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Städtebotschafter in Osnabrück

Ein mehr oder weniger langer Auslandsaufenthalt schmückt jeden Lebenslauf. Für viele Berufe ist er inzwischen Voraussetzung. Doch nicht jeder hat das Glück und Geld, um im Ausland zu studieren, oder die Zeit, ein Au-pair-Jahr dazwischen zu schieben. Die Stadt Osnabrück bietet jungen, sprachbegabten Menschen - auch ohne Studium - die Möglichkeit, ein Jahr im Ausland zu verbringen. Mit einer interessanten Tätigkeit, die noch dazu gut bezahlt wird - sogar nach BAT.

Von Katja Jacob |
    Eigentlich müsste es ja Städtebotschafterin heißen, denn über 90 Prozent der Amtsinhaber, pardon Amtsinhaberinnen, sind Frauen, wohl wegen ihrer besseren Sprachkenntnisse. So wie Rachel Cox aus dem englischen Derby.

    " Und dann habe ich diese Stelle gesehen, also von den Aufgaben, die da aufgezählt wurden, habe ich gedacht, au ja, diese Stelle ist auf jeden Fall für mich. So was habe ich gesucht. "

    Für ein Jahr vertritt die 25-Jährige nun ihre Heimatstadt in deren Partnerkommune Osnabrück. Zusammen mit Kolleginnen aus den anderen Partnerstädten Osnabrücks. Dem niederländischen Haarlem, dem türkischen Chanakkale, Angers in Frankreich und Twer in Russland. Jede von ihnen hat ein eigenes Büro im Rathaus. Von hier aus halten sie die Kontakte zwischen den Partnerstädten am Laufen, bereiten Besuche vor, übersetzen Briefe und koordinieren Termine. Jeweils zum 1. Oktober treten die neuen Städtebotschafterinnen ihr Amt an. Während Rachel Cox das 30jährige Städtepartnerschaftsjubiläum Derby-Osnabrück vorbereitet, sorgt sich ihre Kollegin Tülay Demir um die noch junge Städteverbindung zwischen dem westtürkischen Chanakkale und der niedersächsischen Kommune.

    " Da ich die erste Städtebotschafterin bin, war es sehr wichtig, dass man verschiedene Kontakte mit Bürgern wie auch mit Vereinen aufgenommen hat."

    Tülay ist in Süddeutschland aufgewachsen, lebt seit zehn Jahren in der Türkei und hat dort Germanistik studiert. Trotzdem ist das mit dem Übersetzen nicht immer ganz so einfach.

    " Ich denke mal, dass das Schwierigste das spontane Dolmetschen bei uns ist, in meinem Studium hatte ich zwar schon Übersetzen, aber wenn man offizielle Gäste hat, ist das Übersetzen wesentlich schwerer, weil einem vor Aufregung die Wörter nicht einfallen, ansonsten ist unsere Arbeit sehr schön. Und wir haben auch viel Spaß daran, auf jeden Fall ich."

    Nicht nur an der Arbeit. Auch privat unternehmen die Städtebotschafterinnen viel gemeinsam, zumal alle ihre Wohnungen unter ein und demselben Dach eines Altstadthaus haben. Aber nicht nur die jungen Kommunal-Diplomatinnen profitieren von diesem Austauschprogramm, das übrigens schon seit 34 Jahren existiert. Sondern auch die Stadt Osnabrück. Für Jens Koopmann, der das Projekt koordiniert, sind die Städtebotschafterinnen nicht zuletzt auch ein Imagefaktor für die Stadt des westfälischen Friedens.

    " Dass die Stadt Osnabrück eben Internationalität zeigt, auch sich öffnet für die anderen Kulturen, was ja als Friedensstadt Osnabrück auch sehr wichtig ist, und da die Städtebotschafterinnen nicht im Hintergrund arbeiten, treten sie auch immer wieder an die Öffentlichkeit, das heißt, sie nehmen zum Beispiel an Empfängen teil, sie übersetzen für andere Ämter mit, für andere Institutionen, sie organisieren selber Empfänge oder begleiten Schulaustausch, also sehr breiter Bereich, der hier abgedeckt wird."

    Ein bis zweimal in der Woche bekommt Koopmann Anrufe aus anderen Kommunen, die sich für den Städtebotschafteraustausch interessieren. Doch trotz der guten Erfahrungen mit dem Projekt hat es noch keine Nachahmer gegeben. Für Oberbürgermeister Hansjürgen Fipp ist das nicht verwunderlich.

    " In diesen Zeiten, wo diese Frage der Finanzsituation bei allen Kommunen etwas im Vordergrund steht, ist es dann doch am Ende schwierig, die Räte zu überzeugen, so eine neue Basis aufzubauen, wie wir sie schon errichtet haben. Also das, was man hat, jetzt zu bewahren, ist glaube ich etwas leichter, als jetzt in diesen Jahren eine Entscheidung, zu treffen, etwas neu aufzubauen."

    Für die Osnabrücker steht das Austauschsprojekt jedenfalls nicht zur Debatte. Sehr zur Freude der Teilnehmerinnen, die sich von dem Programm auch einiges für ihre persönliche und berufliche Zukunft versprechen.

    " Ich finde, dass die Arbeit mir jetzt hier auch Erfahrungen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit auch bringt und vielleicht suche mir dann Arbeit in dem Bereich auch.

    Das Schöne ist, dass man verschiedene Menschen kennen lernen kann bei dieser Arbeit und dass man auch seinen Background entwickeln kann.

    " Ich mag gerne die deutsche Kultur. Es gibt viel Fahrrad in Osnabrück . In Frankreich ist das nicht so, Leute fahren nur mit dem Auto. Ich möchte das ganze Deutschland besuchen, Berlin wäre schön, Bayern auch, ja, ich möchte ganz Deutschland besuchen."

    Ich plane nie so groß. Lasse das meistens auf mich zukommen, das ist wieder so ein neues Abenteuer. Ich würde gerne wieder ins Ausland ziehen. "

    Rachel könnte sich sogar vorstellen, nach dem Botschafterjahr ganz in Deutschland zu bleiben. Unter einer Bedingung.

    " Ja, schon, wenn ich einen netten Jungen kennen lerne. Irgendwann möchte ich sagen, okay, ich wohne in dieser Stadt, und auch ein bisschen länger als ein Jahr."