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Steuerhinterziehung
Fahimi: Neue Signale für Steuerehrlichkeit notwendig

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi bekräftigt die Forderung ihrer Partei nach einer Reform der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung. Straffreiheit solle es nur noch in Bagatellfällen geben, sagte Fahimi im Deutschlandfunk. Die Anonymität müsse aber gewahrt bleiben.

Yasmin Fahimi im Gespräch mit Christoph Heinemann | 07.02.2014
    Im Bild ist links ein Steuererklärungsformular und darüber liegend rechts ein weißes Blatt mit dem Titel "Selbstanzeige" zu sehen.
    Die Selbstanzeige steht in der Diskussion (dpa / picture-alliance / Armin Weigel)
    Christoph Heinemann: Am Telefon ist Yasmin Fahimi, die Generalsekretärin der SPD. Guten Morgen!
    Yasmin Fahimi: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Frau Fahimi, hat Helmut Linssen richtig entschieden?
    Fahimi: Ich glaube, er hat die richtigen persönlichen Konsequenzen daraus gezogen, dass wir in Deutschland dringend neue Signale für Steuerehrlichkeit brauchen als ein Signal des Respekts gegenüber der Solidargemeinschaft. Und wer hier dubios handelt, muss dann, glaube ich, auch in politischen Ämtern die Konsequenzen ziehen.
    Heinemann: Stichwort "dubios handeln". Hätten Sie sich gewünscht, der Berliner Kulturstaatssekretär Schmitz von der SPD wäre sofort zurückgetreten, nachdem er erwischt wurde?
    Fahimi: Das ist Spekulation. Darüber mag ich mir kein Urteil erlauben. Der Fall Schmitz ist aber jetzt in aller Konsequenz erledigt und darüber bin ich froh.
    Heinemann: Im Fall Linssen urteilen Sie, im Fall Schmitz nicht?
    Fahimi: Doch. Ich habe gerade gesagt, dass ich das für richtig halte, wie Herr Schmitz sich jetzt verhalten hat. Und damit ist für mich der Fall Linssen als auch der Fall Schmitz erledigt.
    Heinemann: Und der Fall Wowereit?
    Fahimi: Einen Fall Wowereit gibt es aus meiner Sicht nicht.
    Heinemann: Klaus Wowereit hat eingeräumt, dass er 2012 gewusst hat, dass Herr Schmitz Erträge eines Guthabens von fast einer halben Million Euro auf einem Schweizer Bankkonto nicht versteuert hat. Dennoch beließ er ihn im Amt. Hat Wowereit versagt?
    Fahimi: Ich kann das im Detail nicht beurteilen, das muss vor Ort entschieden werden. Ich weiß, dass Herr Schmitz mit einem Bußgeld belegt worden ist. Das ist aus meiner Sicht beamtenrechtlich nicht weiter zu verfolgen. Aber ich kann dazu kein Rechtsgutachten quasi fällen. Das müssen andere machen. Ich weiß, dass Herr Schmitz auf jeden Fall jetzt die richtigen Konsequenzen gezogen hat.
    Heinemann: Ihre moralische Bewertung. Kann ein Landesregierungschef, Klaus Wowereit, der einen Straftäter deckt, im Amt bleiben?
    Fahimi: Ich glaube, es geht um was ganz anderes. Es geht darum, dass wir uns insgesamt in Deutschland überlegen müssen, wie wir Steuerhinterziehung tatsächlich nicht mehr nur als einen Kavaliersdelikt betrachten oder etwas, was vielleicht nur ein Missverständnis gewesen ist, sondern wir müssen hier tatsächlich die Strafverfolgung deutlich verstärken und unterstreichen, dass es sich um eine Straftat handelt. Deswegen spreche ich mich auch dafür aus, dass es im Steuerrecht nicht diese Sonderstellung der strafbefreienden Selbstanzeige mehr geben darf.
    Heinemann: Dazu kommen wir noch, Frau Fahimi. Noch mal die Frage: Kann ein Landesregierungschef Klaus Wowereit, der einen Straftäter deckt, im Amt bleiben?
