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Start der heißen Phase

Medizin. - In Erfurt hat der Deutsche Influenza-Kongress begonnen. Die Schweinegrippe war dort natürlich ein großes Thema. Wissenschaftler haben über den Stand der Dinge informiert. Der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth berichtet über die Diskussionen im Gespräch mit Michael Böddeker.

    Böddeker: Herr Wildermuth, wie geht denn nun weiter bei der geplanten Impfung gegen die Schweinegrippe?

    Wildermuth Ja, da ist heute ein Meilenstein erreicht worden, die nationalen Zulassungsbehörden, das ist hier in Deutschland das Paul-Ehrlich-Institut, die haben die Unterlagen weitergereicht an die europäische Arzneimittelagentur Emea, die wird jetzt drei oder vier Wochen darüber nachdenken, diese ganzen Unterlagen sichten und bewerten und dann rechnet man mit einer Zulassung. Parallel sind die nationalen Behörden schon dabei, die Chargen, also der einzelnen Dosen zu überprüfen, sind sie nicht verunreinigt, ist wirklich drin, was drauf steht. Und den drei oder vier Wochen wird das alles abgeschlossen sein, und dann können die ersten Impfungen losgehen.

    Böddeker: Und wer soll dann geimpft werden?

    Wildermuth: Dafür ist in Deutschland die Stiko zuständig, die Ständige Impfkommission, und die wird wahrscheinlich ganz ähnliche Empfehlungen abgeben wie bei der normalen, bei der saisonalen Grippe. Die Stiko wird ihre Empfehlung erst nächste Woche abgeben, aber in Erfurt war so herauszuhören, das wird relativ ähnlich sein. Eine Besonderheit sind schwangere Frauen, die haben ein hohes Risiko, wenn sie sich tatsächlich mit dieser Grippe infizieren, dieser neuen Form, dann auch schwer zu erkranken. Die wird man wahrscheinlich besonders hervorheben, ansonsten sind es vor allem die Risikogruppen, die sich impfen lassen sollten: Patienten mit chronischen Krankheiten und Leute im Gesundheitsdienst, Polizei, Feuerwehr, Leute, die auch viel Kontakt haben, letztlich fällt unter diese breite Definition letztlich fast jeder.

    Böddeker: Wie sieht es mit Kindern aus, sollen die auch geimpft werden?

    Wildermuth: Kinder mit chronischen Krankheiten sollten geimpft werden. Also Asthma, Herz-Kreislauf-Leiden. Die haben ein höheres Risiko. Wenn ein Kind so normal und gesund ist, da gibt es im Grunde kein Grund.

    Böddeker: Es hieß zunächst, dass eine Impfung ausreichend sei. Hat sich das inzwischen auch bestätigt?

    Wildermuth: Ja, das war eine Studie mit einem Impfstoff, wo das so durchklang, das ist auch eine ganz tolle Sache, aber da sind die Forscher noch so ein bisschen zögerlich, dem Ergebnis wirklich zu vertrauen.Es hat sich ja schon herausgestellt, man braucht für diesen pandemischen Impfstoff deutlich weniger Substanz, das ist schon einmal gut, kann man mehr produzieren. Aber ob eine Impfung wirklich ausreicht, das wird sich erst in der nächsten Zeit zeigen. Aber man muss mal darüber nachdenken, es dauert noch vier Wochen vielleicht, bis der Impfstoff tatsächlich verimpft werden kann, dann kriegt man die erste Dosis, und dann dauert es noch einmal drei Wochen, bis die nächste Dosis kommt. Das heißt, es ist noch eine ganze Weile, Daten zu sammeln und bis dahin wird man wahrscheinlich wissen, ob die erste Impfung reicht, oder ob noch eine zweite, ein Booster, eine Stützimpfung nötig sein wird.

    Böddeker: Und was genau sind das für Impfstoffe, die dann eingesetzt werden sollen?

    Wildermuth: Also in der ersten Runde werden wahrscheinlich drei Impfstoffe zugelassen, Pandemrix von GlaxoSmithKline, Focetria von Novartis und von Baxter Celvapan. Die ersten beiden sind Impfstoffe, die enthalten nur Teile dieses neuen Virus und ein Verstärkermolekül, ein so genanntes Adiuvans. Der letzte, Celvapan, kommt ohne diese Verstärker aus, der besteht aus ganzen Viren. Aber das sind jetzt die ersten Impfstoffe. Der gibt es noch eine ganze Reihe weiterer, die in der Pipeline sozusagen sind, die in den nächsten Monaten auch zugelassen werden. Man braucht diese Vielzahl von Impfstoffen, weil man sonst die Menge nicht bereitstellen kann, die eben für die ganze Welt benötigt werden.

    Böddeker: Und wie lange dauert es dann mit der Zulassung, wenn Sie sagen es gibt noch weitere Impfstoffe. Ist das auch noch ein Faktor, der da rein spielt, dass diese ganz Zulassung ja auch noch dauert?

    Wildermuth: Ja, da wird im Moment das so genannte rollierende Verfahren angewandt. Das heißt, normalerweise sammelt ein Hersteller erst noch einmal alle Daten, klinische Studien, die Chemie, und so weiter, sammelt die in einem dicken Ordner und gibt ihn dann auf einmal den Zulassungsbehörden. Das ist diesmal anders angesichts der Pandemie. Jede Einzelerkenntnissen wird sofort an die Zulassungsbehörden weitergereicht, die können dann schon einmal einen Blick drauf werfen, können auch sagen, hier müssen wir noch einmal genauer nachsehen. Dadurch wird der ganze Prozess beschleunigt, ganz besonders schnell geht es bei diesen ersten drei Impfstoffen. Die hat man schon ausgiebig erprobt, in einer ganz ähnlichen Form, da weiß man, dass sie wirken, da weiß man, dass sie sicher sind. Jetzt muss eben nur noch diesen Schweinegrippe-Anteil reingebracht werden. Das bedarf nur kleiner Studien, deshalb haben die die Nase vorn. Die anderen brauchen ein bisschen größere Studien, aber auch die werden in diesem rollierenden Verfahren begutachtet, das geht alles sehr schnell.

    Böddeker: Wurden auf diesem Influenzakongress in Erfurt auch spezifische Empfehlungen ausgesprochen?

    Wildermuth: Also, da hilft ein Blick auf die Südhalbkugel, dort ist ja im Moment die Grippesaison, in Australien zum Beispiel da ist praktisch nur noch Schweinegrippe aufgetreten, die klassische saisonalen Grippe hat dort gar nicht erst Fuß gefasst. Und das bedeutet, im Zweifelsfall wird das bei uns auch so sein, da sollte man sich eher gegen die Schweinegrippe impfen lassen, aber bestimmte Risikogruppen, Ältere zum Beispiel, die sollen beide Impfstoffe bekommen. Und das beeinflusst sich auch gegenseitig nicht, die kann man gleichzeitig sogar bekommen.