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Steueroasen nicht nur in Übersee

Der Kampf gegen Steueroasen gehört zum politischen Repertoire, nicht erst, seitdem der damalige Finanzminister Peer Steinbrück die Kavallerie gegen die Schweiz reiten lassen wollte. Aber auch hier ist nicht alles zum Besten bestellt, bemängelt das Tax Justice Network.

Von Caspar Dohmen | 06.08.2012
    Der Entwicklungsökonom John Christensen hat sich einst als Berater der Regierung von Jersey bewusst einen Einblick in die Arbeitsweise einer Steueroasen verschafft und dann die Seite gewechselt. Er hat Tax Justice Network gegründet, mittlerweile ein internationales Bündnis von Nichtregierungsorganisationen, welches sich für mehr Steuergerechtigkeit einsetzt. Zwei Mal erstellte das Netzwerk bereits einen "Schattenfinanzindex", indem Länder nach dem Grad der Geheimhaltung von Finanzgeschäften und ihrem Anteil am Weltmarkt der Finanzdienstleistungen geordnet werden. 73 Länder nahmen die Aktivisten zuletzt unter die Lupe. Auf dem ersten Platz steht die Schweiz, was weniger überrascht. Unter die größten 20 Steueroasen sortieren die Aktivisten jedoch auch Länder wie die USA, Japan oder Deutschland ein, die gewöhnlich eher als Kämpfer gegen Steueroasen für Aufmerksamkeit sorgen. Platz neun für Deutschland, wie kommt das? Die Frage geht an den Koautor der Studie, Markus Meinzer:

    "Das liegt zum einen ganz klar auch daran, dass Deutschland zunächst einmal ein ganz großer, wichtiger, grenzüberschreitender Finanzakteur ist. Fünf Prozent des globalen Marktes an grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen vereint Deutschland auf sich. Aber, es liegt auch an den Winkelzügen und an der Geheimhaltung, die in Deutschland angeboten wird. Und das ist die zweite Komponente, wo viele sich vielleicht wundern, dass Deutschland so weit oben ist. Ich glaube einer der Hauptmechanismen ist die Steuerbefreiung für Finanzanlagen von Ausländern in Deutschland, gekoppelt mit einer nicht vorhandenen Berichtspflicht der Banken an den deutschen Fiskus."

    Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise hatte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz OECD, auf Druck der Industrieländer Listen von Steueroasen erstellt. Wenn Staaten von den Listen gestrichen werden wollten, mussten sie mindestens zwölf spezielle Abkommen über den Austausch von Steuerinformationen unterzeichnen. Damit wollte die OECD Steuerbehörden die Informationsbeschaffung in anderen Ländern erleichtern. Monica Bhatia ist Leiterin des Global Tax Forum bei der OECD und spricht von großen Fortschritten:

    "Es gibt erhebliche Fortschritte und ich glaube diese Art des Fortschritts wäre in früheren Zeiten undenkbar gewesen und ich glaube diese Veränderung kommt durch die Finanzkrise. Vorher bewerteten wir bei der OECD anhand von vier Kriterien, ob ein Land eine Steueroase ist. Damals gab es in acht Jahren nur 40 Mal einen Austausch von Steuerinformationen. Seit der Umstrukturierung des Global Forum 2009 und der Einführung neuer Bewertungskriterien haben wir mehr als 700 Vereinbarungen gesehen, die rechtskräftig geworden sind. "

    Früher konnten Steuerbehörden in anderen Ländern erst dann Informationen abfragen, wenn sie gegen einen Bürger oder ein Unternehmen bereits wegen möglicher Steuerhinterziehung ermittelten. Heute reicht ein Verdacht. Aber auch diese Anforderung sei sehr hoch in Deutschland, schildert Meinzer anhand des Beispiels Südafrika:

    "Südafrika muss schon mit einem sehr konkreten Verdachtsmoment kommen, mit einer ausgearbeiteten Strafanzeige kommen und ein entsprechendes sehr kompliziertes juristisches Dokument ausfüllen, bevor es an die deutschen Behörden herantreten kann und dann können diese erst einen Suchprozess starten."

    Die OECD verweist auf die Präventivwirkung der Neuregelung. Viele Steuersünder wüssten, dass sie nicht mehr unbehelligt bleiben. Positiv bewertet OECD-Expertin Bhatia Deutschland in Steueraustauschangelegenheiten, möchte den Ansatz des Netzwerkes Tax Justice Network jedoch nicht bewerten will:

    "Nach unserer Einschätzung funktioniert in Deutschland der Austausch von Informationen gut und wir haben von Seiten der OECD nur wenige Empfehlungen für Verbesserungen. Dazu zählen mehr Informationen zur Verfügung zu stellen und Vorbenachrichtigungen über Steuerzahler. Insgesamt hat Deutschland stabile und umfangreiche Austauschmechanismen. Das Tax Justice Network hat eine andere Sicht auf die Dinge, es liegt aber nicht bei mir zu sagen, ob sie gut oder schlecht sind."

    Steueroasen spielen immer noch eine wichtige Rolle bei der Erosion der Steuereinnahmen von Staaten. Nutznießer davon sind vor allem wohlhabende Privatpersonen, institutionelle Investoren, Unternehmen, Banken und die organisierte Kriminalität. Besonders hart betroffen sind von den durch Steueroasen ermöglichten Steuerausfällen die Entwicklungsländer. Über die Höhe der Steuerausfälle mag man sich streiten. Das Netzwerk für Steuergerechtigkeit beziffert sie auf 190 Milliarden Euro. Geld, das für die Erledigung staatlicher Aufgaben fehlt.