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Start-up PEAT
Pflanzen- und Umweltschutz per App

Das Start-up PEAT will mit künstlicher Intelligenz die Landwirtschaft von morgen mitgestalten. PEATs App "Plantix" kann Pflanzenschädlinge bestimmen und passende Gegenmaßnahmen vorschlagen. Je mehr Nutzer mitmachen, umso schlauer wird "Plantix".

Von Alexander Budde | 14.10.2016
    Eine Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) sitzt am 10.09.2014 im Weinberg der Familie Mohr in Bensheim an der Bergstraße (Hessen) auf einer Traube der Sorte Portugieser. Zu Beginn der Traubenernte sorgt mancherorts die Kirschessigfliege für Unruhe. Laut dem Deutschen Weininstitut müssen vereinzelte Rotweinlagen deshalb früher gelesen werden.
    Welcher Schädling ist denn das? "Plantix" hilft bei der Bestimmung. (picture alliance / dpa / Fredrik von Erichsen)
    Im Jahr 2050 werden rund zehn Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben. Wird Mutter Erde sie alle ernähren können? Diese Frage beschäftigte die Geografin Simone Strey schon bei ihren Feldstudien tief im brasilianischen Regenwald. Dort kam ihr auch die Idee zu "Plantix", einer kostenlosen App für das Smartphone, hilfreich für alle, die es mit Schädlingen zu tun haben, meint Simone Strey: "Wir waren in Brasilien und haben zu Kohlenstoff geforscht, mit Kleinbauern, mittelständischen Bauern und großen Sojabauern - und haben dann aber relativ schnell gemerkt, dass das eigentlich gar nicht die Sache ist, die sie so richtig interessiert. Sondern, dass es eigentlich vielmehr darum geht: Wie geht es meiner Pflanze?"
    Durch Pflanzenkrankheiten und Schädlinge gehen noch immer rund 30 Prozent der jährlichen Ernten verloren. Simone Strey blickt zurück: "Robert, mein Hauptmitgründer, hat sich damals mit Modellieren beschäftigt und ist darüber zum Machine Learning gekommen - und dann haben wir diese beiden Themenfelder einfach zusammengeschmissen - und sind dann darauf gekommen, dass man das das Ganze auch benutzen kann, um Pflanzenkrankheiten automatisch zu erkennen anhand von Bildern."
    Mehr Effizienz - aber trotzdem die Umwelt schonen
    Ungemach durch Schädlinge droht auch hierzulande auf Äckern, in Gärten und Gewächshäusern, sagt Pierre Munzel, der bei PEAT die Pressearbeit macht. Der Firmenname - eine Abkürzung für Progressiv Environmental Agricultural Technologies - steht für die Grundidee, intelligente Lösungen für die Landwirtschaft zu finden, die zu mehr Effizienz führen, aber zugleich auch die Umwelt schonen. Gerade die Kleingärtner, die in Deutschland mit Hingabe eine Gesamtfläche von 46.000 Hektar kultivieren, greifen häufig vorschnell zur chemischen Keule, weil sie zu wenig über Pilz, Milbe und Co. wissen. Munzel zieht sein Smartphone aus der Sakkotasche und nimmt mit der eingebauten Kamera eine Salatgurke mit auffälligen Fraßspuren ins Visier:
    "Dann wählt man - wie in diesem Fall - die Gurke an, daraufhin öffnet sich dieses Kamera-Menü. Das Foto geht in der Zeit an unsere Server, wird jetzt verglichen, und innerhalb von Sekunden bekommt man dann sein Ergebnis zurückgespielt. Und wie wir hier sehen können, handelt es sich hierbei bei der Gurke um eine Minierfliege. Und dann kann man darauf gehen, und dort bekommt man dann halt alle nötige Informationen zu Symptomen, zum Auslöser der Krankheit und natürlich auch Hinweise zu biologischen Behandlungsmethoden und chemische Behandlungsmethoden, da wo es nötig ist. Wir freuen uns, dass unsere Nutzer ihre Fotos mit uns teilen, und wir helfen ihnen dafür im Gegenzug, ihr Problem im Garten zu lösen!"
    Die App lernt dazu
    Mehr als 80 Pflanzenschäden kann die App bereits automatisch erkennen. Mit jedem Foto, das die Nutzer der kostenlosen App übermitteln, vergrößert sich die Datenbank. Mehr als 90.000 Fotos kranker Pflanzen sind bereits verfügbar, um das System zu trainieren, sagt Alexander Kennepohl. Er ist im Team der Spezialist für die Verarbeitung von Geodaten. Deep Learning ist eine Form des Maschinellen Lernens, bei dem mit Hilfe von Algorithmen neuronale Netze simuliert werden, um Computern das Abstrahieren beizubringen, erklärt Kennepohl:
    "Experten kriegen ja auch Lernmaterial aufbereitet: Ich gucke mir ein Buch an, wie ein Pflanzenschaden aussieht, sehe das dann in der Natur ein paar Mal. Und genau das Gleiche ist auch der Deep-Learning-Ansatz: Dass Farben erkannt werden, dass Rundungen erkannt werden von den einzelnen Schäden. Das ist halt das Besondere daran, dass wir quasi Material aufbereiten für den Computer, der dann lernt wie diese Schäden aussehen."
    Deutsche Hersteller von Agrartechnik sind ebenso interessiert, wie potenzielle Geldgeber, um die PEAT-Geschäftsführerin Simone Strey auch im amerikanischen Silicon Valley wirbt. An einem Abend Anfang Oktober trifft sie im Restaurant McArthur Park in Palo Alto auf einen Veteranen der amerikanischen Gründerszene: Der deutschstämmige Informatiker Andreas von Bechtolsheim lebt im Silicon Valley, war Co-Gründer von Sun Microsystems und einer der ersten Investoren bei Google, geschätztes Vermögen: mehr als drei Milliarden US-Dollar.
    Künstliche Intelligenz im Trend
    Anfänglich zupft die junge Deutsche noch nervös am Stirnband, das ihre Filzlocken bändigt. Doch die beiden sind sich auf den ersten Blick sympathisch. Zumal die neuen Geschäftsmodelle rund um das Stichwort Künstliche Intelligenz - oder AI wie die Amerikaner sagen - gerade das ganz heiße Thema sind. "Da wird jetzt sehr viel investiert", stimmt Andreas von Bechtolsheim zu, "weil die Chancen, alle möglichen Vorgänge und Sachen mit AI zu verbessern, unlimited sind. Das heißt: Da gibt es keine obere Grenze, was man noch erfinden kann und es ist eine reine Frage: Wer kann das zuerst in den Markt einbringen?"
    Auch Simone Strey sieht in den USA entscheidende Vorteile: Allen voran die Risikobereitschaft von Investoren, die sich mit der Kreativität der Entwickler paart. Große Träume verfolgt auch die weit gereiste Unternehmerin aus Hannover: "Was für uns extrem spannend ist, ist die Phase, dass wir jetzt von unseren Gründern auf einmal neue Leute dazubekommen, das ist auf der einen Seite eine extreme Möglichkeit jetzt loszulegen und wirklich auch mehr zu schaffen, weil wir waren alle am Limit. Auf der anderen Seite ist natürlich auch die Frage, was passiert mit der Firma, wenn auf einmal neue Leute dazu kommen, dass man diesen Spirit auch auf die anderen übertragen kann."
    PEAT, so der Anspruch, soll nicht weniger als der neue globale Standard bei der Erkennung von Pflanzenkrankheiten werden.