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Steuererhöhungen, Lohnkürzungen, Privatisierungen

Im Schatten der Ereignisse in Griechenland hat sich in Portugal eine neue Regierung gebildet. Das Regierungsprogramm für die nächsten vier Jahre wird ab heute im portugiesischen Parlament diskutiert. Es sieht einen umfangreichen Spar- und Reformplan vor, der sich dicht an die Vorgaben aus Brüssel und Washington hält, die mit der EU und dem IWF als Gegenleistung für das 78 Milliarden schwere Rettungspaket ausgehandelt worden waren.

Von Tilo Wagner | 30.06.2011
    Dank einer komfortablen absoluten Mehrheit im Parlament wird die Mitte-rechts-Koalition das Paket ganz sicher verabschieden. Doch die Regierung um Premierminister Pedro Passos Coelho muss wohl bald zusätzliche Steuererhöhungen durchsetzen, von denen im Regierungsprogramm noch keine Rede. Denn neuste Haushaltszahlen zeigen, dass sich Portugal kräftig anstrengen muss, um die vereinbarten Ziele zu erreichen.

    Trotz der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise haben die Portugiesen den Humor noch nicht verloren. In einem Radiosketsch muss der neue Premierminister Pedro Passos Coelho als Parkplatzwächter die Limousinen seiner europäischen Kollegen einparken und in der Brüsseler U-Bahn als Straßenmusiker auftreten, nur um das nötige Kleingeld zusammenzubekommen für Portugals klaffendes Haushaltsloch.

    Passos Coelho ist gerade einmal zehn Tage im Amt und schon jetzt hängt ihm das Image eines Sparstrumpfes an. Das ist durchaus gewollt. Portugals Premierminister verkündete, er werde in Zukunft zu offiziellen Terminen innerhalb Europas nur noch Economy Class fliegen. Seinen Ministern verbat er ausdrücklich, den Dienstwagen für private Zwecke zu benutzen - wie das bisher in Portugal üblich war. José Manuel Fernandes, der ehemalige Chefredakteur von Portugals einflussreicher Tageszeitung "Público", sagt, dass dieses Bild nicht nur politische Propaganda sei. Denn Passos Coelho sei von Natur aus ein sparsamer Mensch:

    "Der Premierminister lebt auch jetzt noch in einem Plattenbau in einem Lissabonner Vorort, der von der unteren Mittelschicht bewohnt ist. Ihm macht es überhaupt nichts aus, in der Economy Class zu fliegen. Das ist kein Opfer für ihn. Denn so ist er bisher privat immer geflogen. Er trägt auch keine teuren Anzüge und leiht sich sogar die Krawatten, weil er keine große Auswahl hat."

    Diesen Lebensstil will Passos Coelho scheinbar auch dem portugiesischen Staat beibringen, der sich in den vergangenen Jahren so hoch verschuldet hat, dass der Bankrott nur mithilfe einer saftigen Finanzspritze der EU und des Internationalen Währungsfonds verhindert werden konnte. Als ersten symbolischen Schritt hat die Mitte-rechts-Regierung jetzt auf die Benennung der zivilen Gouverneure verzichtet. Diese Verwaltungsposten war seit dem 19. Jahrhundert für die Vertretung der nationalen Interessen auf lokaler Ebene verantwortlich, hatten jedoch immer mehr an Bedeutung verloren. Politische Beobachter sehen hier ein Anzeichen, dass die neue Regierung auch andere Bereiche der aufgeblasenen öffentlichen Verwaltung effizienter gestalten will.

    Pedro Passo Coelho machte deutlich, dass der Maßnahmenkatalog, der mit der EU und dem IWF ausgehandelt wurde, für die Regierung absolute Priorität habe.

    "Wir wissen, dass wir eine ganze Reihe politischer Schritte jetzt definieren müssen. Wir haben deshalb angefangen zusammen mit der EU, der Europäischen Zentralbank und dem IWF einen Zeitplan für die nächsten zwei Monate aufzustellen. Ein Höchstmaß von Ideen muss jetzt in konkrete Maßnahmen umgesetzt und in Portugal angewandt werden."

    Dafür hat der Premierminister extra einen Staatssekretär abgestellt, der die Kommunikation zwischen den internationalen Institutionen, dem Finanzministerium und dem Regierungschef koordinieren soll. Damit will Passos Coelho auch die Haushaltsführung enger kontrollieren. Laut jüngsten Berechnungen liegt Portugals Defizit zurzeit noch weit über der für 2011 angepeilten Obergrenze, obwohl die Staatseinnahmen deutlich gestiegen sind. Das heißt, die Kontrolle der Ausgabenseite ist bisher mangelhaft.

    Die Mitte-rechts-Regierung wird wohl eine zusätzliche einmalig zu zahlende Einkommensteuer erheben müssen, um den Schuldenzuwachs in den Griff zu bekommen. Im Regierungsprogramm, das am Donnerstag und Freitag im portugiesischen Parlament diskutiert wird, steht davon noch nichts. Das Programm sieht vor, die Mehrwertsteuer auf einige Produkte zu erhöhen. Die Privatisierung der staatlichen Fluggesellschaft TAP, des Flughafenbetreibers ANA, der Post, des Elektrizitätsunternehmens EDP und eines öffentlich-rechtlichen Fernsehkanals soll beschleunigt werden. Zudem stoppt die Regierung den Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Lissabon und Madrid - eine Entscheidung, die in Spanien auf Unverständnis stößt.

    Auch portugiesische Parlamentarier bekommen die Auswirkungen des politischen Wechsels ganz zu spüren. Um den engen Zeitplan der neuen Regierung und der internationalen Institutionen umsetzen zu können, fällt die parlamentarische Sommerpause dieses Jahr aus.