    Fahimi: Herr Heinemann, ich kann Ihre Bezeichnung und Ihre Beschreibung, die Sie dazu treffen, so nicht wiederholen.
    Heinemann: Welche?
    Fahimi: Das ist nicht mein Kenntnisstand über diesen Fall und deswegen kann ich mir auch nicht ein solches Urteil anmaßen, wie Sie es gerade gemacht haben.
    Heinemann: Entschuldigung! Welchen Kenntnisstand haben Sie nicht?
    Fahimi: Mein Kenntnisstand ist nicht, dass Herr Schmitz eine Straftat begangen hat.
    Heinemann: Steuerhinterziehung?
    Fahimi: Herr Schmitz hat ein Bußgeld erhalten, das ist etwas anderes.
    Heinemann: Für eine Steuerhinterziehung.
    Fahimi: Herr Heinemann, ich kann Ihnen dazu nicht mehr sagen. Dieser Fall wird und muss genauer betrachtet werden. Ich werde mir nicht anmaßen, hierüber eine rechtliche Aussage in aller Umfassenheit zu treffen, sondern es geht insgesamt in diesem wie in den Fällen der vergangenen Jahre darum, wie wir jetzt politisch als SPD die richtigen Konsequenzen daraus ziehen, dass offensichtlich die Steuerhinterziehung in Deutschland nicht ausreichend eingedämmt wird und dass das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige hier offensichtlich nicht wirksam genug ist. Darüber müssen wir politische Konsequenzen ziehen.
    Heinemann: Bleiben wir noch kurz bei Wowereit. Der ist noch im Ski-Urlaub. Sollte er vielleicht mal nachhause kommen?
    Fahimi: Das muss er selber beurteilen.
    Heinemann: SPD-Fraktionschef Oppermann hat gesagt, der Kampf gegen Steuerhinterziehung müsse Staatsräson werden. Und Klaus Wowereit ergänzt, die Staatsräson kann warten bis nach dem Urlaub. Ist das die Arbeitsteilung der SPD?
    Fahimi: Herr Wowereit muss das für sich selber beurteilen.
    Heinemann: Ist er Ihnen peinlich inzwischen?
    Fahimi: Nein. Herr Wowereit ist Regierender Bürgermeister in Berlin und im Übrigen auch ein sehr beliebter Bürgermeister.
    Heinemann: Frau Fahimi, sollte straffrei bleiben, wer sich selbst vollumfänglich anzeigt?
    Fahimi: Nein. Dazu habe ich ja gerade schon was gesagt. Ich glaube, dass das wirklich sehr auffällig ist, dass offensichtlich erst dann die Anzahl der Selbstanzeigen steigt, wenn tatsächlich mit einer unmittelbaren Strafverfolgung gerechnet werden muss, sprich, wenn wir eine Steuer-CD zugespielt bekommen. Und wir können die Rechtsstaatlichkeit unseres Landes nicht auf der Basis weiter fortsetzen, dass wir es quasi dem Zufall überlassen, ob wir aus der Schweiz eine entsprechende Steuer-CD zugespielt bekommen. Deswegen bin ich der Überzeugung, dass das kein adäquates Mittel mehr ist. Ich finde aber vor allem, dass es hier auch nicht nur um die Strafverfolgung geht, sondern dass es am Ende darum geht, die Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaats wieder geradezurücken. Am Ende unterläuft das sonst unser aller Moral.
    Heinemann: Nun kennt das Strafrecht die tätige Reue, die sich normal strafmindernd auswirken kann. Warum sollte das nicht für das Steuerrecht gelten, für Steuerstraftaten?
