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Stammzellforschung
Blutspende aus dem Labor

Da nicht immer und überall genügend Blutspender der richtigen Blutgruppe bereitstehen, suchen Forscher aus der ganzen Welt nach Methoden, um Blut künstlich herzustellen – ohne Blutspender. Nun stellen Stammzellenforscher aus Münster ein Verfahren vor, bei dem sie nur etwas Nabelschnurblut eines Neugeborenen brauchen.

Von Michael Lange | 20.11.2014
    Dracula hätte ein leichteres Leben, wenn er seine tägliche Dosis Blut aus frischen, nachwachsenden Stammzellen erhalten könnte. Er müsste niemanden beißen, denn ein paar Zellen reichten aus. Sie vermehrten sich in einer Zellkultur, und auf Kommando entstünden die nicht nur bei Vampiren begehrten roten Blutkörperchen, theoretisch in unbegrenzter Menge. Die Medizinerin Isabel Dorn will diesen Traum verwirklichen für medizinische Zwecke, nicht für Vampire. Sie arbeitet an der Universität Münster und am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin und braucht für ihre Forschung Nabelschnurblut von Neugeborenen. Vielfach wird es bereits nach der Geburt eingefroren.
    "Das Problem ist nur, dass diese Stammzellen aus dem Nabelschnurblut mit den heutigen Techniken nicht in ihrem undifferenzierten Zustand zu vermehren sind. Das heißt: ich kann daraus zwei Blutkonserven herstellen, mehr aber nicht."
    Gemeinsam mit Stammzellenspezialisten des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin in Münster hat Isabel Dorn eine inzwischen bewährte Methode eingesetzt, mit der sie die Zellen aus dem Nabelschnurblut in so genannte IPS-Zellen umwandeln kann.
    "Und diese pluripotenten Stammzellen können sich theoretisch in alle Gewebe entwickeln, und sie ist prinzipiell unbegrenzt im Labor vermehrbar."
    Im Stammzellenlabor wachsen die IPS-Zellen bei 37 Grad Celsius im Brutschrank. Sie teilen sich unentwegt und reifen dabei zu kugelförmigen Gebilden heran.
    Dorn: "Da haben wir hier in diesem Brutschrank zum Beispiel die so genannten Embryoid Bodies. Die kann ich Ihnen mal zeigen."
    Wachstumsfaktoren veranlassen Entwicklung zu Blutzellen
    Die nicht immer ganz runden Gebilde aus IPS-Zellen schwimmen in einer rosa Flüssigkeit. Sie sind mit bloßem Auge zu sehen, und erreichen Durchmesser von einigen Millimetern. Die Forscher geben dann spezielle Wachstumsfaktoren hinzu. Diese Signale teilen den Zellen mit, dass sie sich zu Blutzellen entwickeln sollen.
    "Also diese Embryoid Bodies, die wir hier sehen, sind noch sehr jung, nur etwa sieben Tage alt, da wird noch nicht viel Blut drin sein, das kommt erst ein bisschen später. Wir müssen noch warten, und in den nächsten zwei Wochen werden sich da Blutzellen drin entwickeln, und die Embryoid Bodies werden auch immer größer."
    Die kleinen Kugeln in der rosa Flüssigkeit könnten sich in verschiedene Richtungen entwickeln, zu Hautzellen, Muskelzellen oder Nervenzellen, alles ist möglich. Die Kunst der Forscher besteht darin, die Entwicklung der Zellen so zu steuern, dass fast ausschließlich rote Blutzellen heranreifen.
    "Irgendwann macht man diese Kugeln kaputt, so dass man nur noch die einzelnen Zellen hat, und dann macht man aus der Einzelzellsuspension, die man dann hat, die Erythrozyten."
    Das sind die roten Blutkörperchen, rote Zellen ohne Zellkern. Sie werden als Blutkonserven gebraucht, denn sie transportieren den Sauerstoff durch den Körper. Das Ziel der Forscher ist es, möglichst viele rote Blutkörperchen im Labor zu züchten. Sie sollen sich möglichst nicht von ihren natürlichen Verwandten unterscheiden. Die Wissenschaftler aus Münster konnten jetzt zeigen, dass ihr Verfahren funktioniert. Aber die Methode ist aufwendig. Es dauert 45 Tage bis aus Stammzellen rote Blutzellen werden. Das nachwachsende Designer-Blut aus der Nabelschnur wird deshalb in absehbarer Zeit die Blutspenden freiwilliger Spender nicht ersetzen können. Aber für Menschen mit seltenen Blutgruppen, bei denen heute oft die nötigen Blutkonserven fehlen, wäre es eine wichtige Hilfe.