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Stars in der Manege

Jeden Tag reden wir uns wieder ein (oder versuchen es zumindest), dass Geld nicht glücklich mache, aber jeden Tag erkennen wir, dass es genau so ist: Geld macht froh, Geld macht zufrieden, Geld versüßt, sofern man’s hat, das ganze Leben. Weil wir es nicht haben, schauen wir mit scheelem Blick auf jene soeben von der Wirtschaftszeitschrift "Impulse" veröffentlichte Liste mit den Honoraren, die gewisse Leute nebenher kassieren. Zum Beispiel Günter Jauch. Er kriegt, wenn er irgendwo außerhalb seiner Fernsehsendungen auftritt, 80.000 Euro. Auch Johannes B. Kerner kann man buchen - für Firmenfeste, Messen und Kongresse, zum Preis von 65.000 Euro, gefolgt von Thomas Gottschalk (60.000), Harald Schmidt (50.000), Sabine Christiansen (30.000), Ulrich Wickert (15.000) und so weiter und so fort.

Von Burkhard Müller-Ullrich |
    Nun ist das Auftreten vor anderen schon deren Hauptbeschäftigung, für die sie ja auch ordentlich bezahlt werden. Aber durch das mediale Auftreten entsteht ein zweiter Markt des nichtmedialen Auftretens, der fast noch interessanter ist. Einen Star in echt zu sehen, ist für viele Menschen eine aufregende Sache: Nicht weil sie ihn durch Wegfall der Fernsehaura entzaubern wollen, sondern weil sie sich in seiner Nähe noch von den fortwirkenden Resten dieser Aura mitverzaubern lassen wollen. So gewährt ihre Prominenz den Prominenten in der Aufmerksamkeitsökonomie beträchtliche Sondergewinnspannen, denn sie können sich als Marke zu Markte tragen.

    Eine Marke zu sein bedeutet, dem Äquivalenz-System von Leistung und Bezahlung zu entrinnen. Wenn Johannes B. Kerners Abendtarif doppelt so hoch ist wie der von Sabine Christiansen, dann folgt daraus nicht unbedingt, dass er doppelt so fleißig, produktiv oder gar intelligent wäre wie sie. Er ist bei den Veranstaltern nur doppelt so begehrt. Auch der Zeitaufwand steht zu diesen Honoraren in keinerlei Verhältnis - solche Berechnungen sind für die Werktätigen, hier aber kommt es nicht aufs Tun an, sondern auf das Sein. Da allerdings auch wir dem Traum vom arbeitslosen Einkommen anhängen, macht uns der lukrative Menschenhandel auf dem grauen Promi-Markt natürlich ganz besonders bitter.

    Ein Trost, wenngleich ein schwacher, erwächst uns da aus dem Bereich, wo sämtliche Bombenhonorare für alle Medienstars nur Peanuts sind. Denn jene Manager, die Abfindungen in Multimillionenhöhe einstreichen, müssen dafür nicht einmal gewerbsmäßig auftreten. Sie müssen nur antreten, wenn ausgeteilt wird. Das Auftreten jedoch ist eine Tätigkeit, die an Bedeutung immer mehr zunimmt. Landauf, landab werden ständig irgendwelche Events organisiert, bei denen wieder jemand gegen Honorar auftritt. Bald wird der Showcharakter in unserer Lebenswelt einen solchen Stellenwert erreichen, dass wir zehn Cent für ein Brötchen zahlen und noch mal dreißig für den Auftritt der Verkäuferin hinter der Ladentheke.