    Fahimi: Ich will ausdrücklich betonen, dass es mir nicht um eine letztendliche Verschärfung des Strafrechts in dieser Frage geht, sondern es geht lediglich um eines, nämlich die strafbefreiende Selbstanzeige, die über Bagatellfälle hinausgeht. Die Bagatellgrenze liegt meines Erachtens nach im Rahmen dessen, oder man kann sich daran orientieren, was derzeit schon die Gerichtsbarkeiten so behandeln, nämlich dass bei Geringfügigkeit oder bei nicht schwerwiegenden Fällen der Bußgeldkatalog Strafen bis zu 50.000 Euro ermöglicht. Das heißt, es geht hier in keinster Weise um eine Kriminalisierung von Steuerhinterziehung oder falschen Angaben von Steuern, die vielleicht tatsächlich auch in unserem komplizierten Steuerrecht ein Versehen sein können, sondern es geht um eine konsequente Verfolgung ab einem Straftatbestand, der nicht mehr als Bagatelle bezeichnet werden kann. Und für diese Fälle sollten wir die strafbefreiende Selbstanzeige beenden. Das ist keine Verschärfung des Strafrechts, es ist lediglich eine konsequente Anwendung dessen, was die Gerichtsbarkeiten eigentlich für sie sicherstellen sollten.
    Heinemann: Nun sieht der Bundesfinanzminister das anders. Jetzt arbeiten zurzeit Steuerexperten des Bundes und der Länder an Maßnahmen, um den Kampf gegen Steuerhinterziehung zu verschärfen. Worauf können sich denn Union und SPD einigen?
    Yasmin Fahimi
    Über Yasmin Fahimi
    Geboren 1967 in Hannover, Niedersachsen. Die SPD-Politikerin schloss ihr Chemiestudium an der Universität Hannover 1998 mit dem Diplom ab, arbeitete danach unter anderem als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung Arbeit und Umwelt der IG BCE. Dort ist sie seit 2005 Gewerkschaftssekretärin im Stab des Vorsitzenden. Seit 1996 ist Fahimi Mitglied der SPD und seit 2014 Generalsekretärin der Partei.
    Fahimi: Nun, darüber werden wir ja jetzt in die Gespräche gehen. Das überlasse ich zunächst auch Herrn Oppermann, diese Gespräche auch mit aller Konsequenz zu verfolgen. Ich habe einen gewissen Rahmen ja beschrieben, in dem wir, glaube ich, uns glaubwürdig bewegen können, in dem wir die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates wiederherstellen können und den Bürgerinnen und Bürgern deutlich machen können, dass Steuerehrlichkeit eben auch etwas ist, was nicht einfach jeder selbst bestimmen kann, was er für angemessen hält, sondern dass das ein Gebot und ein Beitrag der Solidargemeinschaft ist, die man miteinander abklären muss. Diesen Rahmen zu setzen und konsequenter zu ziehen, da, bin ich zuversichtlich, wird Herr Oppermann auch in den Gesprächen mit der Großen Koalition konsequent sein. Ich kann jetzt zunächst einmal für die Position der SPD sprechen.
    Heinemann: Frau Fahimi, die Fälle Schwarzer und Schmitz, andere auch, sind öffentlich geworden. Ist aus rechtsstaatlicher Sicht die Anonymität der sich selbst anzeigenden Steuerstraftäter nicht ebenso wichtig wie die Steuernachzahlung?
    Fahimi: Nun, da haben Sie in der Tat recht. Ich finde, dass die Anonymität gewahrt werden muss. Es geht nicht darum, jemand öffentlich an den Pranger zu stellen. Nichtsdestotrotz kann das natürlich nur funktionieren, wenn dahinter tatsächlich auch in aller Konsequenz der Rechtsstaat auch seine Wirksamkeit entfaltet. Das ist das, was ich auch unterstützen möchte. Es geht nicht darum, die Transparenz größer zu machen und Menschen hier in aller Öffentlichkeit vorzuführen. Aber es geht auch nicht, dass akzeptiert wird, dass jeder selbst bestimmt, was er steuerlich für angemessen hält. Insofern muss man in den Fällen, wenn man denn dann sich so verhalten hat, sich auch der Öffentlichkeit stellen. Das werde ich nicht ändern können. Aber ich bekenne mich durchaus nach wie vor auch für die Anonymität, die da sichergestellt werden muss, weil wir hier nicht zu einer Kriminalisierung beitragen wollen.
    Heinemann: SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Frau Fahimi, vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Fahimi: Ich danke Ihnen. Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.