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Staatliche Zulassung für Prediger in Nigeria

In Nigeria hat ein Vorschlag des Senatspräsidenten heftige Diskussionen ausgelöst. David Mark hat angeregt, für christliche und muslimische Prediger eine staatliche Lizenz einzuführen, um auf diese Weise radikale Strömungen in den Religionsgemeinschaften besser kontrollieren zu können.

Von Katrin Gänsler |
    Sonntagmorgen in Nigeria: Unzählige Kirchen rufen Christen im ganzen Land zum Gottesdienst. Häufig nutzen sie dafür scheppernde Megaphone, die die Predigten direkt auf die Straßen übertragen. Manchmal verteilen Mitglieder auch Handzettel und machen so kräftig Werbung. Im Gewimmel der Kirchen einen Überblick zu behalten ist so gut wie unmöglich. Exakte Zahlen, wie viele Kirchen es tatsächlich gibt, existieren nicht. Doch das könnte sich in Zukunft ändern. Denn David Mark, Präsident des Senats, möchte eine Lizenz für alle Prediger einführen. Alleine die Idee hat eine Welle der Empörung ausgelöst. Sunday Oibe von der Christlichen Vereinigung Nigerias wird richtig wütend, wenn er nur an den Vorschlag denkt.

    "Kein Christ wird sich eine Art Lizenz aufzwingen lassen. Damit sollen doch nur Christen überwacht werden."

    Von Christenüberwachung hat Senatspräsident Mark allerdings nie gesprochen. Stattdessen könne eine staatliche Genehmigung den Kirchen-Wildwuchs einschränken. Der wird mittlerweile auch von christlicher Seite stark kritisiert. Michael Ekpenyong, Generalsekretär der katholischen Bischofskonferenz, gehört dazu.

    "Wenn jeder plötzlich eines Morgens aufwachen und sagen kann: Ich bin Priester, das sind meine Grundsätze, und ich habe eine direkte Verbindung zu Gott. Wenn das die Bedingung für die Gründung einer Kirche oder einer Moschee ist, halte ich das für fragwürdig."

    Dabei sorgt sich Michael Ekpenyong weniger um die vielen Gebäude, die plötzlich in Kirchen umgewandelt werden oder die mitunter exotisch klingenden Namen für die neuen Gotteshäuser. Er sorgt sich um die Inhalte der Predigten. Ob Imame oder Priester zum Frieden aufrufen oder ihre Anhänger zu Gewalt anstacheln, das lässt sich bisher nämlich so gut wie nie kontrollieren. Und gerne gehört wird dieser Vorwurf auch nicht. Sunday Oibe ist empört:

    "Ich könnte überhaupt nicht sagen, wie viele Prediger so etwas machen. Eins weiß ich aber: Jesus Christus hat uns so etwas nicht befohlen, und es steht auch nicht in der Bibel. Christen predigen Liebe, Vergebung und wollen gute Menschen sein. Ich kenne keinen Pastor, der etwas Verletzendes predigt. Wenn es so wäre, würden ihm die Anhänger davonlaufen."

    Imam Sani Isah sieht das jedoch ganz anders. Er hat sogar angefangen, DVDs und CDs zu sammeln, auf denen Prediger radikale Ansichten verbreiten. Zu seiner kleinen Sammlung gehören Ton- und Filmdokumente von christlichen Predigern und Imamen. Denn schwarze Schafe gibt es auf beiden Seiten, ist sich der Imam sicher. Er arbeitet für das Interfaith Mediation Centre in der Stadt Kaduna, die im Norden Nigerias liegt. Das Zentrum für den Dialog zwischen den Religionen ist im vergangenen Jahrzehnt vielfach für seine Friedensarbeit ausgezeichnet worden. Dazu gehört für Imam Sani Isah auch, ein wachsames Auge auf radikale Prediger zu werfen.

    "Ja, wir bekommen viele Frage dazu, wenn wir beispielsweise im Fernsehen darüber sprechen oder im Radio zu hören sind. Dann gibt es auch Kritik. Ganz ehrlich kennen wir natürlich auch jene Prediger, die ohne die Vorsicht und Freundlichkeit predigen, die uns der Islam vorschreibt."

    Trotzdem sind ihm meistens die Hände gebunden. Er könne andere Imame zwar darauf ansprechen, mehr aber nicht. Genau deshalb ist aus seiner Sicht die Einführung einer Lizenz ein Schritt in die richtige Richtung. Imam Sani Isah:

    "Mir gefällt die Idee, obwohl es viele Menschen gibt, die den Vorschlag befremdlich finden. Aber wer Gerechtigkeit für die Regierung, aber auch Islam und Christentum will, soll den Vorschlag der Lizenzpflicht unterstützen. Denn das ebnet den Weg, damit wir sehen können, was tatsächlich passiert."

    Imam Sani Isah spielt damit auf Nigerias Sicherheitsrisiko Nummer eins an: die Terrorgruppe islamistische Boko Haram, die alleine in diesem Jahr für den Tod mehrerer hundert Menschen verantwortlich ist. Auch ihr Gründer, Mohammed Yusuf, fing vor zehn Jahren als Prediger an und sammelte nach und nach immer mehr Anhänger. Die Radikalisierung mit Anschlägen auf Polizeistationen und Militäreinrichtungen sowie Kirchen setzte erst Jahre später ein. Eine Lizenz könnte so etwas nun im Keim ersticken, wie die Befürworter hoffen. Doch auch damit lässt sich Christ Sunday Oibe nicht überzeugen.

    "Meiner Meinung nach sollten Regierung und Senatoren mehr Geld in die Sicherheitsdienste stecken. Nur so lässt sich der Wahnsinn stoppen. Genau darum sollte sie sich kümmern."

    Ob das tatsächlich geschieht, weiß Sunday Oibe nicht. Er zuckt mit den Schultern. Stattdessen befürchtet er noch etwas ganz anderes. Die Regierung könnte sich bei der Ausstellung der Lizenzen gegen Christen verschwören. Es ist eine Angst, die vor allem im muslimisch dominierten Norden verbreitet ist. Viele Christen fühlen sich in den Bundesstaaten, in denen ab dem Jahr 2000 die Scharia eingeführt wurde, stark benachteiligt. Sunday Oibe hält es sogar für möglich, dass Priestern im Norden die Genehmigung verweigert wird, während Imame sie ohne Problem erhalten. Diese Angst hält Imam Sani Isah allerdings für übertrieben.

    "Selbst wenn die Lizenz erst einmal abgelehnt wird, können sie mit den Verantwortlichen darüber sprechen. Sie können der Regierung erklären: Egal, ob Christ oder Muslim, ich habe Rechte, und ich bin ein Prediger. Dafür habe ich folgende Ausbildung gemacht, diese und jene Zertifikate erworben. Wenn die Genehmigung trotzdem verweigert wird, können sie sogar vor Gericht ziehen. Und wenn die Regierung das nicht begründen kann, dann könnte sogar das Gericht eine Lizenz ausstellen."

    Doch bis Detailfragen geklärt werden können, wird in Nigeria noch viel Zeit vergehen. Denn die Idee von Senatspräsident David Mark müsste nun erst einmal in einen Gesetzesentwurf umgewandelt werden – doch vor allem müssten die Befürworter noch jede Menge Überzeugungsarbeit leisten.